Tagebuch




The Moon is shining

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Gabi in der Tennessee Legend Distillery, Sevierville, Tennessee

So, die beiden letzten Tage sind online und hier kommt der heutige Tag - ohne Internet geht nun mal nicht viel. Das war im Club Hotel Nashville leider massiv gestört - bei uns ging fast nix. Ansonsten war das Zimmer super und die ruhige Lage im Osten Nashvilles genau richtig. Um kurz vor neun sind wir unterwegs, es liegt eine längere Fahr vor uns inkl. erneuter Zeitumstellung.

Frisch ist es heute in Nashville und offensichtlich im ganzen Land. Als wir starten sind die Temperaturen gerade mal so über dem Gefrierpunkt. 10 Grad plus soll heute die Höchsttemperatur werden. Dabei ist strahlend blauer Himmel, tolles Wetter. Ich ziehe dann aber doch mal was langärmliges an.

Die Fahrt vergeht erstaunlich schnell. Siri spiel auf Wunsch alle Musik, die wir hören möchten. Gerne lassen wir uns mal etwas näher bekannt machen mit den Künstlern, von denen wir gestern so viel gehört und gesehen haben. Taylor Swift, Linda Ronstadt, die Everly Brothers, die Eagles und viele andere erfreuen uns mit ihrem Gesang. Zwischendurch noch mal tanken, dann könne wir die Interstate 40 schon verlassen.

Wir erreichen Sevierville, die Smoky Mountains sind schon zu sehen. In Lynchburg hatten wir „Whiskey-Trail-Pässe“ bekommen. Dort sind viele Distillerys aus Tennessee aufgeführt, die man besuchen kann und die einem den Pass abstempeln. Außerdem gibt es einen Chip der Distillery wie man sie aus dem Spielkasino kennt. Wenn man alle Stempel beisammen hat bekommt man ein Pokerspiel geschenkt. Werden wir nicht schaffen. Sammeln macht dennoch Freude und die Chips oder Coins sind gut!

Hier in Servierville sehen wir eine Moonshine Distillery am Wegesrand und halten an: Tennessee Shine Co. Sie nehmen aber nicht teil an diesem „Whiskey Trail“-Dings. Dafür kann man kostenlos einige Räume besichtigen und mehr über den Moonshine erfahren. So wird in der Distillery heute üblicherweise der Rohbrand genannt. Herkömmlich ist Moonshine aber der Begriff für schwarz gebrannten Schnaps, der „bei Mondschein“ heimlich hergestellt wurde.

Der Rundgang ist zunächst interessant. Es werden die Umstände gezeigt, unter denen Moonshine früher und heute hergestellt wurde/wird. Dann lernen wir den besonderen Humor der Gegend hier kennen. Da ist ein ausgestopfter Bär - wie man sie hier häufig sieht. Gabi nimmt sich Tiny und setzt ihn auf den Zaun neben dem Bären. Da brüllt das Tier so plötzlich und ohrenbetäubend los, dass meine Apple-Watch Lärmalarm gibt. Ok, kam vom Band, irgendwie mit Infrarotmelder oder so. Dennoch habe ich mich zunächst sehr erschrocken. Man weiß ja nie. Zwei Minuten später gehe ich in den nächsten Raum und da ist direkt hinter der Tür links eine Art Besenkammer und drinnen sitzt einer - auf einen elektrischen Stuhl gefesselt, den schwarzen Sack über dem Kopf (das Foto habe ich wieder rausgenommen aus der Auswahl - zu gruselig und ernst, das Thema). Ok - reicht, wir fahren weiter.

Wenige hundert Meter weiter liegt dann die Tennessee Legend Whiskey Distillery an der Strecke. Hier bekommen wir Stempel und Münzen und dazu darf Gabi einige gut gefüllte Fingerhüte voll probieren. Freie Auswahl - 8 darf sie kostenlos, sie nimmt 4. Sehr vernünftig! In der Dekoration ist auch noch St. Patrick’s Day. Käufer des Moonshine unterstützen auch die Veteranen - ein weiteres Thema, das uns hier überall begegnet.

Einige Kilometer weiter steht die Welt auf dem Kopf - wir erreichen Pigeon Forge. Der Ort ist „Americana pur“. Bunt, voll, kitschig, aber eben auch bodenständig und familienfreundlich. Innerhalb von 3 Jahrzehnten hat sich das Örtchen, u.a. Dank des Einsatzes von Dolly Parton zu einem wahren Mekka der Country-Musikfans etabliert. 12 Millionen Besucher kommen jedes Jahr und über 20, zumeist hochklassige Dinner-Shows werden mindestens ein Mal am Tag angepriesen. Das ist eine Mischung aus Hollywood, Las Vegas, Disneyworld und Alice im Wunderland.

Das „Wonderworks“-Haus steht tatsächlich auf dem Kopf. Wir gucken kurz rein, alles kopfüber. Man kann dort Touren und „Rides“ buchen; die Warnschilder sagen, dass einem schlecht werden könnte. Springbreak - die Familien lieben es offensichtlich. Auch auf der anderen Straßenseite liegt ein Haus schräg.

Wir fahren etwas weiter und da befindet sich ein Titanic-Nachbau am Straßenrand. Es enthält das größte Titanic-Museum der Welt. Hier kann man die Fahrt und den Untergang des legendären Schiffs hautnah miterleben und selbst an den nachgebildeten Ereignissen teilhaben. Der Gründer des Museums war der erste Sponsor für die Suche der tief auf dem Meeresgrund ruhenden Titanic. Sogar der Eisberg und die Bugwelle sind da.

Daneben ist „Hatfield & MacCoy Dinner Feud“, eine Farm mit lustiger Deko. Tiny hat seinen Spaß. Hier findet regelmäßig eine dieser Dinner-Shows statt.

Das „Sunliner Diner“ ist einem Airstream Wohnwagen nachempfunden und erinnert stark an die 50er-Jahre. Sehr schön, wir gucken kurz rein, hier kannst du deinen Burger im Cadillac essen. Und wieder gegenüber hängt King Kong am Hochhaus; er hat gerade einen Flieger aus der Luft gepflückt. Es handelt sich hier um das „Hollywood Wax-Museum“. Am Ortstausgang liegt dann noch „Dollywood“, die Hauptsehenswürdigkeit des Ortes. Hier finden Fans einen Vergnügungspark mit Souvenirshops, einer historischen Eisenbahn, Countrymusic, Dinnershows, nachgebauten alten Häusern, einem Wasserpark, der schnellsten Holzachterbahn der Welt etc. - Dolly Parton lässt die Kassen klingeln. Wir halten hier nicht an.

Statt dessen erreichen wir Gatlinburg, das Tor zum Smoky Mountain NP, der direkt nebenan liegt und morgen von uns erkundet wird. Heute lassen wir uns im Visitor Center beraten und wissen nun, was wir morgen machen. Kartenmaterial, den Parkausweis für morgen (5 Dollar, dafür kein Eintritt) und genügend Sticker nehmen wir gleich mit.

Wir haben ein Zimmer in der „Greystone Lodge on the River“ gebucht. Das ist ebenfalls sehr schön, hat einen Balkon mit Blick auf den Fluss und unser Auto steht nur wenige Meter entfernt sicher in einer Garage.

Wir gehen nochmal los und kehren als erstes bei der Gatlinburg Brewing Company ein. Das Team hier ist super drauf, entspannt. fröhlich, gut gelaunt; man tanzt bei der Arbeit und hat sichtlich Spaß. Das wirkt ansteckend und wir trinken Cider und Bier vom Fass. Die Pizza wird ganz frisch vor unseren Augen zubereitet und zwar in einer Größe, dass jeder eine nach seinem Geschmack bestellen kann. Toller Programmpunkt.

Als wir etwas tipsy wieder auf der Straße sind reiben wir uns die Augen: da gegenüber ist ein Trump-Shop. Ja: richtig gelesen: ein ganzer Laden mit Fahnen, Wimpeln, Stickern, Mützen, Bannern und nur einem Thema: Trump - und gegen Biden. Ich hätte viel für möglich gehalten, so etwas nicht. Die Südstaaten sind sicher eher Trump-nah, das haben wir in den vergangenen Wochen gespürt und gesehen. Diese Art der „Wahlwerbung“ ist neu für uns.

Da gehen wir doch noch einen Kilometer die Hauptstraße rauf und wieder runter. Ziel: die „Sugarland Distillery“ und die „Ole Smoky Mountain Distillery“. In der ersten gibt es Stempel und Coins, in der zweiten ein kleines Tasting. Die Whiskeys sind gar nicht so schlecht. Die z.T. quietschbunten Moonshines, die oft aromatisiert werden, sind nicht so mein Ding. Draussen spielt Live Musik bei Eiseskälte. Der Gitarrist friert nicht, Banjo, Fiddle und Bass haben aber wenig Naturneopren.

Alles hier ist ebenfalls bunt und auf Familienunterhaltung ausgelegt - ganzjährig. Es ist aber alles etwas kleiner und netter aufbereitet als in Pigeon Forge. Manche Ladenzeilen wirken wie aus dem Märchenland. Allerdings sind hier z.B. Waffen auf dem Gelände willkommen - es wird darum gebeten, diese aber im Holster zu tragen, solange das vertretbar ist - andernfalls soll man sich „vernünftig“ verhalten. Tja, das ist schon anders hier als bei uns zu Hause.

Die Sonne verschwindet und nun wird es noch kühler. Zeit für uns, das Zimmer aufzusuchen. Morgen wollen wir früh los. Das Tagebuch ist fertig, nun noch die Bilder aussuchen und bearbeiten. Gabi steuert täglich tolle Fotos bei, die sie mit ihrem iPhons schießt und bearbeitet. Das muss auch mal lobend erwähnt werden - super! Liebe Grüße, die Moonshines zogen sich durch diesen Tag, ob der „echte“ auch noch um die Ecke kommt, werde ich kaum erleben - das Reich der Träume ruft.

Tagesetappe: 344 Kilometer
Übernachtung: Greystone Lodge on the River, Gatlinburg, 559 Parkway, Gatlinburg, TN 37738-3201

Rock ‚n‘ Roll

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Jürgen am Sun Studio, Memphis, Tennessee

Ein gesamter Tag in Memphis, Tennessee, der Stadt von Blues, Soul, Rock, dem Mississippi und natürlich „King Elvis“.

Memphis wurde nach der gleichnamigen Stadt am Nil benannt (Bedeutung: „guter Wohnsitz“) und war einst eine bedeutsame Hafenstadt mit zeitweise an die 300 Schaufelraddampfern dicht an dicht an den Sandbänken des Wolf River. Mit verarmten Farmern und arbeitslosen schwarzen Landarbeitern, die auf der Suche nach dem großen Glück zu Tausenden nach Memphis strömten, kam eine neue Musikrichtung in die Stadt: der Blues. Dieser fand später in abgewandelter Form seinen Weg nach New Orleans. In früheren Zeiten noch als „Hillbilly“ abgetan, schaffte William Christopher Hardy schließlich mit dem legendären „Memphis-Blues“ den Durchbruch. Hardy spielte seinen Blues in der Beale Street, der Amüsiermeile der Flussschiffer (sein Haus haben wir übrigens heute Abend ganz zum Schluss noch gefunden). Seither ist die Beale Street als eine der Geburtsstätten des Blues bekannt und seit 1966 auch „National Historic Landmark“ der USA. Gestern hatten wir hier ja schon den B.B. King Blues Club besucht.

Mitte der 1950-er Jahre legte ein großer Sohn der Stadt den Grundstein für eine weitere neue Musikrichtung: Elvis Presley, der „King of Rock ‚n‘ Roll“. Er wurde in Tupelo, Mississippi (da fahren wir morgen hin) geboren, lebte aber bereits seit seinem 13. Lebensjahr in Memphis und wurde hier vom Besitzer der „Sun Studios“ entdeckt. Er lebte bis zu seinem Tod 1977 in seiner Villa Graceland im Süden der Stadt. Auch Graceland wollen wir uns morgen anschauen.

Ich kann es vorwegnehmen: der Tag war wieder mal grandios und gespickt von sehr nachhaltig eindrucksvollen Erlebnissen. Aber er war auch mordsanstrengend; wir haben 14,3 Kilometer auf der Uhr, alle Asphalt.

Nach dem Frühstück sollte gleich das Highlight umgesetzt werden: eine Besichtigung des legendären Sun Studio. Karten kann man nicht online reservieren, es gilt „first come, first serve“. Das Studio öffnet um 10:00, die erste Führung ist um 10:30 Uhr. Also sind wir um 09:30 Uhr dort, um ganz sicher Karten zu bekommen, wir kennen das Prozedere ja nicht. Es ist erst eine Dame da, das sieht gut aus für uns.

Hier im Sun Studio wurden die ersten Plattenaufnahmen von Elvis produziert. Aber auch Johnny Cash, B.B. King, Muddy Waters, Howlin’ Wolf, Ike Turner, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und viele andere haben hier Platten aufgenommen. Das Studio ist bis heute in Betrieb, aufgenommen wird meist nachts, den tagsüber sind ja Führungen. Sam Phillips hatte hier 1952 das unabhängige Label „Sun Records“ gegründet, das trendsetzend war für die Entwicklung des Rhythm and Blues, der Rockabilly- und Rock ‚n‘ Roll-Musik. Wir machen die ersten Aufnahmen draussen, als noch niemand da ist.

Das Gebäude ist nicht groß, die Gruppe mit 40 Personen aber auch nicht klein. Ich habe das wahnsinnige Glück, immer als erster in die Räume zu kommen und so schnell Fotos machen zu können, bevor alles zu voll ist. Josh heißt unser Guide, ein junger Mann, der sehr engagiert und schwungvoll zu Werke geht. Immer wieder spielt er Musikbeispiele ein, er ist per Streaming mit Boxen verbunden, was kurze Reaktionszeiten, einen tollen Sound und eine einzigartige Atmosphäre ermöglicht.

Es ist völlig unmöglich, die Emotionalität und vermittelten Fakten dieses Besuchs hier wieder zu geben. Alles beginnt mit 30 Minuten Warten im Foyer, das schon gespickt ist mit Erinnerungsfotos, Platten und allerlei Krams aus den 50ern. Als es losgeht kommen wir zunächst im 1. OG in eine Art „Studiomuseum“. Hier sind alte Aufnahmegeräte und -techniken ausgestellt, Instrumente, wieder Fotos, Platten etc. Außerdem befindet sich hier das Originale Sendestudio vom „Memphis-Sender WHBQ“. Für mich ist das das allererste DJ-Pult mit zwei Plattenspielern beeindruckender Größe inkl. Sendetechnik. Der Sender soll gleich noch eine Rolle spielen!!

Als hier alles erläutert und gesehen ist, gehen wir alle (ich voran) runter in den heiligen Gral - das eigentlich Studio aus den 50er Jahren , welches heute noch genutzt wird. Und kein Witz (!!!) als wir da reingehen, sind alle mucksmäuschen still, als wenn wir eine Kirche betreten würden. Für manche klingt das jetzt vielleicht total bescheuert. Für mich und uns andere ist es das überhaupt nicht. Ich kenne diesen Raum aus Filmen (Walk the Line, Elvis etc.). Hier ist Elvis entdeckt worden, Johnny Cash hat hier ebenfalls seine ersten Aufnahmen gemacht (Walk the Line, Folsom Prison Blues u.a.), Jerry Lee Lewis hat hier aufgenommen, B.B. King und so viele andere. Und jetzt stehen wir hier, machen Fotos, hören Musik, sehen die Technik, die z.T, noch aus den 50ern stammt.

Echte Schätzchen von Gitarren, Amps, denen man ihr Alter definitiv ansieht, Mikros, die (angeblich) noch diejenigen sind, die Elvis, Johnny & co genutzt haben. Josh erzählt, wie der 18-jährige Elvis hier eine Aufnahme machen wollte. Sam Phillips war sehr angetan von ihm, mochte aber diese ständigen Balladen nicht. Er wollte schon gehen, als Elvis mit seiner Gitarre durch den Raum geht und „It’s allright“ (einen seiner Lieblingssongs) schrummelt. Josh macht es vor - hier ist er langgetigert, immer hin und her. Und durch diese Tür kam Sam zurück und sagte: „Das nehmen wir auf!“. Nur zwei Tage später hat der Radiosender WHBQ (s.o.) diesen Titel gespielt und auf Nachfrage in einer Nacht 14 Mal (!!!) Wiederholt. Der Rest ist Musikgeschichte!

Die Wände sind studiolike mit Akustikplatten verkleidet, denen man ihr Alter ebenfalls ansieht. Überall hängen Fotos - z.B. das von Elvis mit Johnny Cash und Carl Perkins. Elvis sitzt an dem Piano, das genau hier unter dem Bild steht. Das coole Foto vom „Man in Black“ spricht für sich. Am Ende Düren wir mit dem alten (Original?-) Mikro spielen. Wieder draussen ist der Himmel knackeblau und wir machen noch ein paar Bilder. Auf dem Rückweg zu Hotel finden wir schöne und bunte Wandmalereien. Der Besuch muss erstmal einige Wochen sacken - ich habe noch unzählige Fotos. Bei Interesse: bitte melden!

Kurzer Restroomstop im Hotel - außerdem haben wir Durst. Zack, wieder eine Flasche Wasser weg. Und weiter geht es in die Downtown. Dabei kommen wir wieder bei den Memphis Redbirds vorbei. Richtig fettes Baseballstadion mitten in der City. Und gegenüber ist der Superdome der Basketballer (Memphis Grizzlys).

Wir erreichen das nahegelegene „The Peabody Hotel“. Das historische Grandhotel begeistert auch heute noch durch seine Größe und Eleganz, vor allem in der riesigen Lobby. Hauptattraktion sind - neben dem wirklich imposanten Gebäude - die Enten („Peabody Ducks“). Täglich um 11:00 werden sie vom Ententrainer (ich wusste bis vor einigen Wochen nicht, dass es sowas gibt!) in die Lobby geführt - um 17:00 geht es zurück. Als wir ankommen, plantschen die Enten schon. Leute schlürfen ihre Cocktails oder einen Kaffee, im Hintergrund ein Flügel, der sich von selbst spielt - oder von einem Geist bedient wird, den ich nicht sehen kann. Gabi hat ein Video - spooky!

Weiter geht es zum Flussufer und von da eine ganz schöne Strecke am Mississippi entlang bis zum Tennessee Welcome Center. Hie Rist irgendwie niemand im riesigen Gebäude; wir machen Bilder von den überlebensgroßen Bronze-Statuen von B.B. King und Elvis Presley.

Gabi möchte unbedingt noch bis zur Pyramide weiterlaufen, in der sich die gigantischen „Bass Pro Shops“ befinden. Wir haben so einen schon mal (ich glaube in Denver, Colorado) besucht. Hier wird Einkaufen zum Erlebnis. Es gibt massig ausgestopfte Tiere, in Landschaften angeordnet. Aber auch Teiche mit großen Fischen, Aquarien und eine Anlage mit mehreren Alligatoren, die man hier sehr gut beobachten kann, sind vorhanden. Besonders imposant sind die Angel- und Jagdabteilungen. Hier gibt es alles, von der kleinsten Rute bis zur größten Langwaffe, mit der man wahrscheinlich (Gott bewahre!) auch Elefanten erlegen kann. Die Restrooms sind hinter der Shootinganlage, in der auch die Kleinsten schon über Kimme und Korn üben können. Es gibt aber auch alles andere, was das Outdoorherz höher schlagen lässt. Natürlich ist auch ein Hotel in die Pyramide integriert. Amerikanischer Wahnsinn - aber sehr gut gemacht!

Rückweg zur Mainstreet, historische Bahnen, Pferdekutschen im Cinderella-Design, nachts beleuchtet. Es gibt aber auch im Individualverkehr sehenswerte Fahrzeuge - wendig, schnell, und laut!

So kommen wir an der Beale Street an, wo wir gestern schon bei B.B. King hinein geschnuppert haben. Zunächst schauen wir beim A. Schwab’s General Store hinein, einem riesigen Ramschladen auf mehreren Ebenen, der seit 1876 im Besitz der Familie Schwab ist. Hier findet man wirklich alles, von Voodoozubehör bis zu alten Wahlplakaten und das Motto „If you can’t find it at A. Schwab’s, you’re better off without it“ hat bis heute seine Gültigkeit. Sogar zu meinem T-Shirt farblich abgestimmte Perücken haben sie.

Die Beale Street war schon früher die Amüsiermeile der Flussschiffer, die dort Musik & Glücksspiel suchten und fanden. Hinter fast jeder Tür hören wir Blues und Rock ‚n‘ Roll. Die Kunst ist es, die Kneipen oder Biergärten zu finden, wo einem nicht die Ohren wegfliegen.

Mit dem „Silky O'Sullivan's Grillrestaurant“ finden wir genau so einen Biergarten. Kühles Bier, Cider und BBQ-Nachos zum Teilen kommen jetzt genau richtig. 9 Kilometer sind wir schon gelaufen. Für die Musik sorgt ein junger Mann mit Gitarre - good Job!

Qual der Wahl: gerne würden wir noch ins Rock’n’Soul Museum gehen, das angeblich beste Museum zum Thema Musikgeschichte in der Stadt. Thema sind dort die Anfänge der Rockmusik und ihre geschichtliche Bedeutung für Memphis und die ganze Welt. Andererseits können wir Memphis nicht verlassen, ohne das National Civil Rights Museum im ehemaligen Lorraine Motel zu besuchen. Hier fiel der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. vor der Türe des Zimmers Nr. 306 am 04. April 1968 einem Attentat zum Opfer. Heute beherbergt das Haus eine sehr umfassend angelegte und didaktisch gut aufgebaute Ausstellung zur Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die alle wichtigen Ereignisse der 1950er- und 1960er-Jahre beleuchtet. Das ist unser nächstes Ziel.

Auf dem Weg dorthin passieren wir noch den Martin Luther King Jun. Reflection Park. Die Worte aus seiner „I have a dream“-Rede (über die ich übrigens im Abi in Englisch LK schreiben musste) gehen mir auch heute noch unter die Haut. Wir erreichen das ehemalige Lorraine-Motel, das im Grunde so aussieht, wie so manches Motel, in dem wir Urlaub machen - nur das die Ausstattung inzwischen meist deutlich besser geworden ist. Auch das macht etwas mit dir: dort zu stehen und auf die Zimmertür von „306“ zu schauen und zu wissen, hier ist es passiert.

Die Eingangskontrolle ist wie am Flughafen: alles wird angesehen und gecheckt - auch heute noch hat man offensichtlich Sorge vor Anschlägen. Ein wie immer eindrucksvoller Film stimmt uns ein. Dann geht es zu den Ursprüngen der Rassendiskriminierung, der Zeit der Sklavenhaltung bis hin zum Bürgerkrieg. Wir entdecken Dokumente, Fotos und Zeichnungen, die wir bereits aus Savannah und Charleston kennen. Hier hat man auch mal Figuren so hingesetzt, wie die Sklaven auf ihrer Reise von Afrika zur Ostküste zusammengepfercht waren. Da wurde jeder Zentimeter genutzt. Furchtbar.

Der Bus, in dem Rosa Park im Dezember 1955 den Busboykott auslöste, ist ebenfalls ausgestellt - wir können hindurchgehen. Rosa hatte sich der Anweisung des weißen Busfahrers (die wir immer wieder hören, als wir durch den Bus gehen), aufzustehen und einer Weißen Platz zu machen, widersetzt und war dafür inhaftiert worden. In der Folge boykottierten Schwarze die Busfahrten komplett bis Dezember 1956. Für mich bezeichnenden Schrifttafeln habe ich auch mal bei den Fotos platziert. „Sanitation Worker“ sind Müllwerker - bezeichnend, wie sie behandelt wurden, wenn sie eine schwarze Hautfarbe hatten.

Die weiteren Proteste bezogen sich auf Sitzblockaden, die gewaltsam gebrochen wurden und die „I am a man“ Bewegung. Im Ergebnis: Gewalt, Tote (auch Kinder) - bis hin zu Martin Luther King. Plötzlich stehen wir vor eine Glasscheibe, hinter der sich das Zimmer 306 befindet - hier hat Martin Luther King jun. seine letzte Nacht verbracht. Ohne Worte!

Gegenüber dem Museum sitzt Jaqueline Smith, die seit 1987 dagegen protestiert, dass sehr viel Geld für das Museum ausgegeben wurde, das gesamte Hotel jedoch leer steht, obwohl es in Memphis viele Bedürftige und Obdachlose gibt. Das sei nicht im Sinne von Martin Luther King Jr. Gabi unterhält sich mit ihr.

Um die Ecke befindet sich das Blues Hall of Fame Museum - ich mache aber nur ein Foto. Gegenüber finden wir eine eine Wandmalerei, die das „I am a man“-Thema noch einmal aufgreift.

Leider ist es nun zu spät, um auch noch das Rock’n’Soul Museum anzuschauen - hätten wir tatsächlich noch gemacht! Statt dessen nehmen wir nun noch einmal die Beale Street ins Visier. In einer Rooftop-Bar trinkt Gabi einen zweifelhaften Cocktail, der in einem Bein serviert wird. Viel Besser geht es uns anschließend in der Ghost River Brewery. Super Bedienung, leckeres Bier, tolles Essen, gute Preise. Und draussen spielt Live-Musik, die uns aber dort auch zu laut ist, so dass wir lieber innen sitzen.

Zum Abschluss ein kurzes Fazit: Memphis gilt als gefährliche Stadt, ja sogar als „Mordhauptstadt"; die Kriminalitätsrate ist aktuell die höchste der Großstädte in den USA. Unter den unsichersten Städten der Welt liegt Memphis auf Platz 14 noch vor Kapstadt. In New Orleans und auch unterwegs haben uns Einheimische mehrfach geraten, gut aufzupassen. Das machen wir sowie so immer, haben wir aber natürlich ernst genommen.

Ich muss aber sagen, das sich ich mich hier - in den Bereichen, die wir besucht haben - immer sehr gut aufgehoben gefühlt habe. Außerdem ist Downtown inklusive der Beale Street echt angenehm zu Fuß zu entdecken. Die Stadt hat sehr viel zu bieten und die ständige Verbindung zum „Rock ‚n‘ Roll“ macht Lust auf mehr. Wenn möglich, würde ich länger bleiben oder wiederkommen. Also: alles gut.

Der Tag morgen gehört dem „King Rock ‚n‘ Roll“. Erster Programmpunkt: Graceland. Anschließend fahren wir wohl zu seinem Geburtstort - ich werde berichten!

Tagesetappe: 14,3 Kilometer (zu Fuß!)
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

Fields of Glory ...

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Jürgen am "Battlefield", Vicksburg National Military Park, Mississippi

Das Frühstück im „The Guest House Historic Mansion“ wird nicht als Buffet gereicht sondern kommt passend zur Ausstattung klassisch daher. Bedienung an den Tisch, Menüauswahl, echte Kaffeebecher, Gläser, Porzellan, Stoffservietten. Wir genehmigen uns diesmal beide die herzhafte Variante: 2 Rühreier, Käse, Bacon, Hashbrowns, Kaffee, O-Saft. Damit kommen wir bis in den Abend.

Schnell sind wir wieder auf den Blues-Highway #61, über den die heutige Strecke komplett führt. Der Streckenabschnitt ist sehr reizvoll; die Gegend wird deutlich hügeliger - in Wellen geht es den Highway hinauf und hinab.

Port Gibson ist eine kleine, liebliche Stadt, die dank der Gutmütigkeit von General Grant („So etwas Schönes darf man nicht niederbrennen“) den Bürgerkrieg unbeschadet überstanden hat. Am Wegesrand liegen wieder viele schön zurechtgemachte Häuser und Baumriesen. Auffällig sind aber auch hier wieder die zahlreichen Kirchen.

Mitten in Port Gibson biegen wir links ab, denn der erste Abstecher steht an. Der Weg allein lohnt - er führt über einen sehr reizvollen und einsamen Straßenabschnitt, gesäumt von Baumwollfeldern (die aber noch nicht bestellt sind und daher nur braunes Gestrüpp aufweisen) und auf den letzten Meilen wucherndem Kudzu-Efeu. Der ist aktuell auch grau. Wenn wir uns vorstellen, wie der in einigen Wochen saftig grün daherkommt - das ist bestimmt ein prächtiges Bild.

Der „Grand Gulf Military State Park“ erinnert an die Zeiten großer Schlachten während des Bürgerkrieges. Wir sind komplett alleine hier, die Rangerin erzählt uns etwas. Außerdem gibt es historische Artefakte in dem Museumsgebäude. Gruselig, sich vorzustellen, dass mit diesen Bajonetten und Säbeln hier höchstwahrscheinlich vor 150 Jahren Menschen getötet wurden. Gleiches gilt für die Schießeisen.

Draußen erkunden wir dann das Gelände. Eine kleine Kirche hat sogar eine historische Orgel, die aber funktionsuntüchtig sein dürfte - so wie die Tastatur beschaffen ist. Vor dem Stallschuppen gegenüber steht ein historisches Feuerwehrfahrzeug, drinnen Kutschen, Leichenwagen und ein historischer RTW, Aufschrift: „Original civil war ambulance Wagon - only one to have seen service in the war 1862“. Wieder ein Stück weiter: der Jail mit original Eisenkäfig im Gebäude. Hier möchte ich auch nicht eingesperrt sein. Mit dem Auto fahren wir die weiteren Punkte an: alter Friedhof und Aussichtsturm, der luftig daherkommt, ein wenig Frühsport abverlangt, aber nicht viel Aussicht zu bieten hat.

Das ehemalige Hafenstädtchen Grand Gulf direkt nebenan hat im Verlauf der Geschichte alle denkbaren Katastrophen ereilt: Überschwemmungen, Versandung des Mississippi, Epidemien (Gelbfieber und Cholera), Feuersbrünste, Verwüstung durch Tornados und die vollständige Zerstörung während des Bürgerkrieges, als die Unionstruppen hier über den Mississippi setzen um dann nach einer schweren Schlacht um Port Gibson weiter nach Jackson und schließlich gen Vicksburg marschieren zu können. Zugewachsene Schützengräber und zahlreiche Schilder erinnern im Wald an die Ereignisse von damals. Gespenstisch!

Wir fahren den Weg zurück nach Fort Gibson, um dann noch einmal abzubiegen. Der Weg ist super kurvig und hügelig, eine Achterbahnfahrt durch zugegeben sehr schönen Wald. 10 Meilen westlich der Stadt finden wir dann die „Windsor Ruins“. 23 korinthische Säulen sind alles, was von dem ehemals größten Plantagenhaus des Südens übrig geblieben ist. Das erst 1860 erbaute Haus fiel bereits 1890 den Flammen zum Opfer. Aktuell wird das baufällige Areal restauriert und ist komplett gesperrt. Wir haben Glück, denn gerade wird der Rasen gemäht. Man ist so nett und lässt und ein paar Fotos schießen, in das Gelände rein dürfen wir nicht - zu gefährlich. Auch hier mach dieser graue Kudzu-Efeu die Landschaft unwirklich.

Wieder zurück auf dem Highway #61 geht es weiter gen Norden. Kurz vor Vicksburg müssen wir mal wieder tanken - immer noch sehr günstig (2,889 $/GAL).

Nun steuern wir das Vicksburg National Military Park/Battlefield Museum an, in dem wir über 2 Stunden verbringen werden. Es ist unserer erster National Park auf dieser Reise. Der Jahrespass lohnt sich auch nach Ansicht des Rangers hier im Südosten nicht.

Auch in Vicksburg florierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Baumwollhandel; die günstige Lage an einer Biegung des Mississippi war sehr vorteilhaft für die Stadt.

Am Eingang des NP befindet sich das Visitor Center mit dem Museum des Parks. Ich bespreche mich mit dem Ranger, er weist auf einige Besonderheiten hin (Straßensperrungen, wie wir fahren sollten etc.) und ich erkläre ihm kurz, was ich über die Bedeutung der Schlacht bei Vicksburg zu wissen meine. Er bestätigt, dass ich richtig informiert bin - auch daran ist „Fackeln im Sturm“ nicht ganz unschuldig. Ein 18-minütiger Film und eine gelungene Ausstellung mit originalen Ausgrabungs- und Schaustücken aus Kriegszeiten erläutern uns in Kürze die Geschichte des Krieges und den Schlachtverlauf bei Vicksburg, wo sich damals 110.000 Soldaten gegenüberstanden, davon 80.000 auf Seiten der Nordstaaten.

Vor uns liegt jetzt eine ca. 15 Meilen (knapp 25 km!) lange Rundstrecke über das riesige Gelände (quasi das „Schlachtfeld“) mit zahlreichen Stops, unzähligen Gedenktafeln, Denkmälern, Heldenstatuen, Gebäuden, Kanonen etc. Zuerst fahren wir an den Stellungen der Unionstruppen vorbei. Immer wenn die Plätze diese Partei betreffen, sind die Schilder blau. Es ist beklemmend, sich vorzustellen, welches Leid diese Landschaft gesehen haben muss. Dabei ist sie so schön: hügelig, saftiges Gras, schöne Bäume. Ich sehe aber vor meinem geistigen Auge die Unionstruppen immer wieder gegen die Stellungen der Konföderierten anrennen, Menschen schreien und verwundet oder tödlich getroffen zu Boden fallen. Der Film von eben wirkt noch nach.

Das „Illinois Memorial“ hat eine große Treppe zu einer riesigen weißen Kuppel zu bieten. Innen wird an Generäle und Anführer aus Illinois erinnert, alles sehr schlicht und mit sagenhafter Akustik. Wir sind auch hier allein, es ist gerade mal keine Busladung angekommen. Gabi singt und es klingt extrem voluminös zurück. Hier verbringen wir etwas Zeit.

Auf dem Vicksburg National Cemetery, dem größten Bürgerkriegsfriedhof, sind 17.000 Menschen begraben, davon 13.000 unbekannt. Grabsteine bis zum Horizont. „Die meisten waren bestimmt Jüngskes!“ meint Gabi. Es waren aber damals alle Altersgruppen aufgerufen und dabei. Wie viel Leid hat dieser Krieg über die Familien gebracht? Totaler Wahnsinn!! „Totaler Wahnsinn“ war meine Idee für den Titel dieses Tagebucheintrages - passt meines Erachtens zu jeder Art von Krieg. Als wir so durch den Park fahren singt dann die unvergleichliche Eva Cassidy „Fields of Gold“ von Sting. Wer die Aufnahme nicht kennt (besonders die Akustikfassung!), sollte sie unbedingt mal anhören. So schön, so traurig. Und sie singt auch von den „Fields of Glory“ - das passt perfekt zu diesem Tag und den Schlachtfeldern, die wir heute gesehen haben.

Neben dem Friedhof liegt das USS Cairo Museum, wo ein wieder ausgegrabenes Kanonenboot aus dem Bürgerkrieg zu besichtigen ist. Das mit Wasserdampf und Schaufelrad angetriebene Boot ist zu allen Seiten mit Kanonen bestückt und zum Teil mit dicken Eisenplatten vor feindlichem Beschuss geschützt. Zum Schluss geht es noch an den Stellungen der Konföderierten entlang (rote Schilder).

Das Schicksal hier in Vicksburg wurde insbesondere durch den Bürgerkrieg bestimmt. 1863 belagerten die Truppen der Nordstaaten unter General Grant die Stadt 7 Wochen lang, bevor sie sich am 04.07.1863 ergab. Am Ende aßen die armen Menschen hier Ratten und Katzen, weil es nichts anderes mehr gab. Mit dem Fall von Vicksburg und der gleichzeitigen Niederlage bei Gettysburg am 03.07.1863 war der Krieg entschieden. Im Osten wurde die größte Südstaatenarmee zerschlagen und bei Vicksburg der wichtigste Nachschubweg abgeschnitten. Der Mississippi war nämlich die Lebensader der Konföderierten Armee. Nur so konnten sie mit wichtigem Nachschub aus nördlichen Staaten versorgt werden, die sich nur halbherzig der Unionsregierung unterordnen wollten. Mehr kann ich hier nicht beschreiben - die Informationen im Detail gehen zu weit.

Nur soviel noch an persönlicher Bemerkung: es waren 1860 die üblichen Zutaten für einen Krieg: „Rot“ (Unionstruppen der Vereinigten Staaten unter Präsident Abraham Lincoln) kämpft gegen „Blau“ (Konföderierte Südstaaten). Rot gegen Blau habe ich 1982 auch bei der Bundeswehr gespielt - genau so gruselig. Da stellte die NATO die „blauen“ - die „roten“ waren die Russen. 1860 fühlte sich „blau“ unfrei, gegängelt von der Union und wollte seinen Wohlstand (insbesondere das Recht auf Sklavenhaltung als Grundlage für diesen Wohlstand) behalten. Rot wollte die „Union“ retten und die Sklaven befreien. Noch ein paar kampfeswillige „Politiker“ dazu, Stimmung in der Bevölkerung aufheizen, kräftig umrühren und schon bringen sich Brüder, Nachbarn, Freunde gegenseitig um. Wer hat Recht? Wie immer im Krieg: niemand. 1863 hat „rot“ gewonnen. Frei waren die Sklaven zwar fortan formal - in den Köpfen ist die Rassentrennung aber vielfach auch heute nicht überwunden. Und auch heute noch bekriegen sich auf der Welt Menschen auf bestialische Weise - und wissen wahrscheinlich vielfach garnicht, warum eigentlich. „Totaler Wahnsinn!“

Wir steuern nun unser Hotel an. Gestern hatte ich noch geschrieben, das es wieder „normal“ wird. Da hatte ich ganz vergessen, dass wir uns für heute in Vicksburg in einem Casinohotel direkt am Mississippi eingebucht haben. Einigermaßen günstig, super Zimmer.

Wir fahren aber gleich nochmal los, weil wir noch Downtown sehen und etwas essen wollen. Dabei finde ich eine abenteuerliche Route, die z.T. über Schotterstraße, an zig „Lost Places“, stillgelegten Eisenbahnwagons vorbei und über ein Betriebsgelände führte - wir sind aber durch- und angekommen.

Downtown erinnert etwas an San Francisco - wegen der extrem steilen Fahrbahnen. Sonst nicht! Hier ist auch der Hund begraben. Nach 10 Minuten haben wir alles gesehen und steuern die Brewery an, die ich eben ausgemacht habe. Cocktail für Gabi, leichtes Bier für mich, Pizza für uns beide. Lecker, günstig, schöne Kneipe!

Zurück im Motel schauen wir noch kurz in das riesige Casino hinein. Unfassbar, diese Menge an Glücksspielgeräten. Roulette etc. geht aber natürlich auch. Wir machen ein Foto und sind nach weniger als 10 Minuten wieder raus. Das ist nicht unsere Welt, ich kann hiermit überhaupt nix anfangen und Gabi auch nicht. Sehr gut so. Denn auch diese Casinos versprechen vielen das „Field of Glory“ - und sind dann am Ende deren Untergang.

Gute Nacht, das war ein Tag mit einem ernsten Thema, welches aber unbedingt zu einer Reise durch die Südstaaten dazu gehört. Morgen wird der Blues-Highway seinem Namen alle Ehre und uns viel Freude machen (hoffe ich sehr)!

Tagesetappe: 228 Kilometer
Übernachtung: WaterView Casino & Hotel by Wyndham, 3990 Washington St., Vicksburg, MS 39180

Hangin' around

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Gabi und Jim am "Under the Hill Saloon", Natchez, Mississippi

Wir haben super geschlafen in unserem palastähnlichen Cottage. Es ist schon wieder eine Stunde später als gewohnt - es gilt ab heute Nacht die „daylight saving time“ (Sommerzeit). Passend dazu hat sich die Sonne bestens herausgeputzt und begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel. Das sieht nochmal schöner aus und wir drehen eine weitere Rund durch „unseren“ tollen Garten. Dabei lässt sich auch Herr Pfau portraitieren und der zweite spannt sogar seinen Kranz auf. Auch die Vogelhäuser haben Format - das vergaß ich gestern zu erwähnen.

Frühstück gibt es im „The Dixie Cafe“, das auch seine ganz eigene Atmosphäre verströmt. Ich lasse es mir deftig schmecken. Neben Rührei mit Käse und Tomaten überbacken gibt es knusprigen Bacon, diese typisch scharfe Südstaatenwurst (wie Chorizzo, aber schmaler), kräftig gewürzte Bratkartoffeln, jede Menge Shrimps, frisch gepressten O-Saft und Kaffee. Ich zwinge ,mich, bei einer Portion zu bleiben - die Fritten und frittierten Shrimps von gestern Abend sättigen immer noch.

Auf dem Rückweg zum Cottage skypen wir mit Vater, der so auch einen Live-Eindruck von dieser tollen Anlage erhält. Schnell sind die Sachen gepackt - es ist dennoch bereits kurz nach 10:00 Uhr, als wir rollen.

Gleich zu Beginn: Blaulicht auf dem Highway - ist etwas passiert? Nö, es ist Sonntag und es fahren so viele Autos auf den Parkplatz zum Gottesdienst, dass die Polizei das begleitet.

Auf dem Programm steht zunächst mal ganz unspektakulär ein Besuch des winzig kleinen Städtchens St. Francisville. Dieses war einst ein wichtiges Zentrum der Baumwollplantagen des Südens und hatte auch als Umschlaghafen seine Bedeutung. Die durch den Bürgerkrieg kaum beeinträchtigte Stadt hat sich ihren lieblichen Charakter und das für eine Südstaatenstadt typische Erscheinungsbild erhalten. Schön ist es heute, durch die restaurierte historische Innenstadt (Ferdinand/Commerce St.) zu schlendern. Dabei kann ich nicht anders, als diese schönen Häuser abzulichten. Wir fangen einen coffee to go im Magnolia Cafe und können so gleich auch mal die Restroom benutzen.

Etwas weiter nördlich biegt links der Highway #66 ab; es ist nur ein kurzer Abstecher zur Greenwood Plantation, bekannt aus „Fackeln im Sturm“. Bei der Anfahrt bitte ich Siri, die Titelmelodie zu spielen und wir sind bester Stimmung. Leider kann man die Plantation nicht ohne Voranmeldung besuchen und weiter als bis zum Tor kommen wir nicht. So erhaschen wir auch keinen Blick auf das schöne Haupthaus, in dem (filmisch) die arme Madelaine von Fiesling David Carradine gequält wurde. Egal - der Weg ist das Ziel und die schöne Gegend entschädigt uns locker.

Wieder auf dem Blues-Highway #61 dauert es nicht lange, bis wir die Staatengrenze nach Mississippi erreichen. Schöne Staatenschilder etc. mit Texten, die wir für unsere „Sammlung“ gut gebrauchen können. Als wir morgens auf die #61 aufgefahren sind, meinte Gabi, es sei Zeit für „Still got the Blues“ von Garry Moore. Siri erfüllt alle Musikwünsche und im weiteren Verlauf unterhält uns der gute Eric Clapton.

Kurz vor Natchez steht rechts am Highway „Mammy’s Cupboard“, ein aus Reiseführern bekanntes Mini-Cafe in der Bauform einer Dame.

Und schon sind wir in Natchez, das viel kleiner, gemütlicher und schöner rüber kommt als wir erwartet haben. Unser historisches Hotel zu finden ist ein Klacks. Leider ist es noch eine Stunde zu früh zum Einchecken und hier machen sie keine Ausnahme. Kein Problem, kurz Google Maps aufgerufen und geschaut, was geht. Um die Ecke ist die Natchez Brewing Company zu Hause - ein super Programmpunkt zur Überbrückung. Es ist schließlich Sonntag. Auf dem Weg passieren wir schöne Gebäude und bunte Blumen. Die Natur scheint hier weiter zu sein. Gut!!

Am Natchez City Auditorium, einem ebenfalls imposanten Gebäude wird die Rassentrennung problematisiert: „Proud to take a stand“ - „stolz gegen Rassismus aufzustehen“. Die Brewery ist ein cooler Ort, ganz nach meinem Geschmack - auch optisch. Alles ist sehr offen und man kann auch draussen sitzen bei dem super Wetter. Deutsche Zutaten werden in Säcken unter der Decke gelagert. Gabi nimmt wie immer ein Cider und ich bekomme meine erste „Flight“, wobei ich selbst bestimmen darf, womit die 4 Probiergläschen befüllt werden. Ich entscheide mich für ein leichtes („Bluff City Blonde“), ein Weizen mit Erdbeergeschmack („Wheat Willy on strawberries“), ein hazy IPA („Capitol“) und ein Coconut-Porter („cast away“). Lustig werden sie serviert in kleinen Schraubgläsern, die wir von zu Hause kennen: da ist sonst Pizzasoße drin, Heiner wird sich schütteln. Wir hängen rum (was hier nicht abwertend aufgefasst wird - „just hang a little bit around“ meint einfach: „lass es dir gut gehen und warte etwas“).

Jetzt gehen wir noch ein paar Schritte zum Mississippi, der eindrucksvoll breit daher fließt. Ein Schild an einer kleinen Bar spricht mich an: „The Little Easy“. Ich hatte ja gestern schon geschrieben, wie toll ich NOLA („The Big Easy“) fand und dennoch das Gefühl habe, wir gehören eher ins Dorf und die Natur. Das wird heute eindrucksvoll bestätigt und „The Little Easy“ passt perfekt zu diesem Tag.

Die Mainstreet hoch, auch hier: schöne Gebäude und ein Schild mit einem Spruch von Martin Luther King, der auch heute (oder gerade heute wieder) seine Bedeutung hat.

Es ist 15:30 Uhr, wie checken ein und bekommen das zu Hause schon ausgesuchte historische Zimmer - denn hier ist jedes anders und du kannst aussuchen, wie du wohnen möchtest. Historisch halt. Passt zum Reiseverlauf - ab morgen wohnen wir aber wieder „normaler“.

Jetzt ist das Tagebuch bis hierher schon fertig und heute Abend habe ich etwas weniger zu tun. Aber jetzt gehen wir auf jeden Fall noch runter zum Fluss. Die Silver Street („Natchez Under the Hill“) soll toll für den Sonnenuntergang sein, ebenso die Promenade am „Broadway“. Im „Under the Hill Saloon“ hängen historische Fotos aus! Da könnten wir ja auch hinein schauen, mal sehen.

Ich schau mal, wo Gabi steckt - die ist vor einiger Zeit verschwunden. Ich finde sie auf dem großen Etagenbalkon im Liegestuhl. Da geselle ich mich mal dazu.

Der Weg hinunter zum Fluß ist später schnell gefunden - auch hier ist alles viel übersichtlicher, als gedacht. Eine ganze Reihe Leuten jeden Alters hängen draußen vor dem Saloon herum, manche am Zaun gegenüber, manche bei ihren Harleys, andere an ihrem Truck. Ich gehe hinein und beschaffe eine Flache Cider und eine Flasche Bier („Southern Pecan - The original Pecan Nut Brownale, ale brewed with roasted pecans). Es sieht so aus, als gäbe es auch Live-Musik. Auf kleinster Fläche stehen ein Drumset, ein Bassist und zwei Gitarristen.

Als ich wieder vor den Saloon trete traue ich meinen Augen kaum: Gabi im angeregten Gespräch mit zwei älteren Herren. Na dann störe ich mal nicht, reiche ihr das Cider und gehe ein paar Fotos schießen. Dabei komme ich ins Gespräch mit einem super netten Typen, der auch eine Nikon hat - aber was für eine: Die nagelneue Nikon Z9, das Flagschiff unter den spiegellosen Nikons. Er hat das gleiche Objektib drauf wie ich, aber eben aus der neuen Z-Serie. Respekt!! Ich darf ein wenig herumprobieren und und bin beeindruckt. Ganz andere Nummer. Nunja, fiftyfive hundrets bucks für allein den Body - das kostet das gute Stück bei uns in Euro. Dafür 45 Megapixel - und extrem hoher Dynamikumfang. Er erzählt, dass er viel Sportfotografie macht, Baseball und so. Dabei schießt er mit dem Teil schon mal 120 Bilder pro Sekunde (!).

Zwischendurch kommt auch der Norweger vorbei, der bei uns im Hotel im Nebenzimmer wohnt und der von Miami Beach nach LA fährt und unterwegs in Vegas seine Frau treffen will. Wir hatten ihm im Hotel mit einigen Hinweisen zu New Mexico, Arizona und Utah helfen können. Wir grüßen uns, als würden wir uns schon ewig kennen.

Nach einer Weile stelle ich fest: wir hängen, inzwischen bei der jeweils zweiten Pulle angekommen, genau so hier rum wie die Locals. Die Harleys knattern mit viel Spektakel davon, es folgt ein Pickup mit noch mehr Radau. „700 Horses“ raunt mir mein Nachbar zu - Hammer, 700 PS!

Ich stelle ganz sachlich fest, wie sehr mir dieses „hangin’ around“ hier gefällt. Ich blicke auf den Mississippi in der Abendsonne, in der Hand eine kleine Pulle Bier, neben mir Gabi und die netten Typen - wir reden über Gott und die Welt, oder gucken einfach mal ein Loch in die Luft. So cool, dieses „hangin’ around“ - ein toller Moment, der mit einer ganzen Portion Dankbarkeit echt zu Herzen geht.

Drinnen gibt die Band alles und die können wirklich was. Schönes Programm, Pink Floyd, viel Blues, aber auch Santana, Jimi Hendrix und Konsorten. Flinke Finger, trotz des Alters. In einer Pause quatsche ich mit dem Bassisten, der gleich „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash für mich spielen will. Jim und Gabi sind mir jetzt auch an die Bar gefolgt und Jim gibt mir noch ein „Pecan“ aus: „Don’t sorrow, I’ve enough money for the rest of my life - if I’ll die on tuesday, haha!“ Jim trinkt Cognac auf Eis aus einem Styroporbecher - die seien hier recht großzügig mit den Spirits. Stimmt, der Becher wird bis oben gefüllt.

Er ist echt ein freundlicher, stiller, älterer Herr, der Jim. Eigentlich kommt er aus Michigan, wo sein Haupthaus steht - auch historisch aus dem Jahr 1889. Das ist im im vergangenen Jahr fast komplett abgebrannt und nun muss er sehen, was er damit macht. Zeitweise lebt er hier in Natchez. Da kommt ein weiterer Gast - er würde jetzt tanzen, wenn ich mag könnte ich mit meiner coolen Kamera mal ein paar Bilder von ihm machen. Das geht natürlich nur mit viel Unschärfe, so wie er hopst und bei der Dunkelheit hier.

Nach über zwei Stunden inmitten dieser feinen, coolen Community müssen wir aufbrechen. Wir hätten schon vor längerer Zeit Abendessen wollen. Nun landen wir im „Bisquits and Blues“ auf der Mainstreet - auch eine Empfehlung von Jim. Ribs mit Bohnen und Cole Slaw für mich, Nudeln mit Hühnchen und Pilzen in cremiger Soße für Gabi. Rappelvoll ist die Bude hier, glücklicherweise waren wir noch nicht zu spät.

Viel zu spät ist es jetzt wieder. Hätte nicht gedacht, doch noch so lange zu schreiben und an den Fotos zu werkeln. Jetzt noch einbauen und ab ins Bett - Gabi liegt schon und da gehöre ich jetzt gleich auch hin. Was war das für ein schöner Tag. Die 2 Stunden am Saloon „under the hill“ werde ich nie vergessen. Gute Nacht!

Tagesetappe: 224 Kilometer
Übernachtung: The Guest House Historic Mansion, 201 N. Pearl Street, Natchez, MS 39120

© 2024 Gabi & Jürgen