Tagebuch




Country & Music

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Gabi vor der Country Music Hall of Fame and Museum, Nashville, Tennessee

So - zurück aus der City und es ist später als erwartet. Daher fasse ich die Ereignisse von heute nur kurz zusammen.

Nach einem deftigen Frühstück inkl. selbst gebasteltem Breakfast Burrito schreibe ich das Tagebuch von gestern. Wir haben uns für 11:00 Uhr auf den Shuttle gebucht, das passt genau.

So sind wir um 11:30 Uhr wieder am Broadway, es scheint nicht ganz so voll und rüselig zu sein wie gestern. Dennoch dröhnt schon wieder aus allen Kneipen Live Musik auf die Straße. Die grünen Männchen und Weibchen feiern immer noch oder schon wieder St. Patrick’s Day.

Music City of the USA“ - Nashville gilt als die Stadt der Countrymusic. Die Musikproduktion ist nach New York die zweitwichtigste in den USA. Es gibt über 5.000 Country-Songwriter in Nashville; auf den Bühnen der Stadt versuchen sich regelmäßig 4.000 Interpreten. In Nashville sind 70 Tonträgerfirmen, 200 Aufnahmestudios und unzählige Musikverlage angesiedelt. Die Musikindustrie setzt hier ca. 8 Milliarden Dollar jährlich um und beschäftigt 20.000 Menschen.

Die Zeit von 11:45 Uhr bis 14:30 Uhr verbringen wir in der „Country Music Hall of Fame and Museum“. Das ist ein ziemlich großer und modern eingerichteter Komplex. Auf über 32.000 Quadratmetern wird die Entwicklung der Country-Music, aber auch die Formen des „Cross-Over“, also die Grauzone zu Rock, Rockabilly, Pop, Americana etc. erklärt. Der hinzugefügte Neubau ragt über den an eine Tastatur erinnernden Altbau hinweg und bietet durch eine Glasfront auch einen grandiosen Blick auf die Skyline.

Wir haben auch tatsächlich fast 3 Stunden benötigt, um uns alles anzusehen. Hilfreich, aber für mich auch etwas verwirrend sind dabei die Audio-Guides, die uns an den verschiedenen Ausstellungsdisplays etwas passendes erzählen. Ich lese natürlich auch die aushängenden Texte, mein Kopf ist auf Englisch unterwegs und dann quatscht da parallel einer in Deutsch, crazy!

Zu Beginn befindet sich bei den Aufzügen ein wunderbares Zitat: „Country Music ist three Cords and the truth (Harlan Howard)“. Wir fahren ins dritte OG, hier beginnt die Geschichte der Country Music. Alles ist toll erklärt und mit (zum Teil sehr befremdlichen) Kostümen, Instrumenten, Plakaten, Bildern und Videos dokumentiert. Die „Volksmusik“ hat natürlich auch Einflüsse des Blues verarbeitet und sich später mit den wachsenden Möglichkeiten (Mikrofonie, Verstärkung der Gitarren, E-Gitarren etc.) und natürlich mit Erfindung und stärkeren Verbreitung des Radios auch „auf dem Lande“ ständig weiter entwickelt. Elvis, Johnny Cash und andere haben dann auch rockigere Töne angeschlagen.

Schön, wie sich unsere Reise hier weiter vervollständigt. Wir können vieles besser verstehen, weil wir uns schon intensiv mit Blues, Elvis, Cash, den Sun Studios u.a. beschäftigt haben. Ausgestellt sind auch zwei sehenswerte Autos, die sich allerdings schwer fotografieren lassen. Webb Pierce hatte sich seine Karre voll auf Cowboy tunen lassen inkl. Longhorns am Kühler, Sattel im Fahrerraum und Knarren aller Art im und am Auto. Völlig verrückt. Elvis’s goldener Cadillac ist aber nicht minder irre: lackiert mit zig Schichten Lack, in die Gold- und Diamantenstaub sowie Fischschuppen eingearbeitet sind. Dazu goldene Verzierungen, edelste Stoffe, Fernsehen, Telefon, Bar und Eismaschine. Die 300 Kilometer Fahrt von Graceland mit Chauffeur zu den RCA Studios hier in Nashville muss man sich ja schön gestalten.

Goldene Schallplatten zieren auch das Treppenhaus. Im zweiten Stock widmet man sich dann der jüngeren Geschichte der Country-Music und ihren Einflüssen bzw. Künstlern, die die Musik weiter verändert oder ausgebaut haben. Das 4 der Eagles früher die Band für Linda Ronstadt bildeten, war mir auch nicht klar. Viele, viele Namen sind uns geläufig, weil wir diese Musik ja regelmäßig hören. Ein interaktiver Bereich lädt zum selbst komponieren und texten ein und erklärt die wesentlichen Instrumente.

Am Ende sind wir dann in der „Hall of Fame“. Es ist eine extrem große Auszeichnung für die Künstlerinnen und Künstler, Songwriter o.ä., hier einen Platz zu bekommen. Jährlich kommen nur 3 in verschiedenen Kategorien dazu. In die Mitte setzt die Sonne einen Spot, im Kreis („Can the circle be unbroken) sind dann mehr oder weniger gelungene Bronzeportraits der Preisträger/innen platziert.

Wir drehen noch eine kleine Runde durch den Komplex, dann geht es auf zu Studio B - den historischen RCA-Studios. Ein Bus fährt uns rüber. In dem historischen Studio hat Elvis „Return to Sender“ und viele weitere Stücke aufgenommen. Aber auch Dolly Parton, Charley Pride, Jim Reeves oder Connie Smith, Eddy Arnold, die Everly Brothers, Willie Nelson und viele andere waren hier regelmäßig zu Gast, um einige ihrer legendärsten Schallplatten zu produzieren. Es gilt als Geburtsstätte des „Nashville Sound“. Insgesamt wurden hier 35.000 Musikstücke auf Tonträger gebannt. Es ist immer noch aktiv.

Ron, unser Guide, hat im Bus schon viel erzählt. Hier spielt er im Foyer, aber auch in den folgenden Räumen und insbesondere im eigentlichen Recording-Room diverse Soundbeispiele vor. Im Foyer hängen Platten aus den verschiedenen Jahrzehnten. „Grandpa Jones Yodeling Hits“ sind auch vertreten.

Herzstück und am interessantesten ist natürlich der Aufnahmeraum. Ein kleines blaues Kreuz aus Klebeband kennzeichnet den „Sweetspot“ - hier klingen Vocals am Besten und hier haben sie alle gestanden: Elvis, Dolly etc. Jetzt steht Gabi hier. Der Steinway-Flügel vorne hat auch schon einige/s gesehen. Die Mikros und Amps kommen mir sehr bekannt vor - was zu erwarten war. Putzig finde ich die rote Lampe, die bestimmt genutzt wird um zu signalisieren, dass gerade aufgenommen wird. Ron verändert auch die Beleuchtung und so kann ich auch in den Regieraum hineinfotografieren. Angeblich hat Elvis hier „Are you lonesome tonight“ in völliger Dunkelheit aufgenommen, also macht Ron es dunkel und spielt den Song. Hat schon was und versetzt uns kurz zurück in die 60er.

Nach dieser schönen, aber auch wieder etwas anstrengenden Zeit benötigen wir nun Zerstreuung. Kurzbesuch bei einer Distillery - hier ist es uns aber zu unruhig. Außerdem möchte ich mein Bier aus einem Glas und nicht aus Plastikbechern trinken. Im „Barlines“ direkt am Museum bekommen wir einen schönen Thekenplatz, lecker Bier und Cider und zwei Burger mit Tater Tods, die sich sehen lassen können - nicht lange, dann sind sie verputzt.

Gabi möchte noch mehr vom Broadway sehen - es ist ja etwas insgesamt angenehmer als gestern, was den Andrang und das Gedränge angeht. Also stiefeln wir ihn nochmal ganz hinauf und hinunter - jeweils eine Straßenseite. Die Partybusse, -trecker und -räder fahren wieder. Überall klasse Live-Musik. Vielfach sind die Fenster herausgenommen und die Band sitzt mit dem Rücken zu Straße. Ungewohnte Perspektive. Am Ende des Broadway am Tennessee River blühen die Bäume weiß, schönes Licht! Candy-Shops und Klamottenläden sind hier natürlich auch zu finden. Cowboy/girl-Stiefel scheinen sich gut zu verkaufen.

Im „Legends Corner“ nehmen wir noch ein kleines Fläschchen Bier und Cider. Coole Kneipe mit wieder mal verrückter Ausstattung. Einige Gitarren hängen an den Wänden, in einer Vitrine sogar eine von Johnny. Die von dem, der sich den Wolf tanzt ist ebenso dabei, wie die von dem Gitarristen mit den 7 Armen, Ok, Scherz beiseite. - aber schaut bei den Fotos.

Rückfahrt zum Hotel - um 19:00 Uhr sind wir wieder auf dem Zimmer. Nun das übliche, dann lassen wir den Tag ausklingen. Wifi gibt es immer noch nicht. Ich hoffe, dass ich morgen Abend sofort die beiden letzten Tage hochladen kann.

Es neigt sich langsam dem Ende zu. An Abreise möchte ich aber noch nicht denken. Morgen fahren wir in die Smoky Mountains. Darauf freue ich mich sehr. Die Zeit rund um die Musikgeschichte in den Cities war klasse - ich möchte sie nicht missen. Jetzt ist es aber gerade zum Urlaubsausklang gut, wenn wir noch einmal Naturfeeling, eine Wanderung und „Bergluft“ genießen können. Vorfreude!

Tagesetappe: - Kilometer
Übernachtung: Club Hotel Nashville Inn & Suites, 2435 Atrium Way, Nashville, TN 37214

Jacks 'n' Johnny

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Jürgen im Jack Daniel Visitor Center, Lynchburg, Tennessee

Das Rezept des Tages? Man nehme 2 Jacks und füge einen Johnny dazwischen - schon ist der perfekte Urlaubstag geschaffen! Keine Sorge, ich kläre das auf!

Doch zuvor: gestern Abend haben wir erwartet, in dieser Nacht kein Auge zumachen zu können. Das einfache Motel besteht offensichtlich nur aus Bretterwänden, es reisen noch spät Gäste an, Fernseher laufen, von allen Seiten Geräuschkulisse inklusive Hundegebell. Doch wir sind müde genug und schlafen irgendwie ein. Als ich dann wach werde staune ich: die Nacht in um und wir haben erstaunlich gut geschlafen.

Um 09:00 Uhr müssen wir im Visitor Center der Jack Daniel Distillery sein. Da wir schnell eingepackt haben ist noch etwas Luft. Frühstück? Hier im Motel gibt es nix außer einem dünnen Kaffee. Nebenan ist ein Subway und es ist Samstag - noch geschlossen, war ja klar. Ich fahre die kurze Strecke bis zum General Dollar an der Hauptstraße, kleiner Supermarkt, alles mögliche zu kaufen - nur keine Sandwiches oder Subs o.ä. Tiefgefroren (!) Wären die zu haben, aber was sollen wir damit?

Also packen wir Tiny ins Auto, geben die Zimmerkarten ab und fahren noch kurz in die „Historic Downtown“, die wie gestern beschrieben nicht mehr zu bieten hat als ein Mini-Karree von Shops. Alle zu, einer auf: der „Southern Perks Coffee Shoppe“ - passt. Wir lassen uns 2 große Latte in unsere Yeti-Becher füllen und vermeiden damit einmal mehr die Verschwendung von Plastik. Die Zeit reicht sogar, uns noch 2 Bisquits mit Bacon, Ei und Käse zubereiten zu lassen. Schönes Cafe, wir verputzen unser Frühstück noch vor Ort und sind 3 Minuten später am Visitor Center. Ready for Whiskey.

Die Lage der Destille inmitten weiter Waldgebiete und am Rand diese mehr oder weniger verschlafenen Farmernests, in dem sich alles nur um den „Jack“ dreht, ist schon was Besonderes. Wir stehen auf der Liste, ich zahle 30 Dollar für 90 Minuten Tour inkl. Tasting pro Person und dann schauen wir uns die Ausstellung im Visitor Center an. Schön gemacht, inklusive Erklärstation, wie sie hier den Whiskey herstellen. Das kennen wir im Grundsatz, es gibt aber wesentliche Unterschied des Bourbon zum Scotch: zunächst ist es in ganz Amerika so, dass zur Lagerung des hier als „Moonshine“ bezeichneten Rohdestillats ausschließlich „Virgin Oak“-Fässer genutzt werden dürfen. Das heißt es müssen immer frische Fässer her aus amerikanischer Eiche. Das gefällt den Schotten, die die „first fill Bourbon-Fässer“ nach ihrer Nutzung kaufen und für ihre Lagerung benutzen; die Fässer bringen schon etwas Bourbon-Geschmack mit und das tut dem Whisky oft gut. Später veredeln die Schotten ja vielfach durch Umfüllen in andere Eichenfässer (Sherry, Port, Wein etc.) - das ist hier nicht so verbreitet.

Der „Tennessee Whiskey“ hat aber eine weitere Besonderheit: der Moonshine wird vor der Lagerung im Fass durch gut 3 Meter hoch aufgeschichtete Holzkohle geträufelt und so gefiltert. Fuselalkohole, Fette etc. werden so herausgefiltert und es entsteht ein weicheres Destillat.

In der Ausstellung gibt es natürlich auch historische Flaschen und vieles mehr. Blickfang ist ein alter Lieferwagen. Es gab eine kurze Zeit, da hat man hier (naheliegend) auch Bier hergestellt und dieses wurde dann hiermit ausgeliefert. Das war aber nur eine kurze Phase - Tiny gefällt der schmucke Wagen.

Die Gruppengröße beträgt hier bis zu 28 Personen je Guide, um 09:15 Uhr ist bereits eine entsprechend große Gruppe gestartet. Als wir um Punkt 09:30 Uhr von Matt, unserem jungen Guide, der sich bereits seit seiner Kindheit hier in der Distillery herumtreibt aufgerufen werden trauen wir unseren Augen nicht. Wir kommen in den Nebenraum, wo die kurze Einführung stattfindet und sind nur zu viert! Ein Paar aus Texas, wir beide (mit Tiny) - und Matt. Unfassbar, das ist so ein Glücksfall. Wir haben quasi eine Privatführung und Matt sagt, dass er selbst erstaunt ist, weil es das so gut wie nie gibt. Klasse, es kann losgehen!

Toll an der kleinen Gruppe ist auch, dass ich ganz entspannt Fotos machen kann, ohne das mir ständig Leute im Weg stehen. Leider ist in den Gebäuden, in denen mit dem Destillat umgegangen wird, das Nutzen aller elektronischen Geräte untersagt (Explosionsgefahr - „wir wollen ja nicht heute noch den lieben Jack besuchen“). Das erste kleine Wegstück bergauf werden wir mit dem Bus gefahren. Wir stellen uns gegenseitig vor, richtig gemütlich. Die Texaner haben noch einen Jack-Daniels-Cocktail mit Zitrus und Eis bestellt, großer Becher. Auf meine Antwort, dass ich noch fahren muss und wir uns das daher verkneifen lachen die Amis herzlich: „Wir sind Texaner!“ Und auch Matt bestätigt, dass hier so richtig niemanden interessiert, ob man fahren muss oder nicht (in Grenzen, denke ich - oder?). Matt erzählt, dass die Touren inkl. ausgiebigem Tasting bis vor einigen Jahren noch kostenlos waren. Inzwischen haben sie 300.000 Besucher jährlich und haben das System umgestellt.

Wir schauen uns zunächst die Besonderheit an: den Platz, wo die Holzkohle hergestellt wird, immer von den gleichen Leuten, die Matt schon sein Leben lang kennt. Sie lagern Sugar Maple (Zucker-Ahorn) für 9 bis 12 Monate auf dem Gelände der Distillery und „würzen“ das Holz so mit allem, was hier so an angenehmen Gerüchen herrscht. Dann schichten sie es auf und zünden es mit einem historisch anmutenden Flammenwerfer an Wenn das Holz gut verbrannt ist und der Kohle-Status erreicht ist löschen sie das Feuer mit Wasser, schichten um, löschen wieder usw. Dann wird die Kohle geschreddert, so dass ein Granulat entsteht und in einem Hochbehälter gelagert bis sie benötigt wird.

Als nächstes zeigt uns Matts die Wasserquelle, die hier durch eine Art Höhle fließt. Das Wasser ist regelmäßig glasklar und heute wegen des Regens gestern etwas eingetrübt. Es enthält besonders wenig Eisen und ist daher super geeignet. Hier hat Jack Daniel begonnen und hier steht auch seine Statue. Markenzeichen von Jack war es, dass er stets piekfein gekleidet daher kam. Niemals hat er sich anders fotografieren lassen - das war sein Steckenpferd: Anzug, Fliege und Hut mussten sein. Die Distillery ist mehrfach (drei mal?) abgebrannt (heute ist die Werksfeuerwehr besser besetzt als jede Flughafenfeuerwehr im Umfeld), alle Steinhäuser mussten mehrfach neu aufgebaut werden. Überlebt hat stets nur das kleine, aus Holz gebaute Office von Jack hier an der Quelle - und dorthin begeben wir uns jetzt und Matt führt die Geschichte rund um den kleinen Jack zu einem traurigen Ende..

Jack Daniel war und ist ein Familienunternehmen. Es gibt in diesem nur 300 Seelen umfassenden Örtchen quasi niemanden, der nicht irgendwie mit der Distillery verbunden ist. Jack Daniel wurde 1850 als das zehnte von zehn Kindern geboren und hatte von Beginn an keinen leichten Stand in der Familie. Mit 5 Jahren wurde er an einen Reverent „zur Pflege“ abgegeben und schon mit 13 Jahren begann er, seinen ersten Moonshine zu produzieren. Mit 16 Jahren kaufte er einen Teil dieses Geländes und zwar den Teil, auf dem sich die Quelle befindet. Dort installierte er seine Spirit-Still im Fels direkt über dem Wasser. Die Stelle kann man auch heute noch gut erkennen.

Der Hauptraum ist unverändert: originaler Schreibtisch, Uhr, Ofen, Tresor. Morgens kam Jack hier herein, setze sich an den Schreibtisch und arbeitete. Zwischendurch musste er natürlich auch mal an den Tresor. Eines Tages bekam er das störrische Ding nicht auf und trat voller Wut dagegen - und brach sich den großen Zeh. Leider hat er sich nicht behandeln lassen. Nach 9 Monaten musste ihm der Zeh amputiert werden, ein weiteres halbes Jahr der Unterschenkel. Er starb dann einige Monate später im Jahr 1911 an den Folgen der Blutvergiftung; der Brandherd hatte sich bis zur Hüfte weiter entwickelt. Brrrr.

Es hängen dort auch Fotos von den Master-Distillern. Der heutige ist 41 Jahre alt und macht den Job schon seit 26 Jahren; er ist der Enkel des vorletzten Chefs. Ihm steht eine junge Frau zur Seite, die seine Aufgabe sicher irgendwann einmal übernehmen wird. Mit 100 Millionen Litern/Jahr ist Jack Daniels heute eine der meistgetrunkenen Spirituosen weltweit.

Nun schauen wir uns die Stills an. Sie verwenden keine bauchigen Pottstills wie die meisten schottischen Distillerys sondern ausschließlich zylinderförmige Columnstills, die 52 Stunden laufen, dann gereinigt und wieder in Betrieb genommen werden. Die Fermentierung findet nebenan statt, es riecht sehr gut. Als Grundlage nehmen sie fast bei allen Abfüllungen Mais, Gerste und Roggen nach dem „Geheimrezept“ von Jack. Die nach der „Bierherstellung“ verbleibenden Feststoffe werden vollständig als Tierfutter an die Höfe in der Umgebung gegeben, glückliche Kühe, Pferde und Schweine!

Dann kommen wir in den Bereich, wo das junge Destillat durch die Holzkohle geträufelt wird, „dropje for dropje“. Über 3 Meter Holzkohle müssen die Tropfen durchlaufen, bevor sie später ins Fass gelangen. Die Holzkohle wird alle 9-12 Monate gewechselt und es dauert dann immer eine ganze Woche, bis der neue „Stoff“ durchgelaufen ist. Dieser wird dann sicherheitshalber noch einmal gefiltert und weiter geht die Reise.

Der Tastingraum ist in ein Fasslager integriert, sehr urig. Wir sitzen in dem gläsernen Raum umgeben von Fässern und haben jeder 6 Pinnekes vor uns stehen. Matt gibt die Erläuterungen, wir probieren: „Gentleman Jack“, der komplett zwei mal gefiltert wird, um ihn noch weicher zu machen. Dann gibt es den klassischen „Jack Daniel’s old No. 7“ (Fasslagerung ist hier mindestens 4 Jahre). Es folgt der „Jack Daniel’s Rye“, der komplett aus Roggen hergestellt wird und einen ganz anderen Geschmack hat. Dann folgen noch „Jack Daniel’s Tennessee Honey“, „Jack Daniel’s Tennessee Fire“ (mit Zimt) und „Jack Daniel’s Tennessee Apple“. Für letztere hat Matt unzählige Verwendungsmöglichkeiten: auf Eis, vermischt mit Tee, Kaffee, Limonade, gefroren oder zu Speiseeis gegeben etc. Wir sollten zu Hause mal mehr ausprobieren!

So viel dazu, alles andere sprengt den Rahmen. Tolle Tour!!

Auf dem Weg nach Nashville stoppen wir bei bestem Wetter noch kurz bei einem Walmart. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Mengen manche Familien hier einkaufen. 2 große Einkaufswagen voll mit Unmengen an Fleisch etc. lassen uns vermuten, dass hier immer für mehrere Wochen eingekauft wird.

In Nashville fahren wir zum Hotel, das in „East-Nashville“ liegt. Diejenigen in Downtown waren einfach viel zu teuer. Unser Hotel bietet einen stündlichen Shuttle nach Downtown an. Der kosten 15 Dollar pro Person hin und zurück. Das ist ein super Preis für die halbstündige Fahrt und wir sind heilfroh, dass wir unser Auto hier stehen lassen können. In Nashville ist nämlich die Hölle los. Ausnahmezustand! Hier ist am Broadway ja immer die bekannte Partymeile mit unzähligen Kneipen, alle mit Live Music, zum Teil auf 3 Etagen. So was haben wir noch nie gesehen. Hinzu kommt: es ist Springbreak (die Jugendlichen sind außer Rand und Band), es ist ein großes Basketball-Turnier mitten in der Stadt (Bridgestone Arena) - jede Menge Sportfans feiern. Es ist Samstag und es ist St. Patrick’s Day - grün, wohin das Auge schaut. Menschenmengen und ein infernalischer Lärm der sich vermischenden (sehr guten) Live-Acts.

Wir retten uns erst mal in den ersten Apple Store unserer Reise und Gabi bekommt die dringend benötigte neue Hülle für ihr iPhone. Dann stürzen wir uns ins Getümmel. Das ehrwürdige Ryman Auditorium ist groß und hat eine schöne Backsteinfassade. Fotografieren ist sehr schwierig wegen der ganzen Leute. Das „at & t“-Building heißt umgangssprachlich auch „Batman“. Überall fahren Partybusse oder -gefährte rum, ebenfalls mit eigener Musik und Gekreische. Viele Junggesellinnenabschiede, die meisten Mädels tragen bauchfrei, Cowboystiefel (gerne weiße) und knappe Röcke, wobei der Körperumfang völlig nebensächlich ist.

Wir schauen, dass wir ins Johnny Cash Museum kommen. Das liegt in einer Seitenstraße und hier haben wir Zeit. Der „Man in Black“ nimmt uns lange gefangen. Wir schauen uns alles in Ruhe an, Instrumente, Klamotten - auch von seiner zweiten Frau June Carter Cash. An vielen Audio- und Videostationen sehen und hören wir uns Beispiele seines Lebenswerkes an. Ich muss hier abkürzen - er war ein ganz großer mit einer sehr langen, erfolgreichen Karriere. Aber er hat in seinem Leben auch viel „Rock ‚n‘ Roll“-Erfahrung sammeln müssen inkl. Abhängigkeiten und miesen Phasen und Erfahrungen. Der grandiose Film „I walk the Line“ mit Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon (die alle Titel selbst singen) sei hier wärmstens empfohlen!

Nun gehen wir noch zur Country Music Hall of Fame und checken, was morgen geht. Alles gut, ich kann am Besten übers Internet Karten kaufen, was ich dann auch abends noch mache.

Nun haben wir Hunger, aber überhaupt keine Lust, uns hier in diese übervollen Kneipen am Broadway zu stürzen, wo man selbst ein Bier nur in Zeichensprache bestellen kann. Infernalischer Lärm. Zu unserem Entzücken finden wir das „Cerveza Jack’s“, eine mexikanisch angehauchte Bar in der 2nd Street. Eine junge Frau (in hohen Cowboystiefeln) singt zur Gitarre - sehr, sehr gut!

Bier gibt es nur aus der Dose - dafür heißt meines „Hippies and Cowboys IPA“ und schmeckt. Wir lassen Margaritas folgen und essen tolle Nachos mit chipottle chicken und Steak-Quessiladas. Genau der richtige Ort für uns.

Der Rücktransport zum Hotel läuft reibungslos, allerdings beobachten wir einen Unfall. Zwei junge Pärchen sind sehr fix mit dem Elektrotretroller unterwegs und kreuzen unsere dreispurige Fahrbahn, ohne Vorfahrt zu haben. Ein Auto neben uns erwischt die hinteren in voller Fahrt am Hinterreifen, die beiden stürzen - scheint aber nochmal gut gegangen zu sein. Eine Sekunde früher und es hätte ziemlich sicher zwei Tote gegeben. Puh! Zufällig steht direkt neben uns ein Ambulanzwagen, der hält sofort und nimmt sich der Sache an.

Wir checken ein und gratulieren erst mal der lieben Margret zum 60sten. Dort ist die Party im vollen Gange und wir platzen per Skype hinein. Gabi hat um 18:59 Uhr gerade noch zwei gratis Whisky-Cocktails erobert, die es hier zur Happy Hour bis 19.00 Uhr gibt. So können wir sogar anstoßen. Anschließend beziehen wir unser geräumiges Zimmer mit zig Steckdosen und allem, was wir benötigen.

Da es noch so schön ist verziehen wir uns aber mit unseren Getränken und dem Mac noch nach draussen an den Pool. Das Tagebuch schaffe ich heute ohnehin nicht mehr und ich bin froh, dass die Fotos noch fertig werden. Das Wifi ist aktuell so schlecht, dass an die Website ohnehin nicht zu denken ist. Morgen starten wir mit dem Shuttle um 11:00 Uhr, da habe ich vorher noch Zeit für das Tagebuch. Passte - es ist jetzt fertig (10:25 des Folgetages).

Ein Jack (Daniel) am Vormittag, ein Johnny (Cash) am Nachmittag und ein Jack („Cerveza“) am Abend - das war ein super Tag mit tollen Eindrücken.

Tagesetappe: 119 Kilometer
Übernachtung: Club Hotel Nashville Inn & Suites, 2435 Atrium Way, Nashville, TN 37214

Erster winzig kleiner Bär auf dem Mond!

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Tiny Little Bear im Saturn-V-Museum, NATO US Space & Rocket Center, Huntsville, Alabama

Meine Hacke - hat das gewittert heute Nacht. Gott sei Dank bin ich schnell wach geworden und habe den Fensterspalt schließen können. Es goß in Strömen und das waagerecht ins Zimmer hinein. Gut, dass Gabi vorsorglich Handtücher ausgelegt hatte. Bei einem Donnerschlag erzitterte das Hotel bis in den 4. Stock hinauf, dass die Wände wackelten.

Bei Aufwachen heute morgen gingen die Gedanken noch einmal zum gestrigen Tag zurück. Elvis war in so jungen Jahren so wahnsinnig erfolgreich. Und zunächst hat er den Ruhm sicher sehr genossen. Zu viele Beispiele von Lebensfreude mit Freunden in Graceland bei Sport, Musik und ausgelassenem Leben zeugen davon. Am Ende (so wie ich ihn gestern aus meiner in den 70ern „jugendlichen Sicht“ beschrieben habe) war er abhängig von seinem Management, falschen „Freunden“ Tabletten, Ruhm und hatte dabei weder seine Finanzen noch sein Leben mehr selbst in der Hand. Da ist er in guter Gesellschaft mit auch heute noch lebenden „Stars“, denen es auf die ein oder andere Weise ähnlich geht. Bei allem Ruhm und Geld -wie sagte Gabi gestern? „Er war ene ärme Jong!“

Gabi hatte heute zum ersten Mal beim Frühstück den geliebten Pancake-Automaten am Start. Da kann ja nix mehr schief gehen. Nun ja, es regnet immer noch und die Aussichten sind nicht besonders für heute. Rückblickend haben wir aber durchaus noch Glück gehabt, gegen Mittag hörte der Regen auf und jetzt sitze ich auf einer Bank vor dem einsamsten Motel Alabamas in der untergehenden Sonne und schreibe Tagebuch, neben mir die beste Ehefrau von allen mit der gleichen Tätigkeit (nur analog).

Nur eine gute Stunde dauert die Fahrt nach Huntsville, wo wir den heutigen Tag verbringen wollen. Huntsville wurde bereits 1805 als kleine Farmerstadt inmitten weiter Baumwollfelder gegründet. Während des 2. Weltkrieges begann das Militär, hier eine groß angelegte Chemie- und Raketenversuchsanlage einzurichten. Als Ende der 1940er-Jahre der deutsche Raketenforscher Wernher von Braun (1912-1977) und sein 130-köpfiges Team (!!) aus Deutschland abgeworben werden konnten, begann der ganz große Boom. Von Braun brachte alle Pläne der V-2-Rakete aus Deutschland mit und sorgte dafür, dass die kleine Stadt im Norden von Alabama zur geistigen Hochburg der amerikanischen Raketenentwicklung aufstieg. Als das Militär dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen war, wurde hier die NASA (National Aeronautics and Space Administration), eine zivile Behörde, gegründet. Hier wurde auch der Flug zum Mond vorbereitet und später die Entwicklung des Space-Shuttle-Programms und die Errichtung der bemannten Raumstationen („Spacelab“) vorangetrieben.

Wir haben 2016 bereits Cape Canaveral in Florida besucht, das ähnliches zu bieten hat wie das US Space and Rocket Center hier in Huntsville. Natürlich neige ich dazu, die beiden Tage miteinander zu vergleichen, was aber etwas unfair ist. Die Unterschiede: damals in Florida schien die Sonne bei blauem Himmel. Ich hatte „Cape Canaveral“ schon in meiner Kindheit mit der Mondlandung verbunden und war damals entsprechend fassungslos, das alles - inklusive der Startrampen am Meer - persönlich zu sehen. Heute war das daher teilweise eine „Wiederholung“, weil es schon Dopplungen gibt. Und die Anlage in Florida ist stärker strukturiert und mehr auf Erwachsene ausgelegt. Positiv für Huntsville ausgedrückt: hier wird alles getan, um die nachfolgenden Generationen ans Thema Astronomie, Weltraumfahrt etc. heranzuführen. Dem entsprechend gibt es hier viel mehr „zum Anfassen“, spezielle Räume für Kids und Jugendliche, ja sogar das „Space Camp“. Dazu komme ich noch. Außerdem kam Cape C. für mich mehr „aus dem Ei gepellt“ daher.

Bereits vom Highway aus begrüßen uns alle möglichen Raketen, die seit 1950 ins Weltall geschossen wurden, darunter eine Saturn-Rakete, die als Trägerrakete für die Mondfahrten diente. Diese riesige, senkrechte Saturn V Rakete ist Mittelpunkt des sog. „Space-Parks“, der auch militärische Raketen, Militärhubschrauber etc. enthält. Vor dem Eingang steht eine „A-12 Blackbird“. Der ultraflache Kampfflieger erreichte während seiner Einsatzzeit eine Geschwindigkeit von nahezu „Mach 3“ (3.000 km/h!) und blieb dabei für das gegnerische Radar so gut wie unsichtbar. Schon älter, sieht aber dennoch rein optisch schon „pfeilschnell“ aus.

Wir kaufen die Tickets, die wieder mal durch mannigfaltige Module ergänzt werden können. Was wir auf jeden Fall machen wollen: uns im „Spacedome-IMAX-Theater“ beeindrucken zu lassen, damit sind wir damals in Cape Canaveral, aber z.B. auch im Museum of Nature and Science in Denver, Colorado gut gefahren (da gab es auch einen tollen Weltraumfilm). Wir buchen entsprechend.

Nun ist das „IMAX“ hier gar kein klassisches IMAX. Natürlich bietet die 21 Meter hohe, kuppelförmige Leinwand ein faszinierendes, dreidimensionales Bild in 8K. Sie nennen das hier aber „Intuitive Planetarium“ und gestalten die Shows interaktiv. Will heißen: es wird kein Film im klassischen Sinne gezeigt. Unten steht ein Guide, die/der live moderiert. Eine zweite Person unterstützt technisch. So werden Bildsequenzen und Videos projiziert und erläutert, gleichzeitig aber auch mit dem Publikum interaktiv „besprochen“ (Frage- und Antwortspiele etc.). Vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig und natürlich auch auf die vielen Kids abgestellt - aber durchaus gut gemacht.

Erste Show für uns um 11:00 Uhr: „Our Place in Space“. Wir entdecken das Universum mit unserem weiblichen Guide und navigieren zu den wesentlichen Planeten und Monden unseres Sonnensystems, zoomen durch die Milchstraße und benachbarte Galaxien und Universen und bekommen so einen Eindruck von unserem „Platz im Raum“. Der ist erwartungsgemäß bescheiden klein (Achtung: Untertreibung des Jahrtausends!).

„Sonne - Merkur - Venus - Erde - Mars - Jupiter - Saturn - Uranus - (Pluto)“, das geht Gabi ganz locker von den Lippen. Auch die Kids im Saal rufen immer den richtigen Namen, wenn dreidimensional über uns einer dieser Giganten in den Raum schwebt. Die Darbietung ist atemberaubend schön. Dieser „schwebende“ Eindruck, Planeten zum Anfassen (aber auch die Monde, die Saturnringe etc.) kommen nicht zu kurz. Dazu diese hohe Auflösung, mit knackescharfen Bildern. Du „fliegst“ quasi in einen Canyon des Mondes oder des Mars hinein, landest und schaust dich um. Mittendrin!! Der Höhepunkt: das weitere Herauszoomen aus unserm Sonnensystem, unserer Galaxie bis hin zu einer Art buntem Schmetterling, die das (bekannte) Große und Ganze abbildet. Fantastische Aufnahmen - unserer Galaxie ist dort nicht mehr sichtbar.

Aber sie wird zu riechen sein, unsere Galaxie, zumindest heute (wenn sich da jemand aufhalten sollte, der/die/das eine Nase hat). Schon beim Betreten des Raumes waren Gabi und ich die „Aliens“ - denn wir waren die einzigen, die keinen Doppelzentner Popcorn, kein Fass Cola und keine sonstigen Schmatzriegel (im Combi-Pack erhältlich) mit uns schleppten. Der durchaus von den Abmessungen her (die Kuppel ist wie gesagt 21 Meter hoch) luftige Raum roch nach 5 Minuten komplett nach Popcorn und das so intensiv, dass auch unsere galaktischen Nachbarn ihren Spaß daran gehabt - oder wie wir weggerochen hätten.

Wie gesagt: super Show, 45 Minuten beste Unterhaltung, atemberaubende Aufnahmen der besten Teleskope und eine lehrreiche Zeit. Wir gehen raus und stellen uns gleich wieder an. Um 12:00 Uhr beginnt die nächste Show und angesichts des Regens (wir wollten die Zeit einfach gerne uns sinnvoll „innen“ nutzen) hatten wir gleich einen Doppelpack an Shows (mit Discout) gebucht.

Wir stehen als an und es soll gleich der Einlass sein. Wir unterhalten uns mit einer Mutter, die mit ihrem 9-jährigen und Ehemann vom Mississippi hier rüber gekommen ist. Denn: es ist „Springbreak!“ Aha, deshalb die vielen Familien und Kids an einem Wochentag. „Osterferien“. Plötzlich öffnen sich die Außentüren und wir werden freundlich gebeten, alle raus zu gehen. Komplette Evakuierung der Gebäude. Alle Museumsbesucher und -besucherinnen finden sich draußen ein. Staff und Publikum sind sehr entspannt. Feueralarm? Eine Übung? Nobody knows. Alle bleiben extrem relaxed und nach 20 Minuten dürfen wir wieder rein.

Mit kleiner Verspätung beginnt unsere zweite Show: „James Webb Space Telescope“. Das leistungsstärkste Teleskop aller Zeiten führt uns zur Evolution der Galaxis, dem Lebenszyklus der Sterne und fernen Systemen in unendlichen Weiten. Klingt schon schwer verdaubar, oder? Ich bin ehrlich: für mich ist es unbegreiflich, hier in den USA meilenweit mit dem Auto zu fahren und dabei bis zum Horizont nur Himmel zu sehen. Bis zum Mond zu fliegen kann ich mir noch räumlich und von den Distanzen her vorstellen. Aber dann ist auch bald Ende Gelände.

Unser Guide stellt uns „Hubble“ vor, das Telesokop, welches uns seit Jahrzehnten sichtbare Bilder ferner Galaxien liefert. „James Webb“ kann aber noch viel mehr und zeichnet Infrarote Signale auf, die dann umgerechnet und zum Teil mit den Hubble-Aufnahmen verschnitten werden. Ok, wenn der das so sagt, wird es stimmen - sieht ja auch spektakulär aus. Wenn ich dann aber diese Wolkengebilde von Sternen, Galaxien, Universen, schwarzen Löchern und Sonnen(Systemen) sehe und mir auch noch vorstellen muss, dass sich das Universum ausdehnt, während die Signale gesendet werden und sich dann auch noch Raum und Zeit gegeneinander verschieben …. steige ich gedanklich aus. Sorry: „information overload, systems on heat, hands up, closed eyes, can’t believe and imagine it - white flag!!!“ Da stelle ich doch lieber mein Navi auf „Lynchburg“, schalte den Gang in „D“ und rolle den Highway entlang, Jack Daniel’s entgegen. Das ist eher meine Welt, so bunt und 3-D die Aufnahmen auch sind - ich komme da einfach nicht mit. Der Hammer: am Ende teilt man uns mit, dass es zur Entschädigung für die kurze Unannehmlichkeit bezüglich des Feueralarms gegen Vorlage des Tickets für jeden eine Tüte Popcorn extra gibt! Nö, oder?

Bevor wir weiter fahren sehen wir uns jetzt aber erst mal die Ausstellungen an.

Im „Space Museum“ wird die Geschichte der amerikanischen Raumfahrt erläutert. Bilder von anderen Planeten, der Flug zum Mond, verschiedene Raumfahrzeuge, Militärraketen und eine „Hands-on“-Ecke bilden die Höhepunkte. Beeindruckend sind natürlich die originalen Raumfahrtanzüge, -geräte und -teile. Nebenan sind Trainingseinrichtungen verschiedener Spacelabs etc. zu besichtigen.

Simulationsanlagen im Park ermöglichen, das Gefühl der Schwerelosigkeit am eigenen Körper zu erleben. Das kommt besonders den Kids zu Gute, die sich hier in 4 Achsen herumwirbeln lassen, in Flugsimulatoren o.ä. ihre Grenzen austesten. Und im „Space Camp“ machen die Kids hier Weltraumferien mit allem drum und dran. Den ganzen Tag Weltraumtraining, Entdeckungen, Grenzerfahrungen, aber auch sichtlich viel Spaß und Teamarbeit. Inkl. Übernachtung, Mahlzeiten etc. manche ältere Kids laufen hier in diesen NASA-Astronautenanzügen rum inkl. wichtiger Aufnäher. Sie gehen von Simulator zu Simulator, erklären sich die verschiedenen Dinge im Museum etc. und sehen extrem bedeutend aus. Gab es zu meiner Kindheit nicht - ich musste auf der Straße spielen.

Das Saturn-V-Museum ist für mich der Mittelpunkt all dessen. Diese Rakete mit ihren 3 Stufen, die dann noch einmal gesondert ausgestellt werden (sie stammen von der Apollo 13), die riesigen Triebwerke, dazu immer eine sonore Stimme aus dem Off des Kontrollraums, die allem so eine ernsthafte Atmosphäre verleiht - ich mag das. Immer noch faszinierend ist die Geschichte der ersten Mondlandung. Hier erfährt man alles darüber. Über allem schwebt eine Saturn-5-Rakete, zerlegt in ihre Einzelteile. Wenn die senkrecht schon groß aussieht: über dir hängend ist es ein Gigant. 3 Stufen hat sie und der Aufbau gleicht dem in Florida. Hier kann ich den Mond nicht wie dort anfassen (ein tolles Erlebnis damals), dafür ist hier ausgestellte Brocken größer und: er wird von einem winzig kleinen Bären erobert. Tiny ist damit der erste Bär auf dem Mond („Ein kleiner Schritt für einen winzig kleinen Bären - ein großer Schritt für die Bärheit“). Er assistiert mir aber auch perfekt, als ich versuche, die Kommandokapsel in der Mondumlaufbahn zu halten (Team „Captain Jack“ und „Commander TLB“).

Im Shuttle-Park war - dem Namen entsprechend - ein Spaceshuttle inklusive Trägerraketen ausgestellt. Die Außenhülle des Shuttle ist aber verwittert und alles wird aktuell instand gesetzt. Dafür ist noch ein Flieger zu sehen, dessen Cockpit dem Shuttle angeglichen wurde und der den Shuttle-Piloten für Testflüge zur Verfügung stand.

Das war wieder toll - ein kurzer Streifzug durch den Giftshop und wir rollen gen Tennessee. Inzwischen wechseln wir die Staatengrenzen wir die Unterwäsche (naja, fast). 4 Meilen vor Lynchburg sehen wir die ersten großen Warehouses von Jack Daniel’s. Hier lagert ein Teil des Whiskeys und die Bäume ringsrum sind schwarz wie die Nacht. Das kommt von „Angle’s share“, dem verdunstenden Whiskey - genau wie in Schottland.

Auf die allerletzte Minuten (16:29 Uhr) sichern wir uns im Visitor Center der Jack Daniel’s Distillery Tourtickets für die erste Führung morgen früh, 09:30 Uhr. Supi! Wir buchen uns mit „Tasting“ ein. Auf meinen Hinweis, dass ich fahren muss höre ich, dass die Mengen so dosiert werden, dass die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt wird. Klingt sehr pragmatisch.

Nun checken wir im „Country Inn“ am Rande des Örtchens ein - Rollbüsche, viel Gegend, einfach (aber ok). Dort erfahren wir um 16:45 Uhr, dass wir besser gleich in den Ort fahren. Es sei „ein kleiner Ort und die Geschäfte und Restaurants schließen um 5, spätestens um 6. Allen ernstes: die klappen hier im 18:00 Uhr die Bürgersteige hoch.

Der „Ort“ besteht aus einer Art Kirche oder Townhall (es ist das „Moore County Courthouse) mit im Karree drum herum befindlichen Shops und „Restaurants“ (letztere: alle geschlossen um 17:00 Uhr). Wenn sich alle, die mit Jack Daniel’s Produkten werben und diese verkaufen in Luft auflösen müssten wäre der Platz leer. Dabei gibt es im Ort der größten Whiskey-Distillery der USA keinen Schnaps zu kaufen - hier ist nämlich „Dry County“.

Genau so einen könnte ich aber jetzt gebrauchen. Wir haben nämlich in der einzigen Seitengasse eine Mini-Bude gefunden, die „Barrelhouse BBQ“ heißt und bis 18:00 Uhr geöffnet ist. Sehr speziell, aber töfte eingerichtet. Hier sind wir richtig und es gibt sogar Bier vom Fass. Absolute Neuerung für mich: sie befüllen die Gläser „bottom up“ - d.h. von unten! Das Glas hat unten ein Loch und einen Edelstahlring. Darauf liegt eine Art „Deckel“ mit dem Logo des Ladens. Das Glas kommt auf einen kleinen Zapfen, Knopfdruck, es füllt sich von unten. Per Magnetverschluss liegt der „Deckel“ - eine einfache, kleine Scheibe, auf dem Loch und das Bier kann unten nicht mehr raus. Genial!

Das Bier ist so gut wie das Essen. Wir bestellen „Combo BBQ“ und können wählen. Wir nehmen smoked pulled Pork und Ribs, dazu beans und Salat (Gabi) bzw. beans und fries (ich). A lot of food!!! Das ist quasi ein doppelter Dönerteller mit zusätzlich Ribs dazu. Nicht zu schaffen. Klasse Soßen haben sie in drei Schärfen: „mild“, „habanero“ und „scorpion“ (ghost peppers). Letztere geht nur tropfenweise - die beißt. Saulecker (im wahrsten Sinne des Wortes). Am Ende gehen wir noch kurz „hinten rum“, da ist das Smokehouse. Ich gucke rein und da kommt der Sohn des Hauses und lupft den Deckel für mich. Von abends bis zum nächsten Tag räuchert das Fleisch hier langsam bei niedriger Temperatur. Sehr gut. Jetzt muss ich an die Fotos - verkehrte Reihenfolge heute.

Morgen steht zuerst „Jack Daniel’s“ und dann Nashville auf dem Programm: Country-Music, wir kommen (im Country Inn sind wir ja schon drin).

Tagesetappe: 183 Kilometer
Übernachtung: Lynchburg Country Inn, 423 Majors Boulevard, Lynchburg, TN 37352

Ein Tag mit dem King ...

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Jürgen in Graceland, Elvis the Entertainer Career Museum, Memphis, Tennessee

… und dieses Mal ist nicht der gute, alte B.B. King gemeint. Weg vom Blues, weiter hin zum Rock ‚n‘ Roll, der sich ja aus dem Blues entwickelt hat. Heute gehört der Tag ganz einer Legende, die jeder kennt: Elvis Aaron Presley. Wir haben heute wieder sehr interessante Dinge gesehen und erfahren und sind dem „King of Rock ‚n‘ Roll“ so nahe gekommen, wie das nur möglich sein kann. Ehrlich: ich fand insbesondere seine Balladen immer schon sehr schön, hatte aber ansonsten keinen besonderen Zugang zu diesem Musiker. Ja - vielleicht habe ich ihn auch etwas belächelt, weil ich ihn aus meiner frühen Jugend nur als fetten, alten Mann kannte, der in merkwürdigen Roben vor sich hin schwitzte. Sein wahres Potenzial und den Menschen, der hinter dem Supersuperstar mit all seinen Problemen steckte habe ich sicher unterschätzt. Heute war ein guter Tag für unsere Beziehung. Die audiovisuelle Aufarbeitung in Graceland ist sehr gut gelungen und bringt mir Elvis auch menschlich näher. Doch fangen wir vorne an:

Nach dem wie immer deftigen Frühstück sind wir schnell startklar. Die Fahrtzeit bis Graceland beträgt nur 11 Minuten - ich habe aber noch keine Tickets. Schon zu Hause hatten wir uns damit beschäftigt, welche Zusammenstellung für uns die richtige ist, denn es gibt diverse Kategorien, die einem „normalen Zugang“ gewähren oder gegen gesalzenes Aufgeld gestaffelt Zusatz-VIP-Optionen einräumen mit „skip the line“-Garantie und weiteren Sehenswürdigkeiten. Letzte Tage (oh Mann, das war tatsächlich erst gestern im Sun Studio) habe ich mich mit einem älteren Herrn unterhalten, der mich in meiner Auffassung bestärkt hatte: ich benötige die „Elvis Experience Tour“, also die "einfache Ausgabe" - dennoch recht kostspielig. Wir sollen 3,5 bis 4 Stunden einplanen und sind tatsächlich fast 4 Stunden dort. Wer richtig tief eintauchen und alles - soweit das überhaupt möglich ist - sehen möchte, kann hier auch mehrere Tage verbringen.

Also buche ich jetzt noch vor der Abfahrt schnell online zwei Tickets - die erste „Tour“, für die ich Karten bekommen kann, ist aber die um 11:15 Uhr. Na gut, das System ist hoffentlich so, dass wir schon vorher alles andere anschauen können, um nicht so viel Zeit mit Warten verbringen zu müssen. Um 09:30 Uhr sind wir dort - es ist glücklicherweise so, wie ich hoffte.

Eins vorweg: das hier ist 150% Hollywood und Disneyworld. Keine Fahrgeschäfte, aber bis ins kleinste amerikanisch durchorganisiert, gut geplant und umgesetzt, großzügig gebaut und fantastisch aufbereitet. Gleichzeitig wird aber auch keine Chance ungenutzt gelassen, die „Marke“ Elvis zu verkaufen - in den jeder, aber auch jeder Abteilung angegliederten Gift-Shops kannst du alles kaufen, worauf sich der name „Elvis“ oder sein Konterfei drucken lässt. Tücher, Tassen, T-Shirts, Jacken, Jumpsuits (der „echte“ späte Elvis Look mit Strass für mehrere Tausend Dollar), Bücher - ja sogar Topflappen und Hundeleinen. Zwei Restaurants (benannt nach Vater und Oma), eine Kaffeebar, ein Eis- und Candyshop sorgen dafür, dass Geld auch in Kalorien umgesetzt werden kann. Wir widerstehen komplett.

Schon auf dem Parkplatz (zusätzliche 10 Dollar) begrüßen uns bunte Plakatwände. Da gerade die ersten Touren laufen, wir aber noch so früh sind, sind wir tatsächlich alleine (!) auf der Straße, die die verschiednen Gebäude und Abteilungen verbindet. Also starten wir dort, wo wir unser größtes Interesse vermuten: Im „Elvis the Entertainer Career Museum“. Und oh Wunder: auch dort sind wir ca. 45 Minuten ganz (!!) alleine. Das macht alles einfacher, lockerer und entspannter, vor allem das Fotografieren. Blitz ist verboten wie überall, Video- und Tonaufnahmen sind es auch. Kein Problem.

Gleich am Anfang sehe ich ein Klassenfoto mit einem schönen Zitat, direkt daneben begegnen uns die „Sun Studios“ von gestern wieder - die Geschichte von „That’s allright“ usw. Das Foto des Studios zeigt, was wir gestern „in echt“ sahen. Perfekter Anknüpfungspunkt. Neben vielen Beschreibungen finden sich hier auch diverse goldene Schallplatten und (wie ich finde) super Fotos vom King.

Eine ziemlich große Abteilung befasst sich mit seinen unzähligen Filmen, die er gedreht hat. Sein eigentlicher Plan war es, Schauspieler zu werden - er bekam aber keine ernsthafte Chance, sondern nur „Klamauk-“ und „Schmonzettenfilme“. Die jungen Mädels wollten ihn halt auch lieber auf der Bühne anschmachten. Überall laufen auch Konzert- und Spielfilmausschnitte sowie gut gemachte Videoinstallationen. Dazu gesellen sich Bühnenoutfits - zunächst die älteren, rockigen - später die zahlreichen „Jumpsuits“ mit diesen irren, breiten Gürteln, Schmuck etc.

Wände voll goldner Platten, Grammys und zahllosen Auszeichnungen können mit dem Auge gar nicht richtig erfasst werden - mit der Kamera schon mal gar nicht. An einer Wand allein hängen 24 goldene Singles aus der Zeit von 1956 bis 1959.

Toller Auftakt, wir steuern die nächsten Hallen an. Hier im Elvis Presley Motors Automobile Museum geht es um fahrbare Untersätze aller Art: Ralleysportwagen, Go-Karts (Elvis liebte es, mit Freunden in Graceland Kart zu fahren), Golfkarts (die die ganze Familie als Fortbewegungsmittel auf dem Gelände nutzte), Motorräder, ein John Deer Trecker (die Presleys hatten und haben Pferde und für das riesige Grundstück wurde auch schweres Gerät benötigt) und natürlich zahlreiche Luxuskarossen aller Hersteller. Der Pink-Caddillac von 1955 ist hier natürlich der Knüller, den sich auch Tiny Little Bear nicht entgehen lässt. Wahnsinn!

Es ist jetzt 11:00 Uhr und damit Zeit, sich zur Tour zu begeben, die um 11:15 Uhr beginnt. Zuerst gibt es den obligatorischen Einführungsfilm, in dem uns die Fakten nur so um die Ohren wirbeln und mir klar wird, was alles auf den jungen Mann eingeprasselt ist, womit er klarkommen musste und was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass er nur 42 Jahre alt wurde und am Ende als Wrack da stand (diese Thema wird hier übrigens komplett ausgeklammert!).

Elvis gab am Ende (vom Sommer 1969 bis zu seinem Tod im August 1977) mehr als 1.100 Konzerte, davon allein 635 Shows im International Hotel in Las Vegas. In 28 Tagen hat er mal 57 Konzerte gespielt. Wie will man das ohne Drogen machen? Und wie schafft man es, dass die Stimme das mitmacht? Er war sicher sehr fremdbestimmt - dazu gibt auch der Film „Elvis“ von 2022 einige Hintergründe preis. Insgesamt hat er mehr als eine Milliarde Tonträger weltweit verkauft.

Elvis Aaron Presley wurde 1935 in East Tupelo, Mississippi, als Sohn des Landarbeiters Vernon Elvis Presley und der Textilarbeiterin Gladys Love Smith geboren. Sein Zwillingsbruder Jesse Garon kam kurz vor ihm tot zur Welt. Sie lebten in einem sog. Shotgun-House. Das hat seinen Namen daher, weil es so klein ist, dass „wenn man mit der Schrotflinte auf die Haustür schießt die Kugeln hinten heraus kommen, ohne das innen etwas kaputt geht“. Kein Strom, kein fließendes Wasser, keine Sanitäranlagen. Elvis singt früh Gospel in der Kirche, bekommt mit 11 seine erste Gitarre und zieht mit seinen Eltern mit 13 Jahren nach Memphis, weil sich die Familie dort ein besseres Leben erhofft.

Per Shuttlebus und ausgestattet mit iPad und Erklärfilmen fahren wir nun per „Tour“ die wenigen hundert Meter zur Graceland Manison, dem ehemaligen Wohnhaus von Elvis und seiner Familie. Ich muss mich jetzt kürzer fassen …

Das Gebäude wurde 1939 erbaut und nach einer Tante des ersten Besitzers benannt. 1957 erwarb Elvis das Haus und begann bald damit, es aufwändig umzugestalten. Jedes Zimmer hat seinen eigenen, ganz besonderen Charakter. Besichtigen kann man nur das Erdgeschoss und den Keller;, das 1. OG wird noch privat genutzt von der Familie.

Wir starten im Erdgeschoss. Das Wohnzimmer hat ein 4 Meter langes Sofa und einen weißen Flügel, dazu aufwändige Glasarbeiten in Form von Pfauen. Das Esszimmer gegenüber ist ganz in blau gehalten. Die Küche sieht einigermaßen normal aus - hier wurde 24/7 gekocht, weil immer ein Haufen Leute im Haus waren.

Im Keller hatte Elvis sein gelbes Fernsehzimmer mit drei Bildschirmen nebeneinander. Die Decke ist verspiegelt, was einen ganz schwindelig werden lässt. Auch Plattensammlung, Stereoanlage und so etwas wie ein Beamer sind hier - Medienraum würde man heute sagen.

Der Billardraum ist ausgekleidet mit fast 700 Meter Stoffbahnen mit bunten Mustern. Das sieht sehr ungewöhnlich, aber auch richtig gut aus. Der Dschungelraum hat Möbel aus tropischem Holz; Wände und Decke sind mit dickem, tiefgrünem Teppich ausgekleidet. Hier hat Elvis auch abgehangen, Musik gemacht und Stücke aufgenommen.

Durch den Garten geht es dann zu Vernon’s Office, dem Arbeitszimmer von Elvis’ Vater und wieder weiter, an den Stallungen vorbei zum „Trophy Building“. Hier bekommen wir einen Einblick in das Privatleben des „King“ - wichtige Stationen und Ereignisse werden dokumentiert, z.B. die Heirat mit Priscilla und die Geburt von Lisa-Marie). Hochzeitsoutfilts, Spielzeug von Lisa-Marie sowie diverse Alltagsgegenstände, Gemälde und Möbelstücke sind zu sehen.

Das Raquetball Building, das vor einigen Jahren wieder so hergerichtet wurde, wie es 1977 aussah, besteht aus zwei Teilen: der Lobby mit einem Klavier und Flipperautomaten sowie dem eigentlichen Raquetball-Spielfeld (das ist eine Mischung aus Tennis und Squash, aber mit kurzem Schläger).

Zum Schluss geht es vorbei am Swimmingpool noch durch den „Meditationsgarten“, in dem Elvis zusammen mit Vater, Mutter und Großmutter begraben ist. Puh - eindrucksvolle Tour!

Wir schauen uns anschließend noch eine Halle an, in der aktuelle Künstlerinnen und Künstler ausgestellt sind, die etwas zum King zu sagen haben, Instrumente zur Verfügung stellen, die sie mit Elvis verbindet - auch hier: schöne Fotos, bekannte Gesichter, auch aus der Country-Szene. Ebenso widmet sich eine weitere Halle seiner Militärzeit (Uniformen, persönliche Gegenstände etc.) und noch eine weitere allem möglichen Privatzeugs, das zum Teil noch in Kisten verpackt ist. Akso ehrlich: wenn es noch irgendwo ein Wattestäbchen mit Ohrenschmalz vom King gibt - hier wirst du es finden! Ironie off …

Ein weiterer Komplex widmet sich der Tochter Lisa-Marie und was es heißt, Tochter vom King gewesen zu sein. Sie starb überraschend im Januar 2023 im Alter von nur 54 Jahren; ihr Grab haben wir ebenfalls eben „am Pool“ im Meditationsgarten gesehen. Nebenan noch eine Aussstellung zum „making of“ des aktuellen Elvis-Films. Hier ist auch das Sun Studio nachgebaut …

Gleich neben dem Ausstellungskomplex sind die beiden Privatflugzeuge von Elvis zu bewundern (Graceland Air). Der Düsenjet „Lisa Marie“ (benannt nach seiner Tochter) von 1958 ist luxuriös eingerichtet mit vergoldeten Waschbecken, Queen-Size-Bett und einer Telefonanlage, mit der Elvis schon Mitte der 1970er-Jahre in aller Welt herumtelefonieren konnte.

4 Stunden geballte Informationen, wir sind platt. Also endlich rein ins Auto und die 1:40 bis Tupelo fahren. Dort gucken wir uns noch „Elvis Presley Birthplace“ an. Da ist sie, die kleine Hütte, von der ich eben schon berichtet habe. Eine Statue vom 13-jährigen Elvis ist ebenso zu sehen wie die alte Kirche, eine „Elvis Memorial Chapel“ und ein schöner Garten.

Weitere 60 Minuten später sind wir im Hotel. Ich beschaffe uns eine Pizza bei Dominos, lecker! Kaum wieder hier geht da draussen ein Wetter ab - weia! Es blitzt und schüttet vom Feinsten. Grandioses Spektakel. Jetzt ist es wieder ruhig. Und jetzt mache ich auch einfach mal den Sack zu; habe am Ende etwas gestrafft, aber das Wichtigste bin ich losgeworden.

Nur eins noch: unser WC hier hat „Explosionsspülung“. Unfassbar, wir kriegen jedes Mal fast einen Herzinfarkt. Wenn du reinsteigst und abspülst, landest du sicher im Zaubereiministerium (Harry Potter Fans wissen, was ich meine).

Morgen kurzes Musikbreak - wir erobern den Weltraum, ik freu mir und hab fun!!

Tagesetappe: 302 Kilometer
Übernachtung: Microtel Inn & Suites by Wyndham Tuscumbia/Muscle Shoals, 1852 Highway 72 East, Tuscumbia, AL 35674

Rock ‚n‘ Roll

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Jürgen am Sun Studio, Memphis, Tennessee

Ein gesamter Tag in Memphis, Tennessee, der Stadt von Blues, Soul, Rock, dem Mississippi und natürlich „King Elvis“.

Memphis wurde nach der gleichnamigen Stadt am Nil benannt (Bedeutung: „guter Wohnsitz“) und war einst eine bedeutsame Hafenstadt mit zeitweise an die 300 Schaufelraddampfern dicht an dicht an den Sandbänken des Wolf River. Mit verarmten Farmern und arbeitslosen schwarzen Landarbeitern, die auf der Suche nach dem großen Glück zu Tausenden nach Memphis strömten, kam eine neue Musikrichtung in die Stadt: der Blues. Dieser fand später in abgewandelter Form seinen Weg nach New Orleans. In früheren Zeiten noch als „Hillbilly“ abgetan, schaffte William Christopher Hardy schließlich mit dem legendären „Memphis-Blues“ den Durchbruch. Hardy spielte seinen Blues in der Beale Street, der Amüsiermeile der Flussschiffer (sein Haus haben wir übrigens heute Abend ganz zum Schluss noch gefunden). Seither ist die Beale Street als eine der Geburtsstätten des Blues bekannt und seit 1966 auch „National Historic Landmark“ der USA. Gestern hatten wir hier ja schon den B.B. King Blues Club besucht.

Mitte der 1950-er Jahre legte ein großer Sohn der Stadt den Grundstein für eine weitere neue Musikrichtung: Elvis Presley, der „King of Rock ‚n‘ Roll“. Er wurde in Tupelo, Mississippi (da fahren wir morgen hin) geboren, lebte aber bereits seit seinem 13. Lebensjahr in Memphis und wurde hier vom Besitzer der „Sun Studios“ entdeckt. Er lebte bis zu seinem Tod 1977 in seiner Villa Graceland im Süden der Stadt. Auch Graceland wollen wir uns morgen anschauen.

Ich kann es vorwegnehmen: der Tag war wieder mal grandios und gespickt von sehr nachhaltig eindrucksvollen Erlebnissen. Aber er war auch mordsanstrengend; wir haben 14,3 Kilometer auf der Uhr, alle Asphalt.

Nach dem Frühstück sollte gleich das Highlight umgesetzt werden: eine Besichtigung des legendären Sun Studio. Karten kann man nicht online reservieren, es gilt „first come, first serve“. Das Studio öffnet um 10:00, die erste Führung ist um 10:30 Uhr. Also sind wir um 09:30 Uhr dort, um ganz sicher Karten zu bekommen, wir kennen das Prozedere ja nicht. Es ist erst eine Dame da, das sieht gut aus für uns.

Hier im Sun Studio wurden die ersten Plattenaufnahmen von Elvis produziert. Aber auch Johnny Cash, B.B. King, Muddy Waters, Howlin’ Wolf, Ike Turner, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und viele andere haben hier Platten aufgenommen. Das Studio ist bis heute in Betrieb, aufgenommen wird meist nachts, den tagsüber sind ja Führungen. Sam Phillips hatte hier 1952 das unabhängige Label „Sun Records“ gegründet, das trendsetzend war für die Entwicklung des Rhythm and Blues, der Rockabilly- und Rock ‚n‘ Roll-Musik. Wir machen die ersten Aufnahmen draussen, als noch niemand da ist.

Das Gebäude ist nicht groß, die Gruppe mit 40 Personen aber auch nicht klein. Ich habe das wahnsinnige Glück, immer als erster in die Räume zu kommen und so schnell Fotos machen zu können, bevor alles zu voll ist. Josh heißt unser Guide, ein junger Mann, der sehr engagiert und schwungvoll zu Werke geht. Immer wieder spielt er Musikbeispiele ein, er ist per Streaming mit Boxen verbunden, was kurze Reaktionszeiten, einen tollen Sound und eine einzigartige Atmosphäre ermöglicht.

Es ist völlig unmöglich, die Emotionalität und vermittelten Fakten dieses Besuchs hier wieder zu geben. Alles beginnt mit 30 Minuten Warten im Foyer, das schon gespickt ist mit Erinnerungsfotos, Platten und allerlei Krams aus den 50ern. Als es losgeht kommen wir zunächst im 1. OG in eine Art „Studiomuseum“. Hier sind alte Aufnahmegeräte und -techniken ausgestellt, Instrumente, wieder Fotos, Platten etc. Außerdem befindet sich hier das Originale Sendestudio vom „Memphis-Sender WHBQ“. Für mich ist das das allererste DJ-Pult mit zwei Plattenspielern beeindruckender Größe inkl. Sendetechnik. Der Sender soll gleich noch eine Rolle spielen!!

Als hier alles erläutert und gesehen ist, gehen wir alle (ich voran) runter in den heiligen Gral - das eigentlich Studio aus den 50er Jahren , welches heute noch genutzt wird. Und kein Witz (!!!) als wir da reingehen, sind alle mucksmäuschen still, als wenn wir eine Kirche betreten würden. Für manche klingt das jetzt vielleicht total bescheuert. Für mich und uns andere ist es das überhaupt nicht. Ich kenne diesen Raum aus Filmen (Walk the Line, Elvis etc.). Hier ist Elvis entdeckt worden, Johnny Cash hat hier ebenfalls seine ersten Aufnahmen gemacht (Walk the Line, Folsom Prison Blues u.a.), Jerry Lee Lewis hat hier aufgenommen, B.B. King und so viele andere. Und jetzt stehen wir hier, machen Fotos, hören Musik, sehen die Technik, die z.T, noch aus den 50ern stammt.

Echte Schätzchen von Gitarren, Amps, denen man ihr Alter definitiv ansieht, Mikros, die (angeblich) noch diejenigen sind, die Elvis, Johnny & co genutzt haben. Josh erzählt, wie der 18-jährige Elvis hier eine Aufnahme machen wollte. Sam Phillips war sehr angetan von ihm, mochte aber diese ständigen Balladen nicht. Er wollte schon gehen, als Elvis mit seiner Gitarre durch den Raum geht und „It’s allright“ (einen seiner Lieblingssongs) schrummelt. Josh macht es vor - hier ist er langgetigert, immer hin und her. Und durch diese Tür kam Sam zurück und sagte: „Das nehmen wir auf!“. Nur zwei Tage später hat der Radiosender WHBQ (s.o.) diesen Titel gespielt und auf Nachfrage in einer Nacht 14 Mal (!!!) Wiederholt. Der Rest ist Musikgeschichte!

Die Wände sind studiolike mit Akustikplatten verkleidet, denen man ihr Alter ebenfalls ansieht. Überall hängen Fotos - z.B. das von Elvis mit Johnny Cash und Carl Perkins. Elvis sitzt an dem Piano, das genau hier unter dem Bild steht. Das coole Foto vom „Man in Black“ spricht für sich. Am Ende Düren wir mit dem alten (Original?-) Mikro spielen. Wieder draussen ist der Himmel knackeblau und wir machen noch ein paar Bilder. Auf dem Rückweg zu Hotel finden wir schöne und bunte Wandmalereien. Der Besuch muss erstmal einige Wochen sacken - ich habe noch unzählige Fotos. Bei Interesse: bitte melden!

Kurzer Restroomstop im Hotel - außerdem haben wir Durst. Zack, wieder eine Flasche Wasser weg. Und weiter geht es in die Downtown. Dabei kommen wir wieder bei den Memphis Redbirds vorbei. Richtig fettes Baseballstadion mitten in der City. Und gegenüber ist der Superdome der Basketballer (Memphis Grizzlys).

Wir erreichen das nahegelegene „The Peabody Hotel“. Das historische Grandhotel begeistert auch heute noch durch seine Größe und Eleganz, vor allem in der riesigen Lobby. Hauptattraktion sind - neben dem wirklich imposanten Gebäude - die Enten („Peabody Ducks“). Täglich um 11:00 werden sie vom Ententrainer (ich wusste bis vor einigen Wochen nicht, dass es sowas gibt!) in die Lobby geführt - um 17:00 geht es zurück. Als wir ankommen, plantschen die Enten schon. Leute schlürfen ihre Cocktails oder einen Kaffee, im Hintergrund ein Flügel, der sich von selbst spielt - oder von einem Geist bedient wird, den ich nicht sehen kann. Gabi hat ein Video - spooky!

Weiter geht es zum Flussufer und von da eine ganz schöne Strecke am Mississippi entlang bis zum Tennessee Welcome Center. Hie Rist irgendwie niemand im riesigen Gebäude; wir machen Bilder von den überlebensgroßen Bronze-Statuen von B.B. King und Elvis Presley.

Gabi möchte unbedingt noch bis zur Pyramide weiterlaufen, in der sich die gigantischen „Bass Pro Shops“ befinden. Wir haben so einen schon mal (ich glaube in Denver, Colorado) besucht. Hier wird Einkaufen zum Erlebnis. Es gibt massig ausgestopfte Tiere, in Landschaften angeordnet. Aber auch Teiche mit großen Fischen, Aquarien und eine Anlage mit mehreren Alligatoren, die man hier sehr gut beobachten kann, sind vorhanden. Besonders imposant sind die Angel- und Jagdabteilungen. Hier gibt es alles, von der kleinsten Rute bis zur größten Langwaffe, mit der man wahrscheinlich (Gott bewahre!) auch Elefanten erlegen kann. Die Restrooms sind hinter der Shootinganlage, in der auch die Kleinsten schon über Kimme und Korn üben können. Es gibt aber auch alles andere, was das Outdoorherz höher schlagen lässt. Natürlich ist auch ein Hotel in die Pyramide integriert. Amerikanischer Wahnsinn - aber sehr gut gemacht!

Rückweg zur Mainstreet, historische Bahnen, Pferdekutschen im Cinderella-Design, nachts beleuchtet. Es gibt aber auch im Individualverkehr sehenswerte Fahrzeuge - wendig, schnell, und laut!

So kommen wir an der Beale Street an, wo wir gestern schon bei B.B. King hinein geschnuppert haben. Zunächst schauen wir beim A. Schwab’s General Store hinein, einem riesigen Ramschladen auf mehreren Ebenen, der seit 1876 im Besitz der Familie Schwab ist. Hier findet man wirklich alles, von Voodoozubehör bis zu alten Wahlplakaten und das Motto „If you can’t find it at A. Schwab’s, you’re better off without it“ hat bis heute seine Gültigkeit. Sogar zu meinem T-Shirt farblich abgestimmte Perücken haben sie.

Die Beale Street war schon früher die Amüsiermeile der Flussschiffer, die dort Musik & Glücksspiel suchten und fanden. Hinter fast jeder Tür hören wir Blues und Rock ‚n‘ Roll. Die Kunst ist es, die Kneipen oder Biergärten zu finden, wo einem nicht die Ohren wegfliegen.

Mit dem „Silky O'Sullivan's Grillrestaurant“ finden wir genau so einen Biergarten. Kühles Bier, Cider und BBQ-Nachos zum Teilen kommen jetzt genau richtig. 9 Kilometer sind wir schon gelaufen. Für die Musik sorgt ein junger Mann mit Gitarre - good Job!

Qual der Wahl: gerne würden wir noch ins Rock’n’Soul Museum gehen, das angeblich beste Museum zum Thema Musikgeschichte in der Stadt. Thema sind dort die Anfänge der Rockmusik und ihre geschichtliche Bedeutung für Memphis und die ganze Welt. Andererseits können wir Memphis nicht verlassen, ohne das National Civil Rights Museum im ehemaligen Lorraine Motel zu besuchen. Hier fiel der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. vor der Türe des Zimmers Nr. 306 am 04. April 1968 einem Attentat zum Opfer. Heute beherbergt das Haus eine sehr umfassend angelegte und didaktisch gut aufgebaute Ausstellung zur Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die alle wichtigen Ereignisse der 1950er- und 1960er-Jahre beleuchtet. Das ist unser nächstes Ziel.

Auf dem Weg dorthin passieren wir noch den Martin Luther King Jun. Reflection Park. Die Worte aus seiner „I have a dream“-Rede (über die ich übrigens im Abi in Englisch LK schreiben musste) gehen mir auch heute noch unter die Haut. Wir erreichen das ehemalige Lorraine-Motel, das im Grunde so aussieht, wie so manches Motel, in dem wir Urlaub machen - nur das die Ausstattung inzwischen meist deutlich besser geworden ist. Auch das macht etwas mit dir: dort zu stehen und auf die Zimmertür von „306“ zu schauen und zu wissen, hier ist es passiert.

Die Eingangskontrolle ist wie am Flughafen: alles wird angesehen und gecheckt - auch heute noch hat man offensichtlich Sorge vor Anschlägen. Ein wie immer eindrucksvoller Film stimmt uns ein. Dann geht es zu den Ursprüngen der Rassendiskriminierung, der Zeit der Sklavenhaltung bis hin zum Bürgerkrieg. Wir entdecken Dokumente, Fotos und Zeichnungen, die wir bereits aus Savannah und Charleston kennen. Hier hat man auch mal Figuren so hingesetzt, wie die Sklaven auf ihrer Reise von Afrika zur Ostküste zusammengepfercht waren. Da wurde jeder Zentimeter genutzt. Furchtbar.

Der Bus, in dem Rosa Park im Dezember 1955 den Busboykott auslöste, ist ebenfalls ausgestellt - wir können hindurchgehen. Rosa hatte sich der Anweisung des weißen Busfahrers (die wir immer wieder hören, als wir durch den Bus gehen), aufzustehen und einer Weißen Platz zu machen, widersetzt und war dafür inhaftiert worden. In der Folge boykottierten Schwarze die Busfahrten komplett bis Dezember 1956. Für mich bezeichnenden Schrifttafeln habe ich auch mal bei den Fotos platziert. „Sanitation Worker“ sind Müllwerker - bezeichnend, wie sie behandelt wurden, wenn sie eine schwarze Hautfarbe hatten.

Die weiteren Proteste bezogen sich auf Sitzblockaden, die gewaltsam gebrochen wurden und die „I am a man“ Bewegung. Im Ergebnis: Gewalt, Tote (auch Kinder) - bis hin zu Martin Luther King. Plötzlich stehen wir vor eine Glasscheibe, hinter der sich das Zimmer 306 befindet - hier hat Martin Luther King jun. seine letzte Nacht verbracht. Ohne Worte!

Gegenüber dem Museum sitzt Jaqueline Smith, die seit 1987 dagegen protestiert, dass sehr viel Geld für das Museum ausgegeben wurde, das gesamte Hotel jedoch leer steht, obwohl es in Memphis viele Bedürftige und Obdachlose gibt. Das sei nicht im Sinne von Martin Luther King Jr. Gabi unterhält sich mit ihr.

Um die Ecke befindet sich das Blues Hall of Fame Museum - ich mache aber nur ein Foto. Gegenüber finden wir eine eine Wandmalerei, die das „I am a man“-Thema noch einmal aufgreift.

Leider ist es nun zu spät, um auch noch das Rock’n’Soul Museum anzuschauen - hätten wir tatsächlich noch gemacht! Statt dessen nehmen wir nun noch einmal die Beale Street ins Visier. In einer Rooftop-Bar trinkt Gabi einen zweifelhaften Cocktail, der in einem Bein serviert wird. Viel Besser geht es uns anschließend in der Ghost River Brewery. Super Bedienung, leckeres Bier, tolles Essen, gute Preise. Und draussen spielt Live-Musik, die uns aber dort auch zu laut ist, so dass wir lieber innen sitzen.

Zum Abschluss ein kurzes Fazit: Memphis gilt als gefährliche Stadt, ja sogar als „Mordhauptstadt"; die Kriminalitätsrate ist aktuell die höchste der Großstädte in den USA. Unter den unsichersten Städten der Welt liegt Memphis auf Platz 14 noch vor Kapstadt. In New Orleans und auch unterwegs haben uns Einheimische mehrfach geraten, gut aufzupassen. Das machen wir sowie so immer, haben wir aber natürlich ernst genommen.

Ich muss aber sagen, das sich ich mich hier - in den Bereichen, die wir besucht haben - immer sehr gut aufgehoben gefühlt habe. Außerdem ist Downtown inklusive der Beale Street echt angenehm zu Fuß zu entdecken. Die Stadt hat sehr viel zu bieten und die ständige Verbindung zum „Rock ‚n‘ Roll“ macht Lust auf mehr. Wenn möglich, würde ich länger bleiben oder wiederkommen. Also: alles gut.

Der Tag morgen gehört dem „King Rock ‚n‘ Roll“. Erster Programmpunkt: Graceland. Anschließend fahren wir wohl zu seinem Geburtstort - ich werde berichten!

Tagesetappe: 14,3 Kilometer (zu Fuß!)
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

B.B. King & Delta Blues

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Jürgen im B.B. King Museum & Delta Interpretive Center, Indiola, Mississippi

Es ist 22:20 Uhr, die Fotos sind soweit versorgt, es fehlt nur noch das Tagebuch. Welch ein Tag - den werden wir ebenfalls niemals vergessen, in vielen Details. Hier einen vollständigen Bericht abgeben zu wollen wäre völlig vermessen. Daher „nur“ die Fakten und einige Emotionen. Wer mehr Details wissen möchte, spricht uns einfach an - wir berichten dann gerne.

Die Casinobetten waren nur zweite Wahl. Gabis Laken war so zerknittert, dass es schon fast als Kunst durchging; mein Bett war irgendwie „wellig gelegen“ und erinnerte so etwas an den Highway 61, der uns gestern so sanft auf und ab gewogen hat. Über Nacht ist das dann eher lästig mit den ständigen Kuhlen.

Da es hier kein Frühstück gibt sind wir schnell fertig gepackt und rollen vom Parkplatz. Heute liegt mit fast 400 Kilometern der längste Streckenabschnitt vor uns . Und das ist auch noch einer, auf dem es wirklich sehr viel zu entdecken gibt. Nun sind 400 Kilometer ins den Staaten nicht zu vergleichen mit einer gleich langen Strecke auf deutschen Autobahnen. Wenn hier 65 Meilen/Std. Erlaubt sind, dann fährst du die auch - das macht es viel entspannter, muss aber auch erst mal gefahren werden.

Also, wir rollen vom Parkplatz und da geht diese blöde Reifendruckkontrollleuchte an. Wenn man schon so einen Namen hat kann das nichts Gutes bedeuten. Warum soll der hintere rechte Reifen plötzlich 10 psi weniger haben als seine drei Kollegen? Kurz aussteigen und gegen den Reifen treten (das ist der Volltrotteltest, der nichts aussagt, einem aber das Gefühl gibt, einfach mal ein Stück fahren zu können, wenn der Reifen sich noch halbwegs prall anfühlt). Das tut er und auf geht es, immer mit der Frage im Bauch, ob uns hier die Elektronik veräppeln will oder wirklich ein Problem vorliegt. Wir fahren mal eine halbe Stunde und die Differenz bleibt. Die Kollegen haben sich jetzt auf 38 psi aufgewärmt, das Sorgenkind hat aber auch nur zwei zugelegt und steht jetzt bei 28. Also bis Memphis kann ich nicht einfach den Ignoranten spielen - ich fahre zwei Tankstellen an, die aber keinen Reifendruck messen können - Reifen machen wir nicht (du kannst aber 20 Kaffeekreationen kaufen, aus 40 Snacks auswählen oder deinen Wocheneinkauf abwickeln). kenne ich schon von vor ein paar Jahren und es hat sich nicht geändert. Wir benötigen eine Werkstatt.

Den Hinweis, wo wir die am Wegesrand finden, bekomme ich bei der zweiten Tanke. Napa Auto Parts heißt der Laden und ich habe unglaubliches Glück. Gerade ist einer der Mechaniker frei geworden. Die Werkstatt sieht erwartungsgemäß rustikal aus, der junge Mann schnappt sich nach meiner Problembeschreibung aber sein Mini-Messgerät, nickt anerkennend, holt den Wagenheber und bockt unseren Hyundai auf (inkl. Gabi, die noch drinsitzt). Dann schraubt er unseren Reifen ab, bevor ich noch „piep“ sagen kann und verschwindet in seiner Werkstatt. Ich hinterher. Tatsächlich, da steckt ein fulminanter Nagel im Reifen, hat sich aber zwischen dem Profil versteckt - ich hätte den nie gefunden. Ich frage, was zu tun ist und er sagt, er mache mir einen „Patch“ rein. Ich bestätige und er löst Reifen und Felge, klebt einen Flicken von innen rein, montiert den Reifen wieder auf die Felge, aufpusten, ran ans Auto. Fertig. Hat keine halbe Stunde gedauert und ging technisch wie beim Fahrrad, nur mit mehr Kraft, Lärm und Tamtam. 20 Dollar kostet der Spaß nur und ich bin so erleichtert, dass ich ihm noch 10 Dollar Trinkgeld gebe. Supi!

Der Weg führt heute einen weiteren Tag über den Blues-Highway #61. Das Mississippi-Delta ist hier ein Binnendelta, dass sich von Memphis bis New Orleans erstreckt - eine ganz schöne Strecke. Das Delta steht vor allem für das Leid der Sklaven. Ihr Kommunikationsmittel war die Musik. Hier entwickelte sich der Delta-Blues, der zum Vorreiter der späteren Blues-, Jazz- und Rockmusik wurde. Im Verlauf des heutigen Tages habe ich das auch viel besser verstehen können: die schwere Arbeit und das Leid der Sklaven sind der eine Teil des Blues. Wenn die Arbeit aber den ganzen Tag darin besteht, zu pflanzen, zu ernten, zu pflücken und zu schuffeln dann ist der Blues mit seiner 12-taktigen Form zu jeweils 3 Liedzeilen bestens geeignet, Ordnung und Rhythmus in den Tag zu bringen. Singen bei der Arbeit - hat bestimmt geholfen.

Die Straße führt zunächst weiter durch weiche Hügel und von Kudzu-Efeu behangene Waldgebiete, die etwas an eine Märchenlandschaft erinnern. Es ist aber nicht mehr so schön wie bei Port Gibson und Natchez, dafür aber deutlich hügeliger. Später führt die #61 durch das eher eintönige Deltagebiet.

Unser erstes Ziel nach der Werkstattaktion ist Leland am Hwy. #278, direkt nebenan der #61. Jim Henderson, der die Muppets-Familie schuf, verbrachte seine ersten 13 Lebensjahre hier zusammen mit deinem Freund Kermit Scott. Das winzigkleine „Birthplace of Kermit the Frog Museum“ enthält Erinnerungen an Henderson (der viel zu früh mit Anfang 50 starb). Kermit, Miss Piggy, Fozzie Bär sowie die Balkon-Grantler Waldorf und Stattler finden wir hier, aber auch bekannte Freunde aus der Sesamstraße. Die ältere Dame, die hier freudig Auskunft erteilt (und Tiny Little Bear vergöttert) erklärt uns einiges und eben auch, dass Henderson die Sesamstraße mit Ernie, Bert und Kollegen ins Leben gerufen hat. Da werden Erinnerungen an die Kindheit wach.

Mureals zum Thema Blues gibt es überall in diesem kleinen Nest „Leland“. Wir finden welche am „Highway 61 Blues Museum“. Dieses enthält nur drei Räume voll Sammelsurium zum Thema Blues und ist geschlossen. Besichtigung nur nach Anmeldung - hatten wir eh nicht vor.

Nach dem Besuch von Leland fahren wir nicht wieder auf den Hwy#61 auf. Wir fahren noch nach Indianola, wo sich das B.B. King Museum & Delta Interpretive Center befindet. Hier weise ich auf mein Alter hin und bekomme Seniorenrabatt beim Eintritt. Im Museum werden B.B. Kings Leben (1925-2015), seine Musik und sein Werdegang vorgestellt. Hier erfährt man auch, welchen rassistischen Diskriminierungen selbst ein Star wie er auf seinen Tourneen ausgesetzt war. King wurde als Riley B. King im nahen Berclair geboren. Auch über andere Bluesmusiker kann man in dem groß und perfekt angelegten Museum etwas erfahren. B.B. steht übrigens für „Blues Boy“. Er war zu Lebzeiten aus den verschiedensten Gründen stets „homeless“ und hat Indianola immer als seine eigentliche Heimat bezeichnet. Daher hat während seiner vielen Tourneen und Engagements in anderen Städten immer Wert darauf gelegt, Zeit in Indianola zu verbringen. Als sein Leben zu Ende ging hat er dieses Grundstück für das Museum zu seinem Lebenswerk und dem Delta-Blues auserkoren und auch verfügt, dass er er hier beigesetzt wird.

Das Museum hat 18 Millionen Dollar gekostet, die zumeist aus Spenden zusammen kamen. Unfassbar, wie viel Einzelpersonen gespendet haben. Höchstbetrag 2 x 2 Mio. Dollar, aber auch viele fünf- und sechstellige Spender/innen. Daraus haben sich echt was gemacht. Zur Einführung sehen wir einen gut 10-minütigen Film, in dem auch Weggefährten wie Eric Clapton zu Wort kommen. Im eigentlichen Museum finden sich Erläuterungen zur Entstehung des Blues, es sind Alltagsgegenstände der 20er Jahre ausgestellt, die Situation der Schwarzen spielt die entscheidende Rolle, B.B.’s Leben, seine Instrumente, seine Einstellung, seine Autos und ein Tourbus, die Alben die er im Studio oder Live aufgenommen hat - ganz viel Stoff, super aufbereitet - dazu überall Musik (selbst draußen auf der Straße), Filme etc. Warum seine Gitarren alle „Lucille“ heißen? Schöne Gechichte, erzähl eich gern mal - wer es genau wissen möchte: in seinem Song „Lucille“ beschreibt er genau das.

Was mir besonders gefallen hat sind einige seiner Bemerkungen über diese Musik: „The Blues are the three L’s: living, loving and - hopefully - laughing“. „Blues wird nicht aufgeschrieben, Blues wird geboren und gelebt“. „Wenn die Musik gut ist, spielt die Hautfarbe keine Rolle mehr!“ Letzteres kam zustande, als er völlig verwundert in der Zeit der Hippiebewegung in den 60ern plötzlich nicht mehr vor 90% Schwarzen, sondern 95% Weißen jungen Leuten spielte und die ihm Standing Ovations gaben. Dass er überhaupt jemals für Weiße würde spielen können, war in den 50ern noch völlig undenkbar für ihn. Letzter Satz von ihm in der Ausstellung neben dem fantastischen Portrait: „I am trying to get people to see that we are our brother’s keeper. Red, white, black, brown or yellow, rich or pour, we all have the blues.“

Neben seiner Bronzestatue vor seinem Grab zu sitzen und an der Platte zu stehen, umgeben von vielen sinngebenden Sprüchen war schon einer der emotionalsten Momente dieses Tages. Gabi und ich haben ihn gemeinsam mit Georg vor fast 20 Jahren live in Köln gesehen. Seit heute ist das noch wertvoller.

Als wir das Museum verlassen kommen 3 Busse (schwarze) Schulkinder im Grundschulalter an. Es gibt einen Teil des Museums, wo speziell mit Kindern gearbeitet wird. Vielleicht haben wir einen der Stars der Zukunft gesehen? Wir waren jedenfalls fast allein im Museum, was uns natürlich gut getan hat.

Wir nehmen die Nebenstrecke zur „Dockery Farms Foundation“. Dass diese auch über meilenlange dirtroad führt wusste ich nicht. Augen zu und durch - der Reifen hält. Die Dockery Farms Foundation ist eine ehemalige Baumwollplantage von 1895, die viele Musiker (u.a. B.B. King) als „Birthplace of the Blues“ bezeichnen. Hier sind wir ganz allein, es gibt noch nicht mal jemanden, der auf die Anlage aufpasst. Die Retro-Tankstele vorne ist ein schöner Foto-Spot. Hinten ist die Baumwollfabrik mit uralten Maschinen. Gespenstisch, wenn Gabi auf einen Knopf drückt und dann alter Blues aus vielen Lautsprechern klagend über die Anlage hallt. Toller Zwischenstop!

Unterwegs bekomme ich immer wieder Getränke (Cola Zero, Wasser) und Speisen (Sandwich, Orange, Chips, Nussmischung) aus dem Bordrestaurant gereicht, stilecht mit Schlabberlatz.

In Clarksdale, unserem nächsten Stop, viele Meilen weiter sind u.a. Howlin’ Wolf, Johnny Lee Hooker, Big Jack Johnson, Ike Turner, Sam Cooke, Muddy Waters und Rufus Thomas aufgewachsen. Nach einer kleinen Suche finden wir das Delta Blues Museum in einer alten Lagerhalle am Bahnhof. Wir finden Instrumente, Bühnenklamotten, Plakate, Aufnahmeequipment etc. der bekanntesten Musiker und eine besondere Abteilung zu Muddy Waters. Außerdem sind die Merkmale der einzelnen Musikrichtungen (u.a. Blues, Country, Jazz etc.) gut erläutert. Ich habe 4 Gitarren und den Fender Twin Reverb von John Lee Hooker gesehen - auch toll. Fotografieren darf man hier aber nicht - deshalb gibt es keine Bilder davon.

Außen machen wir Fotos, hier könnte mal jemand sauber machen. Ganz schön herunter gerockt, dieses Clarksdale. Aber schöne Wandmalereien (Mureals) haben sie hier neben dem „Ground Zero Blues Club“.

The Crossroads“, wo der „King of Delta-Blues“ Robert Johnson dem Teufel für sein Ausnahmetalent seine Seele verkauft haben soll finden wir nach der Beschreibung im Museum an der Kreuzung der Highways #61 und #49. Hier stehen als Denkmal drei Gitarren montiert. Wir quatschen kurz mit einem Amerikaner, der hier gerade ein Time-Laps dreht. Er empfiehlt uns für heute Abend in Memphis „The Rendevouz Restaurant“ mit angeblich besonders guten Ribs.

12 Meilen nördlich von Tunica sehen wir das „Gateway to the Blues Visitor Center“ an der #61 liegen, aber an der anderen Seite der Straße. Das Visitor Center ist geschlossen um diese Uhrzeit und hier gibt es für uns auch nichts mehr zu sehen heute.

Manchmal macht so ein Navi ja komische Sachen. Warum ich die Abkürzung (das war wahrscheinlich der Grund für die Streckenführung) durch diese Neibourhood nehmen sollte weiß der Teufel. Hier sieht es noch viel rummeliger aus als in Clarksdale. Bruchbuden ungeahnter Zusammensetzung, Müll am Straßenrand - kein Wunder, da hält genau neben uns ein Auto und der Beifahrer schmeißt zwei Altreifen auf den Bürgersteig. Sitten haben die hier!

Die Gegend um unser Hotel ist aber „safe“. Wir beziehen das Zimmer, kümmern uns um die ersten Fotos und gehen dann nach Downtown. Schon nach 5 Minuten sind wir mitten drin, das Hotel liegt wirklich super! Und da ist auch gleich das empfohlene „The Rendevouz“. Puh, Seitenstraße, sieht auch eher nach Bronx aus. Aber: in den Eisenkästen mit den sehenswerten Kaminen vor (!) dem Restaurant werden die Ribs geräuchert.

Wir gehen rein, riesiger Laden, rappelvoll. Dennoch haben wir nach 5 Minuten einen Tisch und nach weiteren 10 Minuten unser Essen: Ribs „full slab for two“ mit Bohnen und Coleslaw. Super - Fritten machen die gar nicht. Nur Fleisch, Bohnen und Krautsalat. Einziges vegetarisches Gericht: „meatless red beans and rice“. Während wir essen spielt die alte Jukebox hinter uns „Rindin’ with the King“ - B.B. King und Eric Clapton zusammen - passt! Es schmeckt wirklich sehr gut - auch wenn Gabi sagt, dass meine Ribs besser sind. War aber wirklich super lecker und gar nicht so teuer inkl. Bier vom Fass und Cider. Beim rausgehen sehen wir die Dankesbriefe der amerikanischen Präsidenten und Stars, auch beeindruckend.

Jetzt noch in die Beale Street? Ja - kurz! Gleich zu Beginn liegt der „B.B. King Blues Club“, heraus tönt Live-Musik. Und was für eine! Rein, das ist der perfekte Tagesabschluss!! 10 Dollar Eintritt wegen Live-Musik der „B.B. King Allstars“. Geht klar. Auch hier: rappelvoll. Wir erobern zwei Hocker in der ersten Reihe, ich beschaffe Margarita und Bier - dann geben wir uns der Musik hin.

Leute - so was habe ich noch nicht gehört. Die verstehen ihr Handwerk. Drummer, Bassist, B.B.-King-Gitarrist, Keyboarder, der tatsächlich auch auf einer uralten Hammond (oder Wurlitzer?) spielt, Trompete, Sax (machen mächtig Alarm) und zunächst ein Sänger. Da geht voll die Post ab, nix trauriges - pralle Lebensfreude. Dann geht der Sänger und eine junge Frau mit Megafrisur geht ans Mikro. Die hat uns gepackt, weia! So können nur schwarze Stimmen klingen. Jeder Ton Gefühl, Reibeisen, zart, kreischend, schreiend - sensationell. Den Blues hat sie so was von drauf mit dieser Hammer-Band im Rücken, aber auch Tina Turner und Kolleginnen interpretiert sie auf ihre Art. Ihr „You make me feel like a natural woman!“ werde ich nie vergessen. Was hat die da rausgehauen - das höre ich im Leben nicht nochmal so. Grandios!! Georg: Wir haben den ganzen Tag aber gerade da sehr an dich gedacht.

Rückweg zum Hotel, Webseite, Tagebuch, aktuelle Uhrzeit: 23:45 Uhr. Gabi liest jetzt Korrektur und dann mache ich den Deckel drauf. Morgen gehört Memphis uns! Liebe Grüße!!

Tagesetappe: 393 Kilometer
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

Fields of Glory ...

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Jürgen am "Battlefield", Vicksburg National Military Park, Mississippi

Das Frühstück im „The Guest House Historic Mansion“ wird nicht als Buffet gereicht sondern kommt passend zur Ausstattung klassisch daher. Bedienung an den Tisch, Menüauswahl, echte Kaffeebecher, Gläser, Porzellan, Stoffservietten. Wir genehmigen uns diesmal beide die herzhafte Variante: 2 Rühreier, Käse, Bacon, Hashbrowns, Kaffee, O-Saft. Damit kommen wir bis in den Abend.

Schnell sind wir wieder auf den Blues-Highway #61, über den die heutige Strecke komplett führt. Der Streckenabschnitt ist sehr reizvoll; die Gegend wird deutlich hügeliger - in Wellen geht es den Highway hinauf und hinab.

Port Gibson ist eine kleine, liebliche Stadt, die dank der Gutmütigkeit von General Grant („So etwas Schönes darf man nicht niederbrennen“) den Bürgerkrieg unbeschadet überstanden hat. Am Wegesrand liegen wieder viele schön zurechtgemachte Häuser und Baumriesen. Auffällig sind aber auch hier wieder die zahlreichen Kirchen.

Mitten in Port Gibson biegen wir links ab, denn der erste Abstecher steht an. Der Weg allein lohnt - er führt über einen sehr reizvollen und einsamen Straßenabschnitt, gesäumt von Baumwollfeldern (die aber noch nicht bestellt sind und daher nur braunes Gestrüpp aufweisen) und auf den letzten Meilen wucherndem Kudzu-Efeu. Der ist aktuell auch grau. Wenn wir uns vorstellen, wie der in einigen Wochen saftig grün daherkommt - das ist bestimmt ein prächtiges Bild.

Der „Grand Gulf Military State Park“ erinnert an die Zeiten großer Schlachten während des Bürgerkrieges. Wir sind komplett alleine hier, die Rangerin erzählt uns etwas. Außerdem gibt es historische Artefakte in dem Museumsgebäude. Gruselig, sich vorzustellen, dass mit diesen Bajonetten und Säbeln hier höchstwahrscheinlich vor 150 Jahren Menschen getötet wurden. Gleiches gilt für die Schießeisen.

Draußen erkunden wir dann das Gelände. Eine kleine Kirche hat sogar eine historische Orgel, die aber funktionsuntüchtig sein dürfte - so wie die Tastatur beschaffen ist. Vor dem Stallschuppen gegenüber steht ein historisches Feuerwehrfahrzeug, drinnen Kutschen, Leichenwagen und ein historischer RTW, Aufschrift: „Original civil war ambulance Wagon - only one to have seen service in the war 1862“. Wieder ein Stück weiter: der Jail mit original Eisenkäfig im Gebäude. Hier möchte ich auch nicht eingesperrt sein. Mit dem Auto fahren wir die weiteren Punkte an: alter Friedhof und Aussichtsturm, der luftig daherkommt, ein wenig Frühsport abverlangt, aber nicht viel Aussicht zu bieten hat.

Das ehemalige Hafenstädtchen Grand Gulf direkt nebenan hat im Verlauf der Geschichte alle denkbaren Katastrophen ereilt: Überschwemmungen, Versandung des Mississippi, Epidemien (Gelbfieber und Cholera), Feuersbrünste, Verwüstung durch Tornados und die vollständige Zerstörung während des Bürgerkrieges, als die Unionstruppen hier über den Mississippi setzen um dann nach einer schweren Schlacht um Port Gibson weiter nach Jackson und schließlich gen Vicksburg marschieren zu können. Zugewachsene Schützengräber und zahlreiche Schilder erinnern im Wald an die Ereignisse von damals. Gespenstisch!

Wir fahren den Weg zurück nach Fort Gibson, um dann noch einmal abzubiegen. Der Weg ist super kurvig und hügelig, eine Achterbahnfahrt durch zugegeben sehr schönen Wald. 10 Meilen westlich der Stadt finden wir dann die „Windsor Ruins“. 23 korinthische Säulen sind alles, was von dem ehemals größten Plantagenhaus des Südens übrig geblieben ist. Das erst 1860 erbaute Haus fiel bereits 1890 den Flammen zum Opfer. Aktuell wird das baufällige Areal restauriert und ist komplett gesperrt. Wir haben Glück, denn gerade wird der Rasen gemäht. Man ist so nett und lässt und ein paar Fotos schießen, in das Gelände rein dürfen wir nicht - zu gefährlich. Auch hier mach dieser graue Kudzu-Efeu die Landschaft unwirklich.

Wieder zurück auf dem Highway #61 geht es weiter gen Norden. Kurz vor Vicksburg müssen wir mal wieder tanken - immer noch sehr günstig (2,889 $/GAL).

Nun steuern wir das Vicksburg National Military Park/Battlefield Museum an, in dem wir über 2 Stunden verbringen werden. Es ist unserer erster National Park auf dieser Reise. Der Jahrespass lohnt sich auch nach Ansicht des Rangers hier im Südosten nicht.

Auch in Vicksburg florierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Baumwollhandel; die günstige Lage an einer Biegung des Mississippi war sehr vorteilhaft für die Stadt.

Am Eingang des NP befindet sich das Visitor Center mit dem Museum des Parks. Ich bespreche mich mit dem Ranger, er weist auf einige Besonderheiten hin (Straßensperrungen, wie wir fahren sollten etc.) und ich erkläre ihm kurz, was ich über die Bedeutung der Schlacht bei Vicksburg zu wissen meine. Er bestätigt, dass ich richtig informiert bin - auch daran ist „Fackeln im Sturm“ nicht ganz unschuldig. Ein 18-minütiger Film und eine gelungene Ausstellung mit originalen Ausgrabungs- und Schaustücken aus Kriegszeiten erläutern uns in Kürze die Geschichte des Krieges und den Schlachtverlauf bei Vicksburg, wo sich damals 110.000 Soldaten gegenüberstanden, davon 80.000 auf Seiten der Nordstaaten.

Vor uns liegt jetzt eine ca. 15 Meilen (knapp 25 km!) lange Rundstrecke über das riesige Gelände (quasi das „Schlachtfeld“) mit zahlreichen Stops, unzähligen Gedenktafeln, Denkmälern, Heldenstatuen, Gebäuden, Kanonen etc. Zuerst fahren wir an den Stellungen der Unionstruppen vorbei. Immer wenn die Plätze diese Partei betreffen, sind die Schilder blau. Es ist beklemmend, sich vorzustellen, welches Leid diese Landschaft gesehen haben muss. Dabei ist sie so schön: hügelig, saftiges Gras, schöne Bäume. Ich sehe aber vor meinem geistigen Auge die Unionstruppen immer wieder gegen die Stellungen der Konföderierten anrennen, Menschen schreien und verwundet oder tödlich getroffen zu Boden fallen. Der Film von eben wirkt noch nach.

Das „Illinois Memorial“ hat eine große Treppe zu einer riesigen weißen Kuppel zu bieten. Innen wird an Generäle und Anführer aus Illinois erinnert, alles sehr schlicht und mit sagenhafter Akustik. Wir sind auch hier allein, es ist gerade mal keine Busladung angekommen. Gabi singt und es klingt extrem voluminös zurück. Hier verbringen wir etwas Zeit.

Auf dem Vicksburg National Cemetery, dem größten Bürgerkriegsfriedhof, sind 17.000 Menschen begraben, davon 13.000 unbekannt. Grabsteine bis zum Horizont. „Die meisten waren bestimmt Jüngskes!“ meint Gabi. Es waren aber damals alle Altersgruppen aufgerufen und dabei. Wie viel Leid hat dieser Krieg über die Familien gebracht? Totaler Wahnsinn!! „Totaler Wahnsinn“ war meine Idee für den Titel dieses Tagebucheintrages - passt meines Erachtens zu jeder Art von Krieg. Als wir so durch den Park fahren singt dann die unvergleichliche Eva Cassidy „Fields of Gold“ von Sting. Wer die Aufnahme nicht kennt (besonders die Akustikfassung!), sollte sie unbedingt mal anhören. So schön, so traurig. Und sie singt auch von den „Fields of Glory“ - das passt perfekt zu diesem Tag und den Schlachtfeldern, die wir heute gesehen haben.

Neben dem Friedhof liegt das USS Cairo Museum, wo ein wieder ausgegrabenes Kanonenboot aus dem Bürgerkrieg zu besichtigen ist. Das mit Wasserdampf und Schaufelrad angetriebene Boot ist zu allen Seiten mit Kanonen bestückt und zum Teil mit dicken Eisenplatten vor feindlichem Beschuss geschützt. Zum Schluss geht es noch an den Stellungen der Konföderierten entlang (rote Schilder).

Das Schicksal hier in Vicksburg wurde insbesondere durch den Bürgerkrieg bestimmt. 1863 belagerten die Truppen der Nordstaaten unter General Grant die Stadt 7 Wochen lang, bevor sie sich am 04.07.1863 ergab. Am Ende aßen die armen Menschen hier Ratten und Katzen, weil es nichts anderes mehr gab. Mit dem Fall von Vicksburg und der gleichzeitigen Niederlage bei Gettysburg am 03.07.1863 war der Krieg entschieden. Im Osten wurde die größte Südstaatenarmee zerschlagen und bei Vicksburg der wichtigste Nachschubweg abgeschnitten. Der Mississippi war nämlich die Lebensader der Konföderierten Armee. Nur so konnten sie mit wichtigem Nachschub aus nördlichen Staaten versorgt werden, die sich nur halbherzig der Unionsregierung unterordnen wollten. Mehr kann ich hier nicht beschreiben - die Informationen im Detail gehen zu weit.

Nur soviel noch an persönlicher Bemerkung: es waren 1860 die üblichen Zutaten für einen Krieg: „Rot“ (Unionstruppen der Vereinigten Staaten unter Präsident Abraham Lincoln) kämpft gegen „Blau“ (Konföderierte Südstaaten). Rot gegen Blau habe ich 1982 auch bei der Bundeswehr gespielt - genau so gruselig. Da stellte die NATO die „blauen“ - die „roten“ waren die Russen. 1860 fühlte sich „blau“ unfrei, gegängelt von der Union und wollte seinen Wohlstand (insbesondere das Recht auf Sklavenhaltung als Grundlage für diesen Wohlstand) behalten. Rot wollte die „Union“ retten und die Sklaven befreien. Noch ein paar kampfeswillige „Politiker“ dazu, Stimmung in der Bevölkerung aufheizen, kräftig umrühren und schon bringen sich Brüder, Nachbarn, Freunde gegenseitig um. Wer hat Recht? Wie immer im Krieg: niemand. 1863 hat „rot“ gewonnen. Frei waren die Sklaven zwar fortan formal - in den Köpfen ist die Rassentrennung aber vielfach auch heute nicht überwunden. Und auch heute noch bekriegen sich auf der Welt Menschen auf bestialische Weise - und wissen wahrscheinlich vielfach garnicht, warum eigentlich. „Totaler Wahnsinn!“

Wir steuern nun unser Hotel an. Gestern hatte ich noch geschrieben, das es wieder „normal“ wird. Da hatte ich ganz vergessen, dass wir uns für heute in Vicksburg in einem Casinohotel direkt am Mississippi eingebucht haben. Einigermaßen günstig, super Zimmer.

Wir fahren aber gleich nochmal los, weil wir noch Downtown sehen und etwas essen wollen. Dabei finde ich eine abenteuerliche Route, die z.T. über Schotterstraße, an zig „Lost Places“, stillgelegten Eisenbahnwagons vorbei und über ein Betriebsgelände führte - wir sind aber durch- und angekommen.

Downtown erinnert etwas an San Francisco - wegen der extrem steilen Fahrbahnen. Sonst nicht! Hier ist auch der Hund begraben. Nach 10 Minuten haben wir alles gesehen und steuern die Brewery an, die ich eben ausgemacht habe. Cocktail für Gabi, leichtes Bier für mich, Pizza für uns beide. Lecker, günstig, schöne Kneipe!

Zurück im Motel schauen wir noch kurz in das riesige Casino hinein. Unfassbar, diese Menge an Glücksspielgeräten. Roulette etc. geht aber natürlich auch. Wir machen ein Foto und sind nach weniger als 10 Minuten wieder raus. Das ist nicht unsere Welt, ich kann hiermit überhaupt nix anfangen und Gabi auch nicht. Sehr gut so. Denn auch diese Casinos versprechen vielen das „Field of Glory“ - und sind dann am Ende deren Untergang.

Gute Nacht, das war ein Tag mit einem ernsten Thema, welches aber unbedingt zu einer Reise durch die Südstaaten dazu gehört. Morgen wird der Blues-Highway seinem Namen alle Ehre und uns viel Freude machen (hoffe ich sehr)!

Tagesetappe: 228 Kilometer
Übernachtung: WaterView Casino & Hotel by Wyndham, 3990 Washington St., Vicksburg, MS 39180

"Was wir so alles machen ...!"

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Jürgen und die erste Trompete von Louis Armstrong, Jazz Museum, New Orleans, Louisiana

Tolles Zimmer, gute Nacht - wenn es auch gestern Abend (zu) spät wurde mit dem Tagebuch etc. ich korrigiere als erstes mal die gröbsten Schnitzer, die mir heute Nacht dann doch unterlaufen sind. Dann gehen wir ganz entspannt frühstücken. Das geht hier sehr fein am Pool bzw. unter den schönen Bäumen im Innenhof.

Entgegen der Vorhersagen regnet es noch nicht. Also stiefeln wir los. Zunächst durchqueren wir noch einmal den Louis Armstrong Park gegenüber. Wenn wir hinten raus gehen, gelangen wir in einen anderen Stadtteil: Treme. Hierher verirren sich Touristen eher selten und wir genießen die Ruhe in den Straßen. Der Stadtteil Treme erinnert ein wenig an das French Quarter der 1980-er Jahre. Viele Häuser wurden nach Katrina bunt und frisch gestrichen, andere stehen immer noch schief. Wir laufen einige Blocks ab. Auch hier erleben wir wieder diese. Mischung von tollen Häusern und atemberaubenden Bäumen. An einer ziemlich verwahrlosten Kirche haben Sie das „Grab des unbekannten Sklaven“ gekennzeichnet.

Bunt ist es hier auch und an den lustig bemalten Mülltonnen treffe ich eine etwas flippig gekleidete „local“, die die Tonnen auch fotografiert. Sie habe „die noch nie gesehen, lustig, oder?“ „Ja, bist du von hier?“ „Klar, ich wohne gleich da vorne - aber wenn man hier lebt, wird man schnell funny and crazy!“ Spricht es und geht leise in sich hinein kichernd ihres Weges.

Wir landen naturgemäß wieder im French Quarter und stellen fest, dass man hier auch heute noch sein Pferd anbinden kann, wenn man geritten kommt. Es ist um diese Uhrzeit wieder mal kaum etwas los und wir machen Bilder von der schönen Architektur. Es sind viele locals unterwegs, um ihre Hunde auszuführen. In einem Hexenladen verkaufen sie nicht nur Voodoo-Puppen, sondern auch Besen als Fortbewegungsmittel. Harry Potter hätte in diesem Laden auch seinen Spaß.

Wir wissen, dass es irgendwann immer mal wieder regnen wird heute. Deshalb haben wir so einige Museen auf dem Zettel - den Rest müssen wir in Kneipen überbrücken. Schon von Treme aus steuern wir das New Orleans Museum of Jazz an. Es liegt am unteren Ende der wunderschönen Esplanade Ave mit ihren großen, schattenspendenden Bäume und der vom Tourismus noch nicht beeinflussten Architektur in der ehemaligen Münzpresse „The Old Mint“. Ein Raum des Museums widmet sich den historischen Pressverfahren - sehen wir uns an.

Das Museum führt immer wieder auch mal Livemusikveranstaltungen durch und dieses Wochenende ist es mal wieder so weit: von heute bis Sonntag tobt hier das „Denny Barker Festival“. Es spielen ganztägig Bands vor dem Museum und zusätzlich im Konzertsaal des Hauses. Das sind wohl ziemliche Größen, die sich hier die Hand reichen - uns Jazz-Banausen sagt das nichts. Alle, die wir hören, scheinen aber zu wissen, was sie tun - lecko fanno!!

Das Museum ist interessant und führt uns zu den Ursprüngen des Jazz zurück. Sehr, sehr coole Fotos und historische Instrumente sind zu sehen. Fats Domino und sein Piano spielen eine große Rolle und „Drummville“ bezieht sich zu einem großen Teil auch auf den Congo Square, den wir gestern schon besuchten. Louis Armstrongs erste Trompete ist natürlich ein Highlight.

Als wir hinauskommen aus dem Museum regnet es sich gerade mal wieder für eine gute halbe Stunde ein. Und wenn es regnet, dann schüttet es aus Kübeln. Kein Problem bei 25 Grad, Einkehrmöglichkeiten gibt es ja genügend. Wir flüchten uns in die Oyster Bar in der Bourbon Street. Wir müssen heute nicht mehr fahren und Gabi gönnt sich eine Sangria. Für mich ist eines dieser local draft beers immer eine Option. Austern roh kennen wir schon - nicht so 100% unser Fall. Also testen wir mal die gegrillte Art „cajun style“. Gewürze, Butter und Käse machen das Ganze zu einem durchaus schmackhaften Erlebnis.

Der Himmel hängt voller Wolken - lange wird es nicht dauern bis zum nächsten Wolkenbruch Gestern Abend auf dem unfreiwilligen Heimweg wegen steckengebliebener Streetcar hatten wir entdeckt, dass es zwischen Canal Street und Garden District eine Ausstellung über Claude Monet gibt - und Gabi findet, dass das auch mal etwas anderes sei. Ich reagiere mit unserem „running gag“ dieser Tage, sage nur „Wir machen Sachen …!“ und steuere unsere Schritte Richtung Ausstellung. Als wir dort ankommen, öffnen sich gerade wieder sie Himmelsschleusen.

So richtig anfangen kann ich weder mit Claude Monet (nun gut, ich weiß, dass er bunte Bilder gemalt hat mit so Farbtupfen) noch einer solchen Ausstellung etwas. Dazu ist der Eintritt nicht gerade ein Schnapper. Aber: „Was wir so alles machen …!“ Hat in den vergangenen Tagen oft zu überraschend schönen Erlebnissen geführt und so folge ich den Wünschen der kunstinteressierten Gattin, was sich als Glücksfall entpuppt.

Es geht ganz harmlos los: Farblehre, Farbmischungen, Komplementärfarben, Gemeinsamkeiten zwischen Malerei und Fotografie (das kenne ich natürlich und da werde ich schon hellhörig), sein Leben auf dem Zeitstrahl - in Beziehung gesetzt zu den sonstigen geschichtlichen Highlights seiner Zeit. Mit 15 Jahren hat er Cartoons gezeichnet, nicht sonderlich erfolgreich. Mit 29 versucht er sich das Leben zu nehmen. Anschließend kommt Schwung in seine Bekanntheit und Anerkennung. Er hat eine große Familie, seine Freu stirbt früh, er heiratet ein zweites Mal und überlebt auch seine zweite große Liebe. Reisen nach London und Italien (Venedig) beeinflussen seine Malerei noch spät sehr. Er stirbt1926 mit 86 Jahren.

Dann folgen Beispiele seiner Kunst im Laufe seines Lebens. Verdammt, die machen das sehr gut hier: logisch, dass eine Malerei lange von seinem schönen Anwesen, seiner Familie und der Natur in seiner Umgebung (Wasserlilien) beeinflusst wurde. Dann hat er sich mit technischen Dingen beschäftigt und versucht, auch bewegte Dinge, vor allem Eisenbahnen dynamisch darzustellen. London und Venedig lagen eher am Ende seines Lebens. Erscheint mir jetzt schon sehr schlüssig.

Nächster Raum: so etwas wie sein „Arbeitszimmer“ mit Beispielen seiner Kunst - kommt mir jetzt schon sehr bekannt vor. Wir sind allein hier und Gabi kann sich dort ungezwungen umschauen. Dann folgt ein Raum, in dem man durch seine Wasserlilienlandschaft gehen kann, sogar über die geschwungene Brücke. Irgendwie sind wir jetzt mittendrin in seiner Kunst. Der weiche Rasen, über den wir gehen, die Projektionen im „Teich“ und die Geräuschkulisse mit Vögeln und Kröten tun ihr Übriges.

Jetzt wird es heftig: ein Saal mit Liegestühlen, Sitzkissen zum rumflätzen, Bänken. Ich zähle im Laufe der nächsten 30 Minuten mindestens 29 Projektoren. Überall ist Farbe und Bewegung, dazu Musik und Geräusche. Ich tauche komplett ein in sein Leben und seine Malerei, die geschickt projeziert und aus natürlichen Szenen heraus „entwickelt“ wird. Faszinierend! Sie bilden hier per Videoinstallation sein Leben und seine Schaffenskraft nach - mit Farben und Effekten, die vor meinem Auge zu explodieren scheinen. Das hat sich unbedingt gelohnt.

Der Hammer kommt aber zum Schluss - frei nach Steve Jobs („one more thing“): Ob wir nicht eine dieser virtuellen Brillen aufsetzen und ganz Teil werden wollen von seiner Kunst? 5,00$ - ja klar! Wir nehmen Platz auf Drehhockern und bekommen jeder eine dieser topaktuellen AR-Brillen (sehen aus wie monströse Skibrillen) angepasst. Und ab geht die wilde Fahrt!! Ich fliege völlig dreidimensional durch die Gärten und Landschaften, die ich eben noch per Projektion gesehen habe. Wie lernt der Mensch? Durch Wiederholung! Ich weiß jetzt quasi immer schon vorher, was kommen wird: seine Familie, die wogenden Felder. Dann die Wasserlilien mit der Brücke, die Dampfloks, London … Da auch Geräusche und Musik projiziert werden und ich mich auf dem Drehstuhl komplett frei bewegen kann bin ich wirklich mittendrin. Nach links schauen oder drehen und nach hinten gucken? Kein Problem! Hammer!

Als ich nach 90 Minuten rauskomme aus der Ausstellung habe ich das Gefühl, verdammt viel gelernt zu haben und dem Menschen und Künstler Claude Monet sehr nahe gekommen zu sein. Kompliment für so eine didaktische Meisterleistung - das war es allemal Wert.

Wir laufen noch einmal quer durch das French Quarter - vielleicht sehen wir noch 30 Minuten Jazz am Museum? Fehlanzeige! Es beginnt wieder zu schütten - und wie! Wir retten uns in Molly’s Bar at the market. Hier trinken wir ein Getränk an der Bar. Zu Essen gibt es hier nichts. Aber: urige irische Kneipe mit viel Jameson im Regal.

Raus und weiter - da geht es wieder los. Direkt nebenan ist „Coop’s Place“. Sieht auch super aus und die Preise sind ok. Südstaatenküche - genau unser Ding im Moment. Ich nehme „Jambalaya Supreme“. Das entspricht in Etwa einer Paella, nur viel schärfer. Klasse! Huhn, Shrimps, Hase und scharfe Wurst sind neben Reis die Hauptbestandteile. Gabi hat es noch bunter: von allem Etwas: Gumbo, Creole Shrimp, Jambalaya, Fried Chicken und Beans & Rice. Alles sehr, sehr lecker, draußen vor der Tür geht die Welt unter. Der Mann neben mir bestellt einen „Redbreast 12“, große Portion - da gehe ich mit. Wir unterhalten uns eine Runde über irischen Whisky und Gabi hilft mir, meinen zu trinken.

Jetzt zurück zum Hotel. Wir wollen noch der Margret zum 60sten gratulieren und haben eine Skype-Aktion mit Hott und Birgit geplant. Im Best Western ordern wir noch eine Margarita und einen Marker’s Mark zum „anstoßen“, die Verbindung kommt aber leider nicht zustande.

So gehen wir aufs Zimmer und versorgen Bilder und Tagebuch. Es war ein toller Tag, trotz (oder gerade wegen) des Regens. Morgen geht es auf zu neuen Abenteuern! Wir sind gespannt, denn dann heißt es bestimmt wieder „Was wir so alles machen …!“ - gute Nacht!

Tagesetappe: - Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus French Quarter Courtyard Hotel, 920 North Rampart Street, New Orleans, LA 70116

© 2024 Gabi & Jürgen