Tagebuch




Fields of Glory ...

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Jürgen am "Battlefield", Vicksburg National Military Park, Mississippi

Das Frühstück im „The Guest House Historic Mansion“ wird nicht als Buffet gereicht sondern kommt passend zur Ausstattung klassisch daher. Bedienung an den Tisch, Menüauswahl, echte Kaffeebecher, Gläser, Porzellan, Stoffservietten. Wir genehmigen uns diesmal beide die herzhafte Variante: 2 Rühreier, Käse, Bacon, Hashbrowns, Kaffee, O-Saft. Damit kommen wir bis in den Abend.

Schnell sind wir wieder auf den Blues-Highway #61, über den die heutige Strecke komplett führt. Der Streckenabschnitt ist sehr reizvoll; die Gegend wird deutlich hügeliger - in Wellen geht es den Highway hinauf und hinab.

Port Gibson ist eine kleine, liebliche Stadt, die dank der Gutmütigkeit von General Grant („So etwas Schönes darf man nicht niederbrennen“) den Bürgerkrieg unbeschadet überstanden hat. Am Wegesrand liegen wieder viele schön zurechtgemachte Häuser und Baumriesen. Auffällig sind aber auch hier wieder die zahlreichen Kirchen.

Mitten in Port Gibson biegen wir links ab, denn der erste Abstecher steht an. Der Weg allein lohnt - er führt über einen sehr reizvollen und einsamen Straßenabschnitt, gesäumt von Baumwollfeldern (die aber noch nicht bestellt sind und daher nur braunes Gestrüpp aufweisen) und auf den letzten Meilen wucherndem Kudzu-Efeu. Der ist aktuell auch grau. Wenn wir uns vorstellen, wie der in einigen Wochen saftig grün daherkommt - das ist bestimmt ein prächtiges Bild.

Der „Grand Gulf Military State Park“ erinnert an die Zeiten großer Schlachten während des Bürgerkrieges. Wir sind komplett alleine hier, die Rangerin erzählt uns etwas. Außerdem gibt es historische Artefakte in dem Museumsgebäude. Gruselig, sich vorzustellen, dass mit diesen Bajonetten und Säbeln hier höchstwahrscheinlich vor 150 Jahren Menschen getötet wurden. Gleiches gilt für die Schießeisen.

Draußen erkunden wir dann das Gelände. Eine kleine Kirche hat sogar eine historische Orgel, die aber funktionsuntüchtig sein dürfte - so wie die Tastatur beschaffen ist. Vor dem Stallschuppen gegenüber steht ein historisches Feuerwehrfahrzeug, drinnen Kutschen, Leichenwagen und ein historischer RTW, Aufschrift: „Original civil war ambulance Wagon - only one to have seen service in the war 1862“. Wieder ein Stück weiter: der Jail mit original Eisenkäfig im Gebäude. Hier möchte ich auch nicht eingesperrt sein. Mit dem Auto fahren wir die weiteren Punkte an: alter Friedhof und Aussichtsturm, der luftig daherkommt, ein wenig Frühsport abverlangt, aber nicht viel Aussicht zu bieten hat.

Das ehemalige Hafenstädtchen Grand Gulf direkt nebenan hat im Verlauf der Geschichte alle denkbaren Katastrophen ereilt: Überschwemmungen, Versandung des Mississippi, Epidemien (Gelbfieber und Cholera), Feuersbrünste, Verwüstung durch Tornados und die vollständige Zerstörung während des Bürgerkrieges, als die Unionstruppen hier über den Mississippi setzen um dann nach einer schweren Schlacht um Port Gibson weiter nach Jackson und schließlich gen Vicksburg marschieren zu können. Zugewachsene Schützengräber und zahlreiche Schilder erinnern im Wald an die Ereignisse von damals. Gespenstisch!

Wir fahren den Weg zurück nach Fort Gibson, um dann noch einmal abzubiegen. Der Weg ist super kurvig und hügelig, eine Achterbahnfahrt durch zugegeben sehr schönen Wald. 10 Meilen westlich der Stadt finden wir dann die „Windsor Ruins“. 23 korinthische Säulen sind alles, was von dem ehemals größten Plantagenhaus des Südens übrig geblieben ist. Das erst 1860 erbaute Haus fiel bereits 1890 den Flammen zum Opfer. Aktuell wird das baufällige Areal restauriert und ist komplett gesperrt. Wir haben Glück, denn gerade wird der Rasen gemäht. Man ist so nett und lässt und ein paar Fotos schießen, in das Gelände rein dürfen wir nicht - zu gefährlich. Auch hier mach dieser graue Kudzu-Efeu die Landschaft unwirklich.

Wieder zurück auf dem Highway #61 geht es weiter gen Norden. Kurz vor Vicksburg müssen wir mal wieder tanken - immer noch sehr günstig (2,889 $/GAL).

Nun steuern wir das Vicksburg National Military Park/Battlefield Museum an, in dem wir über 2 Stunden verbringen werden. Es ist unserer erster National Park auf dieser Reise. Der Jahrespass lohnt sich auch nach Ansicht des Rangers hier im Südosten nicht.

Auch in Vicksburg florierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Baumwollhandel; die günstige Lage an einer Biegung des Mississippi war sehr vorteilhaft für die Stadt.

Am Eingang des NP befindet sich das Visitor Center mit dem Museum des Parks. Ich bespreche mich mit dem Ranger, er weist auf einige Besonderheiten hin (Straßensperrungen, wie wir fahren sollten etc.) und ich erkläre ihm kurz, was ich über die Bedeutung der Schlacht bei Vicksburg zu wissen meine. Er bestätigt, dass ich richtig informiert bin - auch daran ist „Fackeln im Sturm“ nicht ganz unschuldig. Ein 18-minütiger Film und eine gelungene Ausstellung mit originalen Ausgrabungs- und Schaustücken aus Kriegszeiten erläutern uns in Kürze die Geschichte des Krieges und den Schlachtverlauf bei Vicksburg, wo sich damals 110.000 Soldaten gegenüberstanden, davon 80.000 auf Seiten der Nordstaaten.

Vor uns liegt jetzt eine ca. 15 Meilen (knapp 25 km!) lange Rundstrecke über das riesige Gelände (quasi das „Schlachtfeld“) mit zahlreichen Stops, unzähligen Gedenktafeln, Denkmälern, Heldenstatuen, Gebäuden, Kanonen etc. Zuerst fahren wir an den Stellungen der Unionstruppen vorbei. Immer wenn die Plätze diese Partei betreffen, sind die Schilder blau. Es ist beklemmend, sich vorzustellen, welches Leid diese Landschaft gesehen haben muss. Dabei ist sie so schön: hügelig, saftiges Gras, schöne Bäume. Ich sehe aber vor meinem geistigen Auge die Unionstruppen immer wieder gegen die Stellungen der Konföderierten anrennen, Menschen schreien und verwundet oder tödlich getroffen zu Boden fallen. Der Film von eben wirkt noch nach.

Das „Illinois Memorial“ hat eine große Treppe zu einer riesigen weißen Kuppel zu bieten. Innen wird an Generäle und Anführer aus Illinois erinnert, alles sehr schlicht und mit sagenhafter Akustik. Wir sind auch hier allein, es ist gerade mal keine Busladung angekommen. Gabi singt und es klingt extrem voluminös zurück. Hier verbringen wir etwas Zeit.

Auf dem Vicksburg National Cemetery, dem größten Bürgerkriegsfriedhof, sind 17.000 Menschen begraben, davon 13.000 unbekannt. Grabsteine bis zum Horizont. „Die meisten waren bestimmt Jüngskes!“ meint Gabi. Es waren aber damals alle Altersgruppen aufgerufen und dabei. Wie viel Leid hat dieser Krieg über die Familien gebracht? Totaler Wahnsinn!! „Totaler Wahnsinn“ war meine Idee für den Titel dieses Tagebucheintrages - passt meines Erachtens zu jeder Art von Krieg. Als wir so durch den Park fahren singt dann die unvergleichliche Eva Cassidy „Fields of Gold“ von Sting. Wer die Aufnahme nicht kennt (besonders die Akustikfassung!), sollte sie unbedingt mal anhören. So schön, so traurig. Und sie singt auch von den „Fields of Glory“ - das passt perfekt zu diesem Tag und den Schlachtfeldern, die wir heute gesehen haben.

Neben dem Friedhof liegt das USS Cairo Museum, wo ein wieder ausgegrabenes Kanonenboot aus dem Bürgerkrieg zu besichtigen ist. Das mit Wasserdampf und Schaufelrad angetriebene Boot ist zu allen Seiten mit Kanonen bestückt und zum Teil mit dicken Eisenplatten vor feindlichem Beschuss geschützt. Zum Schluss geht es noch an den Stellungen der Konföderierten entlang (rote Schilder).

Das Schicksal hier in Vicksburg wurde insbesondere durch den Bürgerkrieg bestimmt. 1863 belagerten die Truppen der Nordstaaten unter General Grant die Stadt 7 Wochen lang, bevor sie sich am 04.07.1863 ergab. Am Ende aßen die armen Menschen hier Ratten und Katzen, weil es nichts anderes mehr gab. Mit dem Fall von Vicksburg und der gleichzeitigen Niederlage bei Gettysburg am 03.07.1863 war der Krieg entschieden. Im Osten wurde die größte Südstaatenarmee zerschlagen und bei Vicksburg der wichtigste Nachschubweg abgeschnitten. Der Mississippi war nämlich die Lebensader der Konföderierten Armee. Nur so konnten sie mit wichtigem Nachschub aus nördlichen Staaten versorgt werden, die sich nur halbherzig der Unionsregierung unterordnen wollten. Mehr kann ich hier nicht beschreiben - die Informationen im Detail gehen zu weit.

Nur soviel noch an persönlicher Bemerkung: es waren 1860 die üblichen Zutaten für einen Krieg: „Rot“ (Unionstruppen der Vereinigten Staaten unter Präsident Abraham Lincoln) kämpft gegen „Blau“ (Konföderierte Südstaaten). Rot gegen Blau habe ich 1982 auch bei der Bundeswehr gespielt - genau so gruselig. Da stellte die NATO die „blauen“ - die „roten“ waren die Russen. 1860 fühlte sich „blau“ unfrei, gegängelt von der Union und wollte seinen Wohlstand (insbesondere das Recht auf Sklavenhaltung als Grundlage für diesen Wohlstand) behalten. Rot wollte die „Union“ retten und die Sklaven befreien. Noch ein paar kampfeswillige „Politiker“ dazu, Stimmung in der Bevölkerung aufheizen, kräftig umrühren und schon bringen sich Brüder, Nachbarn, Freunde gegenseitig um. Wer hat Recht? Wie immer im Krieg: niemand. 1863 hat „rot“ gewonnen. Frei waren die Sklaven zwar fortan formal - in den Köpfen ist die Rassentrennung aber vielfach auch heute nicht überwunden. Und auch heute noch bekriegen sich auf der Welt Menschen auf bestialische Weise - und wissen wahrscheinlich vielfach garnicht, warum eigentlich. „Totaler Wahnsinn!“

Wir steuern nun unser Hotel an. Gestern hatte ich noch geschrieben, das es wieder „normal“ wird. Da hatte ich ganz vergessen, dass wir uns für heute in Vicksburg in einem Casinohotel direkt am Mississippi eingebucht haben. Einigermaßen günstig, super Zimmer.

Wir fahren aber gleich nochmal los, weil wir noch Downtown sehen und etwas essen wollen. Dabei finde ich eine abenteuerliche Route, die z.T. über Schotterstraße, an zig „Lost Places“, stillgelegten Eisenbahnwagons vorbei und über ein Betriebsgelände führte - wir sind aber durch- und angekommen.

Downtown erinnert etwas an San Francisco - wegen der extrem steilen Fahrbahnen. Sonst nicht! Hier ist auch der Hund begraben. Nach 10 Minuten haben wir alles gesehen und steuern die Brewery an, die ich eben ausgemacht habe. Cocktail für Gabi, leichtes Bier für mich, Pizza für uns beide. Lecker, günstig, schöne Kneipe!

Zurück im Motel schauen wir noch kurz in das riesige Casino hinein. Unfassbar, diese Menge an Glücksspielgeräten. Roulette etc. geht aber natürlich auch. Wir machen ein Foto und sind nach weniger als 10 Minuten wieder raus. Das ist nicht unsere Welt, ich kann hiermit überhaupt nix anfangen und Gabi auch nicht. Sehr gut so. Denn auch diese Casinos versprechen vielen das „Field of Glory“ - und sind dann am Ende deren Untergang.

Gute Nacht, das war ein Tag mit einem ernsten Thema, welches aber unbedingt zu einer Reise durch die Südstaaten dazu gehört. Morgen wird der Blues-Highway seinem Namen alle Ehre und uns viel Freude machen (hoffe ich sehr)!

Tagesetappe: 228 Kilometer
Übernachtung: WaterView Casino & Hotel by Wyndham, 3990 Washington St., Vicksburg, MS 39180

A lot of water

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Jürgen am Beach von Alligator Point, Florida

Das „Americas Best Value Lake City“ ist nun wirklich nicht die allerbeste Empfehlung - es tat aber seinen Zweck. Und ich werde es allein deshalb nie vergessen, weil ich um Mitternacht im Schlafanzug draussen vor der Tür auf dem Parkplatz (um Gabi nicht zu stören) ein sehr wichtiges dienstliches Telefonat führen musste. Angezeigt war eine kollegiale Beratung anlässlich des schrecklichen Brandes in einem Seniorenheim in Bedburg-Hau. Anschließend fällt das Einschlafen naturgemäß nicht leicht. Meine Gedanken sind bei den betroffenen Familien, den Pflegekräften (die sicherlich Schlimmes durchgemacht haben) und natürlich bei den Einsatzkräften von Rettungsdienst, Feuerwehr, Kreisleitstelle und Polizei sowie meinen Kolleginnen und Kollegen der Kreisverwaltung, die sich jetzt gerade den damit verbundenen Herausforderungen stellen.

Wir sind in Florida und die Sonne scheint (noch). Vor uns liegt ein Tag mit einem sehr abwechslungsreichen Programm. Dabei spielt jede Menge Wasser eine Hauptrolle. Frühstück kann man den Kaffee und die Muffins mit ergänzendem Obst nicht wirklich nennen, was im Motel angeboten wird. Aber ich habe ja einiges zuzusetzen, wie die Fotos zeigen - Mann o Mann, so schlecht „in Shape“ war ich lange nicht mehr. Die wochenlange Erkältung ohne Sport hat seine Spuren hinterlassen. Aber versprochen: nach unserer Rückkehr werde ich das Peloton-Bike sehr intensiv nutzen - meine Community von „Spin to Slim“ und „RockGoesPeloton“ wartet nur darauf, mich wieder herauszufordern.

Nach wenigen Meilen erreichen wir den Suwannee River State Park. Eintritt 5,00 $ - das passt! Tickets gibt es nicht, nur eine Art „Opferstock“, in die ich den Schein zwänge - nicht ohne zuvor darauf unser Kennzeichen und das Datum notiert zu haben (falls mal jemand fragt). Hier ist niemand anzutreffen, nur die Vögel zwitschern. Das ist eine sagenhafte Atmosphäre, die wir sehr genießen. Wir gehen den „Suwannee River Trail“ und den „Lime Sink Run Trail“, beobachten die großen Raubvögel, die hier kreisen und auch „Woody Woodpecker“, der seinen Schnabel gegen die Baumrinde hämmert. Zu weit weg zum fotografieren - aber ein tolles Erlebnis. Wie gestern schon hängen auch hier einige Angelhaken mit „Schwimmer“ in den Bäumen - Angler aufgepasst!

Das ist hier ein wunderbares Gebiet zum Erholen abseits der Trampelpfade des Massentourismus. Der Suwannee River ist übrigens ein vielbesungener Fluss; er entspringt in den Okefenokee Swamps in Georgia, die wir gestern besucht haben; er schlängelt sich durch wilde Zypressenwälder. Das war ein super Stop!!

Mit zwischenzeitlichem Tankstop und einem „Crispy Chicken Sandwich“ für den kleinen Hunger zwischendurch erreichen wir gegen 12:45 Uhr den „Edward Ball Wakulla Springs State Park“. Die Quellen gehören zu den größten Süßwasserquellen der Welt (!). Deren Austritt liegt 55 m unter der Wasseroberfläche; hier sprudeln pro Minute (!!) 2,5 Million Liter Wasser (!!) aus einem Erosionstrichter und bilden eine seeähnliche Wasserfläche, die nun vor uns liegt. Unfassbar!

An den Ufern stehen mit spanish moss behangene Baumriesen. Die dazugehörige Lodge kann sich sehen lassen. Eine Bootstour wäre nur um 15:00 Uhr möglich, was uns zu spät ist. Satt dessen nehmen wir lieber zwei Trails in Angriff, die uns durch den Urwald führen: der Hammock Spur Trail und ein kleines Stück des insgesamt 6 Meilen langen Sally Ward Trails geben uns nochmals Ruhe, das Gefühl, komplett alleine auf der Welt zu sein und eins mit der Natur zu werden. Schön zu wissen, dass Johnny Weißmüller hier seine Tarzan-Filme gedreht hat - das macht die Wanderung noch mystischer - ein weiterer Movie-Spot.

Es ist Nachmittag geworden und wir steuern nun unser Motel in Carravelle an. Einen kleinen Umweg gönnen wir uns noch, denn unsere Ankunft an der Küste des sog. „Panhandle“ (Pfannenstiel) von Florida muss gebührend begangen werden. Bislang haben wir unser Planung fast immer 1:1 umsetzen können - so auch heute. Wir fahren noch ein paar Meilen zur Ortschaft „Alligator Point“. Hier finden wir typische Florida-Strandhäuser in den gewohnten Pastellfarben. Sehr nobel liegen sie aufgereiht am weißen Sandstrand. Die Häuser in zweiter Reihe dürfen auch mal extravagant daher kommen.

Nun weiß ich auch, warum die Leute hier so große Autos benötigen. Es ist schon beeindruckend, wie vollständig ausgerüstet man hier den Tag am Strand verbringt. Vom Zelt über den Windschutz, halber Küche und Drohne inklusive Landeplatz ist alles dabei. Über allem schwebt aber der Flair von Nichtstun und „relaxed“ sein - und das bei blauem Himmel - herrlich!!

Am Motel in Carrabelle schaue ich mal kurz auf den Wetterbericht für morgen - gar nicht gut! Regen und Gewitter entlang der gesamten Küste. Das wird schwierig, aber übermorgen ist schon wieder alles gut.

So nutzen wir die sonnige Zeit, die uns heute noch bleibt. Warm genug ist es mit schwülen 25 Grad ohnehin und die kurzen Hosen bleiben in den nächsten Tagen Programm. Ab mit dem Auto die 1,3 Meilen zurück in den „Ortskern“. In Harry’s Bar trinken wir Bier vom Fass und Cider in einer Art Biergarten. Hinten in der Ecke schrummeln eine Dame und ein Herr (ebenfalls Gäste) auf zwei Gitarren. Am Nebentisch, gut 4 Meter entfernt, sitzen zwei amerikanisch-kanadische Paare, die sich mit uns lautstark unterhalten. Im Hintergrund dudelt noch (zugegeben schöne) Musik. Dazu piksen uns winzigkleine Mosquitos, die kaum zu sehen sind, aber richtig gut beißen können. Klasse, so mögen wir das!

Letzter Stop des Tages: „Morning Bite Restaurant“. Hier an der Küste dürfen es auch mal Meeresfrüchte sein. Ich entscheide mich für „Shrimps Grids“, ein typisches Südstaatengericht mit Schrimps und einer Art Polenta, die sehr „spicy“ gewürzt ist. Schmeckt mir richtig gut. Gabi hat Chicken (die könnten ja theoretisch auch schwimmen) mit Nudeln.

Wir haben eine Menge Wasser gesehen heute. Ich kann die Menge, die diese Quelle bei Wakulla Springs erzeugt, immer noch nicht fassen. Ich hatte das aber zu Hause schon recherchiert und es wurde heute bestätigt. Darauf jetzt noch einen Becher Wein - das beste „Wasser“ ever und dann folgt eine hoffentlich gute Nacht. See you!!

Tagesetappe: 298 Kilometer
Übernachtung: Franklin Inn, 1589 Highway 98 West, Carrabelle, FL 32322

Gator Day

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Gabi am Eingangsschild zu den Okefenokee Swamps, Georgia

Das Best Western Motel auf der schönen Insel St. Simons liegt in einer Art „Wohngebiet“ - oder soll ich es besser „Reservat“ nennen? Es liegt jedenfalls sehr schön und vor allem ruhig, was uns auch eine gute Nacht beschert. Das Frühstück ist gut (amerikanisch) inklusive Wahlkampf im TV.

Wir haben heute nur ein Ziel: die „Okefenokee Swamps“, die sich ca. 90 Fahrminuten südwestlich von uns befinden. Das riesige Sumpfgebiet hat zwei Zugänge: einen westlichen und einen östlichen. Da wir von der Küste kommen ist klar, dass wir in jedem Fall das westliche Gebiet rund um die Suwannee River Recreational Area besuchen. Wieder geht es über die riesige Brücke bei Jekyll Island und dann den gesamten Tag (und damit rd. 300 Kilometer) immer geradeaus. Bremsen ist fast überflüssig - manchmal abbiegen, dann wieder meilenweit laufen lassen. Das erzeugt geringe Drehzahlen und somit einen erfreulich günstigen Spritverbrauch. Ich schaffe es heute auf bisher unerreichte 39,9 Meilen/Gallone (wer Zeit und Lust hat könnte das mal umrechnen in Liter auf 100 km - dafür habe ich leider keine Zeit). Das ist aber sehr günstig!

Der Tagespass für das gesamte Gebiet kostet 5,00 $/Auto. Auch das ist ein Schnapper. Apropos: Alligatoren werden heute die Hauptrolle spielen, denn wie Ingrid uns schon zu Recht mitgeteilt hat: hier leben viele Cousins und Cousinen von den lieben Alis und Gators aus dem Caw Caw Interpretive Center, das wir am vergangenen Donnerstag besuchten.

Im Visitor Center lernen wir Mason kennen, einen jungen Mann, der heute unser Tourguide sein wird. Um 12:00 Uhr startet nämlich eine 90-minütige Bootstour, die er leitet und an der wir teilnehmen wollen. Da wir noch eine gute Dreiviertel Stunde Zeit haben, nehmen wir zum Aufwärmen schon mal den „Cane Pole Trail“ unter die Füße. Gemütlich spazieren wir am Kanal entlang - es ist schließlich Sonntagmorgen. Und dabei entdecken wir auch schon die ersten beiden Alligatoren, allerdings noch etwas weiter weg. Der erste von den beiden liegt fotogen in einer Art „Durchgang“.

Es ist 12:00 Uhr und pünktlich startet unser Boot, das außer uns noch 2 amerikanische Paare nutzen. Klasse, zu sechst sind wir eine kleine Gruppe und haben viel Platz an Bord. Mason erklärt sehr viel und ist stets darauf bedacht, uns die Schönheit der Landschaft, aber natürlich auch die Alligatoren, Schildkröten, Vögel etc. nahe zu bringen. Dabei achtet er peinlich genau darauf, diese nicht zu stören. Klappt: Motor immer wieder mal ausmachen, treiben lassen, nicht zu nahe heran die die Tiere. Finde ich gut, denn wir kommen denen trotzdem sehr nahe. Klasse Tour!

Das Wort „Okefenokee“ stammt aus der Sprache der Hitchiti-Mikasuki-Ureinwohner und bedeutet so viel wie „bebende Erde“ (weil auf dem schwarzen Wasser alles bei der kleinsten Bewegung zu „beben“ scheint). Es handelt sich mit den 630 Quadratmeilen um den größten Schwarzwasser-Sumpf in Nordamerika und eines der weltweit größten intakten Frischwasser-Ökosysteme. Eine Durchquerung von Ost nach West per Kanu und Zeltausrüstung (eine dieser Abenteurer begegnen uns auf unserer Tour) dauert 4-5 Tage. 10.000 bis 13.000 amerikanische Alligatoren leben hier - und bestimmt 30-40 davon haben wir heute gesehen. Es gibt aber auch diverse Schlangenarten (die größte ist die Indigo Snake mit über 2 Metern Länge), Bobcats, Schwarzbären, viele, viele Vogelarten und mehr.

Das Wasser ist so schwarz, weil sehr viele Blätter und andere organische Substanzen dort von Mikroorganismen zersetzt werden und als Schwebstoffe alles schwarz färben. Das Wasser fließt außerdem kaum und ist auch recht sauer, was einen sehr speziellen Lebensraum erzeugt.

Mich begeistern die wahnsinnigen Spiegelungen, mir wird manchmal richtig schwindelig, weil ich die Grenze zwischen „oben“ und „unten“ oft gar nicht mehr richtig zuordnen kann. Ich finde auch die Zypressen mit ihrem „Elefantenfuß“ richtig gut. Oft halte ich die Kamera knapp über die Wasseroberfläche, um einen tiefen Blickwinkel „auf Augenhöhe“ mit den Alligatoren zu bekommen. Ist ganz gut gelungen, finde ich.

Der Kanal, auf dem wir zunächst fahren, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Suwanee Canal Company errichtet. Die haben hier fast alle Zypressen gefällt, Macon spricht von mehreren Millionen (oder sogar Milliarden?) Längenmetern. Um das Holz besser abtransportieren zu können, haben sie diesen schnurgeraden Kanal gebaut, durch den wir heute fahren. Später biegen wir aber noch ab und erreichen die „Prairie“ - eine weite, offene Wasserfläche mit Wasserlilien und „never wet“-Pflanzen, deren Blätter tatsächlich niemals nass werden können, weil Wasser komplett abperlt. Die sehen gut aus mit ihren gelben (für mich an Anthurien erinnernden) Blütenständen.

Hier finden wir einige besonders fette Exemplare der Schnappmäuler und auch pflanzliche „Kollegen“, die Insekten „schnappen“ und nicht mehr loslassen. Immer wieder sehen wir auch die verschiedensten Vögel am Ufer.

Das hat uns so gut gefahren, dass wir die Option, auch den östlichen Abschnitt des Parkes zu besuchen, trotz des Umweges gerne in Angriff nehmen. Zur Stärkung lassen wir uns noch 2 Tuna-Sandwiches „mit allem“ bauen und mampfen frohgemut weiter Richtung Westen. Fahren kann das Auto ja fast von allein - immer geradeaus.

Im Stephen C Foster State Park, wie der östliche Abschnitt auch heißt, sind gegen 15:30 Uhr für heute leider keine Bootstouren mehr zu bekommen. Egal - gelaufen sind wir heute ohnehin viel zu wenig. Wir begeben uns also auf den Nature Trail mit Boardwalk und Gabi hat mit ihrem guten Auge auch schnell 2 Schlangen entdeckt, die unbeweglich aufeinander liegen und gerade Hochzeit feiern. Na dann viel Spaß! Auch einen fetten Alligator entdecken wir später im kleinen Hafenbecken am Ende des Trails.

Letzte Unternehmung für heute: eine Fahrt entlang des „Suwannee River Sill“, einem weiteren Kanal, der an einem Staudamm endet. Der Tag neigt sich dem Ende zu und die Farben spielen verrückt. Gelb- und Lilatöne mischen sich ins Abendlicht.

Nach 45 Minuten erreichen wir die Staatsgrenze zwischen Georgia und Florida und schießen weitere Bilder für die Staatenschildersammlung“. Eine Viertel Stunde später sind wir im Motel, das das günstigste unserer Reise ist und auch deutlich spartanisch daher kommt. Aber: ok!

Hunger haben wir nicht mehr wirklich heute. Wir haben noch Nektarinen, eine Paprika und dazu eine Orange und Banane aus der Hotel-Lobby. Ich besorge Eis aus der Eismaschine und so haben wir gekühlte Weinschorle, die ich gleich noch mit ein paar Chips krönen werde.

Heute Morgen habe ich noch gesagt, dass ich heute Abend viel schnell fertig bin als sonst, weil es heute ja nichts zu schreiben gibt. War ein Irrtum - gute Nacht! Uns geht es gold!

Tagesetappe: 317 Kilometer
Übernachtung: Americas Best Value Inn, 3835 West US Highway 90, Lake City, FL 32055

© 2024 Gabi & Jürgen