Tagebuch




Erster winzig kleiner Bär auf dem Mond!

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Tiny Little Bear im Saturn-V-Museum, NATO US Space & Rocket Center, Huntsville, Alabama

Meine Hacke - hat das gewittert heute Nacht. Gott sei Dank bin ich schnell wach geworden und habe den Fensterspalt schließen können. Es goß in Strömen und das waagerecht ins Zimmer hinein. Gut, dass Gabi vorsorglich Handtücher ausgelegt hatte. Bei einem Donnerschlag erzitterte das Hotel bis in den 4. Stock hinauf, dass die Wände wackelten.

Bei Aufwachen heute morgen gingen die Gedanken noch einmal zum gestrigen Tag zurück. Elvis war in so jungen Jahren so wahnsinnig erfolgreich. Und zunächst hat er den Ruhm sicher sehr genossen. Zu viele Beispiele von Lebensfreude mit Freunden in Graceland bei Sport, Musik und ausgelassenem Leben zeugen davon. Am Ende (so wie ich ihn gestern aus meiner in den 70ern „jugendlichen Sicht“ beschrieben habe) war er abhängig von seinem Management, falschen „Freunden“ Tabletten, Ruhm und hatte dabei weder seine Finanzen noch sein Leben mehr selbst in der Hand. Da ist er in guter Gesellschaft mit auch heute noch lebenden „Stars“, denen es auf die ein oder andere Weise ähnlich geht. Bei allem Ruhm und Geld -wie sagte Gabi gestern? „Er war ene ärme Jong!“

Gabi hatte heute zum ersten Mal beim Frühstück den geliebten Pancake-Automaten am Start. Da kann ja nix mehr schief gehen. Nun ja, es regnet immer noch und die Aussichten sind nicht besonders für heute. Rückblickend haben wir aber durchaus noch Glück gehabt, gegen Mittag hörte der Regen auf und jetzt sitze ich auf einer Bank vor dem einsamsten Motel Alabamas in der untergehenden Sonne und schreibe Tagebuch, neben mir die beste Ehefrau von allen mit der gleichen Tätigkeit (nur analog).

Nur eine gute Stunde dauert die Fahrt nach Huntsville, wo wir den heutigen Tag verbringen wollen. Huntsville wurde bereits 1805 als kleine Farmerstadt inmitten weiter Baumwollfelder gegründet. Während des 2. Weltkrieges begann das Militär, hier eine groß angelegte Chemie- und Raketenversuchsanlage einzurichten. Als Ende der 1940er-Jahre der deutsche Raketenforscher Wernher von Braun (1912-1977) und sein 130-köpfiges Team (!!) aus Deutschland abgeworben werden konnten, begann der ganz große Boom. Von Braun brachte alle Pläne der V-2-Rakete aus Deutschland mit und sorgte dafür, dass die kleine Stadt im Norden von Alabama zur geistigen Hochburg der amerikanischen Raketenentwicklung aufstieg. Als das Militär dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen war, wurde hier die NASA (National Aeronautics and Space Administration), eine zivile Behörde, gegründet. Hier wurde auch der Flug zum Mond vorbereitet und später die Entwicklung des Space-Shuttle-Programms und die Errichtung der bemannten Raumstationen („Spacelab“) vorangetrieben.

Wir haben 2016 bereits Cape Canaveral in Florida besucht, das ähnliches zu bieten hat wie das US Space and Rocket Center hier in Huntsville. Natürlich neige ich dazu, die beiden Tage miteinander zu vergleichen, was aber etwas unfair ist. Die Unterschiede: damals in Florida schien die Sonne bei blauem Himmel. Ich hatte „Cape Canaveral“ schon in meiner Kindheit mit der Mondlandung verbunden und war damals entsprechend fassungslos, das alles - inklusive der Startrampen am Meer - persönlich zu sehen. Heute war das daher teilweise eine „Wiederholung“, weil es schon Dopplungen gibt. Und die Anlage in Florida ist stärker strukturiert und mehr auf Erwachsene ausgelegt. Positiv für Huntsville ausgedrückt: hier wird alles getan, um die nachfolgenden Generationen ans Thema Astronomie, Weltraumfahrt etc. heranzuführen. Dem entsprechend gibt es hier viel mehr „zum Anfassen“, spezielle Räume für Kids und Jugendliche, ja sogar das „Space Camp“. Dazu komme ich noch. Außerdem kam Cape C. für mich mehr „aus dem Ei gepellt“ daher.

Bereits vom Highway aus begrüßen uns alle möglichen Raketen, die seit 1950 ins Weltall geschossen wurden, darunter eine Saturn-Rakete, die als Trägerrakete für die Mondfahrten diente. Diese riesige, senkrechte Saturn V Rakete ist Mittelpunkt des sog. „Space-Parks“, der auch militärische Raketen, Militärhubschrauber etc. enthält. Vor dem Eingang steht eine „A-12 Blackbird“. Der ultraflache Kampfflieger erreichte während seiner Einsatzzeit eine Geschwindigkeit von nahezu „Mach 3“ (3.000 km/h!) und blieb dabei für das gegnerische Radar so gut wie unsichtbar. Schon älter, sieht aber dennoch rein optisch schon „pfeilschnell“ aus.

Wir kaufen die Tickets, die wieder mal durch mannigfaltige Module ergänzt werden können. Was wir auf jeden Fall machen wollen: uns im „Spacedome-IMAX-Theater“ beeindrucken zu lassen, damit sind wir damals in Cape Canaveral, aber z.B. auch im Museum of Nature and Science in Denver, Colorado gut gefahren (da gab es auch einen tollen Weltraumfilm). Wir buchen entsprechend.

Nun ist das „IMAX“ hier gar kein klassisches IMAX. Natürlich bietet die 21 Meter hohe, kuppelförmige Leinwand ein faszinierendes, dreidimensionales Bild in 8K. Sie nennen das hier aber „Intuitive Planetarium“ und gestalten die Shows interaktiv. Will heißen: es wird kein Film im klassischen Sinne gezeigt. Unten steht ein Guide, die/der live moderiert. Eine zweite Person unterstützt technisch. So werden Bildsequenzen und Videos projiziert und erläutert, gleichzeitig aber auch mit dem Publikum interaktiv „besprochen“ (Frage- und Antwortspiele etc.). Vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig und natürlich auch auf die vielen Kids abgestellt - aber durchaus gut gemacht.

Erste Show für uns um 11:00 Uhr: „Our Place in Space“. Wir entdecken das Universum mit unserem weiblichen Guide und navigieren zu den wesentlichen Planeten und Monden unseres Sonnensystems, zoomen durch die Milchstraße und benachbarte Galaxien und Universen und bekommen so einen Eindruck von unserem „Platz im Raum“. Der ist erwartungsgemäß bescheiden klein (Achtung: Untertreibung des Jahrtausends!).

„Sonne - Merkur - Venus - Erde - Mars - Jupiter - Saturn - Uranus - (Pluto)“, das geht Gabi ganz locker von den Lippen. Auch die Kids im Saal rufen immer den richtigen Namen, wenn dreidimensional über uns einer dieser Giganten in den Raum schwebt. Die Darbietung ist atemberaubend schön. Dieser „schwebende“ Eindruck, Planeten zum Anfassen (aber auch die Monde, die Saturnringe etc.) kommen nicht zu kurz. Dazu diese hohe Auflösung, mit knackescharfen Bildern. Du „fliegst“ quasi in einen Canyon des Mondes oder des Mars hinein, landest und schaust dich um. Mittendrin!! Der Höhepunkt: das weitere Herauszoomen aus unserm Sonnensystem, unserer Galaxie bis hin zu einer Art buntem Schmetterling, die das (bekannte) Große und Ganze abbildet. Fantastische Aufnahmen - unserer Galaxie ist dort nicht mehr sichtbar.

Aber sie wird zu riechen sein, unsere Galaxie, zumindest heute (wenn sich da jemand aufhalten sollte, der/die/das eine Nase hat). Schon beim Betreten des Raumes waren Gabi und ich die „Aliens“ - denn wir waren die einzigen, die keinen Doppelzentner Popcorn, kein Fass Cola und keine sonstigen Schmatzriegel (im Combi-Pack erhältlich) mit uns schleppten. Der durchaus von den Abmessungen her (die Kuppel ist wie gesagt 21 Meter hoch) luftige Raum roch nach 5 Minuten komplett nach Popcorn und das so intensiv, dass auch unsere galaktischen Nachbarn ihren Spaß daran gehabt - oder wie wir weggerochen hätten.

Wie gesagt: super Show, 45 Minuten beste Unterhaltung, atemberaubende Aufnahmen der besten Teleskope und eine lehrreiche Zeit. Wir gehen raus und stellen uns gleich wieder an. Um 12:00 Uhr beginnt die nächste Show und angesichts des Regens (wir wollten die Zeit einfach gerne uns sinnvoll „innen“ nutzen) hatten wir gleich einen Doppelpack an Shows (mit Discout) gebucht.

Wir stehen als an und es soll gleich der Einlass sein. Wir unterhalten uns mit einer Mutter, die mit ihrem 9-jährigen und Ehemann vom Mississippi hier rüber gekommen ist. Denn: es ist „Springbreak!“ Aha, deshalb die vielen Familien und Kids an einem Wochentag. „Osterferien“. Plötzlich öffnen sich die Außentüren und wir werden freundlich gebeten, alle raus zu gehen. Komplette Evakuierung der Gebäude. Alle Museumsbesucher und -besucherinnen finden sich draußen ein. Staff und Publikum sind sehr entspannt. Feueralarm? Eine Übung? Nobody knows. Alle bleiben extrem relaxed und nach 20 Minuten dürfen wir wieder rein.

Mit kleiner Verspätung beginnt unsere zweite Show: „James Webb Space Telescope“. Das leistungsstärkste Teleskop aller Zeiten führt uns zur Evolution der Galaxis, dem Lebenszyklus der Sterne und fernen Systemen in unendlichen Weiten. Klingt schon schwer verdaubar, oder? Ich bin ehrlich: für mich ist es unbegreiflich, hier in den USA meilenweit mit dem Auto zu fahren und dabei bis zum Horizont nur Himmel zu sehen. Bis zum Mond zu fliegen kann ich mir noch räumlich und von den Distanzen her vorstellen. Aber dann ist auch bald Ende Gelände.

Unser Guide stellt uns „Hubble“ vor, das Telesokop, welches uns seit Jahrzehnten sichtbare Bilder ferner Galaxien liefert. „James Webb“ kann aber noch viel mehr und zeichnet Infrarote Signale auf, die dann umgerechnet und zum Teil mit den Hubble-Aufnahmen verschnitten werden. Ok, wenn der das so sagt, wird es stimmen - sieht ja auch spektakulär aus. Wenn ich dann aber diese Wolkengebilde von Sternen, Galaxien, Universen, schwarzen Löchern und Sonnen(Systemen) sehe und mir auch noch vorstellen muss, dass sich das Universum ausdehnt, während die Signale gesendet werden und sich dann auch noch Raum und Zeit gegeneinander verschieben …. steige ich gedanklich aus. Sorry: „information overload, systems on heat, hands up, closed eyes, can’t believe and imagine it - white flag!!!“ Da stelle ich doch lieber mein Navi auf „Lynchburg“, schalte den Gang in „D“ und rolle den Highway entlang, Jack Daniel’s entgegen. Das ist eher meine Welt, so bunt und 3-D die Aufnahmen auch sind - ich komme da einfach nicht mit. Der Hammer: am Ende teilt man uns mit, dass es zur Entschädigung für die kurze Unannehmlichkeit bezüglich des Feueralarms gegen Vorlage des Tickets für jeden eine Tüte Popcorn extra gibt! Nö, oder?

Bevor wir weiter fahren sehen wir uns jetzt aber erst mal die Ausstellungen an.

Im „Space Museum“ wird die Geschichte der amerikanischen Raumfahrt erläutert. Bilder von anderen Planeten, der Flug zum Mond, verschiedene Raumfahrzeuge, Militärraketen und eine „Hands-on“-Ecke bilden die Höhepunkte. Beeindruckend sind natürlich die originalen Raumfahrtanzüge, -geräte und -teile. Nebenan sind Trainingseinrichtungen verschiedener Spacelabs etc. zu besichtigen.

Simulationsanlagen im Park ermöglichen, das Gefühl der Schwerelosigkeit am eigenen Körper zu erleben. Das kommt besonders den Kids zu Gute, die sich hier in 4 Achsen herumwirbeln lassen, in Flugsimulatoren o.ä. ihre Grenzen austesten. Und im „Space Camp“ machen die Kids hier Weltraumferien mit allem drum und dran. Den ganzen Tag Weltraumtraining, Entdeckungen, Grenzerfahrungen, aber auch sichtlich viel Spaß und Teamarbeit. Inkl. Übernachtung, Mahlzeiten etc. manche ältere Kids laufen hier in diesen NASA-Astronautenanzügen rum inkl. wichtiger Aufnäher. Sie gehen von Simulator zu Simulator, erklären sich die verschiedenen Dinge im Museum etc. und sehen extrem bedeutend aus. Gab es zu meiner Kindheit nicht - ich musste auf der Straße spielen.

Das Saturn-V-Museum ist für mich der Mittelpunkt all dessen. Diese Rakete mit ihren 3 Stufen, die dann noch einmal gesondert ausgestellt werden (sie stammen von der Apollo 13), die riesigen Triebwerke, dazu immer eine sonore Stimme aus dem Off des Kontrollraums, die allem so eine ernsthafte Atmosphäre verleiht - ich mag das. Immer noch faszinierend ist die Geschichte der ersten Mondlandung. Hier erfährt man alles darüber. Über allem schwebt eine Saturn-5-Rakete, zerlegt in ihre Einzelteile. Wenn die senkrecht schon groß aussieht: über dir hängend ist es ein Gigant. 3 Stufen hat sie und der Aufbau gleicht dem in Florida. Hier kann ich den Mond nicht wie dort anfassen (ein tolles Erlebnis damals), dafür ist hier ausgestellte Brocken größer und: er wird von einem winzig kleinen Bären erobert. Tiny ist damit der erste Bär auf dem Mond („Ein kleiner Schritt für einen winzig kleinen Bären - ein großer Schritt für die Bärheit“). Er assistiert mir aber auch perfekt, als ich versuche, die Kommandokapsel in der Mondumlaufbahn zu halten (Team „Captain Jack“ und „Commander TLB“).

Im Shuttle-Park war - dem Namen entsprechend - ein Spaceshuttle inklusive Trägerraketen ausgestellt. Die Außenhülle des Shuttle ist aber verwittert und alles wird aktuell instand gesetzt. Dafür ist noch ein Flieger zu sehen, dessen Cockpit dem Shuttle angeglichen wurde und der den Shuttle-Piloten für Testflüge zur Verfügung stand.

Das war wieder toll - ein kurzer Streifzug durch den Giftshop und wir rollen gen Tennessee. Inzwischen wechseln wir die Staatengrenzen wir die Unterwäsche (naja, fast). 4 Meilen vor Lynchburg sehen wir die ersten großen Warehouses von Jack Daniel’s. Hier lagert ein Teil des Whiskeys und die Bäume ringsrum sind schwarz wie die Nacht. Das kommt von „Angle’s share“, dem verdunstenden Whiskey - genau wie in Schottland.

Auf die allerletzte Minuten (16:29 Uhr) sichern wir uns im Visitor Center der Jack Daniel’s Distillery Tourtickets für die erste Führung morgen früh, 09:30 Uhr. Supi! Wir buchen uns mit „Tasting“ ein. Auf meinen Hinweis, dass ich fahren muss höre ich, dass die Mengen so dosiert werden, dass die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt wird. Klingt sehr pragmatisch.

Nun checken wir im „Country Inn“ am Rande des Örtchens ein - Rollbüsche, viel Gegend, einfach (aber ok). Dort erfahren wir um 16:45 Uhr, dass wir besser gleich in den Ort fahren. Es sei „ein kleiner Ort und die Geschäfte und Restaurants schließen um 5, spätestens um 6. Allen ernstes: die klappen hier im 18:00 Uhr die Bürgersteige hoch.

Der „Ort“ besteht aus einer Art Kirche oder Townhall (es ist das „Moore County Courthouse) mit im Karree drum herum befindlichen Shops und „Restaurants“ (letztere: alle geschlossen um 17:00 Uhr). Wenn sich alle, die mit Jack Daniel’s Produkten werben und diese verkaufen in Luft auflösen müssten wäre der Platz leer. Dabei gibt es im Ort der größten Whiskey-Distillery der USA keinen Schnaps zu kaufen - hier ist nämlich „Dry County“.

Genau so einen könnte ich aber jetzt gebrauchen. Wir haben nämlich in der einzigen Seitengasse eine Mini-Bude gefunden, die „Barrelhouse BBQ“ heißt und bis 18:00 Uhr geöffnet ist. Sehr speziell, aber töfte eingerichtet. Hier sind wir richtig und es gibt sogar Bier vom Fass. Absolute Neuerung für mich: sie befüllen die Gläser „bottom up“ - d.h. von unten! Das Glas hat unten ein Loch und einen Edelstahlring. Darauf liegt eine Art „Deckel“ mit dem Logo des Ladens. Das Glas kommt auf einen kleinen Zapfen, Knopfdruck, es füllt sich von unten. Per Magnetverschluss liegt der „Deckel“ - eine einfache, kleine Scheibe, auf dem Loch und das Bier kann unten nicht mehr raus. Genial!

Das Bier ist so gut wie das Essen. Wir bestellen „Combo BBQ“ und können wählen. Wir nehmen smoked pulled Pork und Ribs, dazu beans und Salat (Gabi) bzw. beans und fries (ich). A lot of food!!! Das ist quasi ein doppelter Dönerteller mit zusätzlich Ribs dazu. Nicht zu schaffen. Klasse Soßen haben sie in drei Schärfen: „mild“, „habanero“ und „scorpion“ (ghost peppers). Letztere geht nur tropfenweise - die beißt. Saulecker (im wahrsten Sinne des Wortes). Am Ende gehen wir noch kurz „hinten rum“, da ist das Smokehouse. Ich gucke rein und da kommt der Sohn des Hauses und lupft den Deckel für mich. Von abends bis zum nächsten Tag räuchert das Fleisch hier langsam bei niedriger Temperatur. Sehr gut. Jetzt muss ich an die Fotos - verkehrte Reihenfolge heute.

Morgen steht zuerst „Jack Daniel’s“ und dann Nashville auf dem Programm: Country-Music, wir kommen (im Country Inn sind wir ja schon drin).

Tagesetappe: 183 Kilometer
Übernachtung: Lynchburg Country Inn, 423 Majors Boulevard, Lynchburg, TN 37352

Ein Tag mit dem King ...

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Jürgen in Graceland, Elvis the Entertainer Career Museum, Memphis, Tennessee

… und dieses Mal ist nicht der gute, alte B.B. King gemeint. Weg vom Blues, weiter hin zum Rock ‚n‘ Roll, der sich ja aus dem Blues entwickelt hat. Heute gehört der Tag ganz einer Legende, die jeder kennt: Elvis Aaron Presley. Wir haben heute wieder sehr interessante Dinge gesehen und erfahren und sind dem „King of Rock ‚n‘ Roll“ so nahe gekommen, wie das nur möglich sein kann. Ehrlich: ich fand insbesondere seine Balladen immer schon sehr schön, hatte aber ansonsten keinen besonderen Zugang zu diesem Musiker. Ja - vielleicht habe ich ihn auch etwas belächelt, weil ich ihn aus meiner frühen Jugend nur als fetten, alten Mann kannte, der in merkwürdigen Roben vor sich hin schwitzte. Sein wahres Potenzial und den Menschen, der hinter dem Supersuperstar mit all seinen Problemen steckte habe ich sicher unterschätzt. Heute war ein guter Tag für unsere Beziehung. Die audiovisuelle Aufarbeitung in Graceland ist sehr gut gelungen und bringt mir Elvis auch menschlich näher. Doch fangen wir vorne an:

Nach dem wie immer deftigen Frühstück sind wir schnell startklar. Die Fahrtzeit bis Graceland beträgt nur 11 Minuten - ich habe aber noch keine Tickets. Schon zu Hause hatten wir uns damit beschäftigt, welche Zusammenstellung für uns die richtige ist, denn es gibt diverse Kategorien, die einem „normalen Zugang“ gewähren oder gegen gesalzenes Aufgeld gestaffelt Zusatz-VIP-Optionen einräumen mit „skip the line“-Garantie und weiteren Sehenswürdigkeiten. Letzte Tage (oh Mann, das war tatsächlich erst gestern im Sun Studio) habe ich mich mit einem älteren Herrn unterhalten, der mich in meiner Auffassung bestärkt hatte: ich benötige die „Elvis Experience Tour“, also die "einfache Ausgabe" - dennoch recht kostspielig. Wir sollen 3,5 bis 4 Stunden einplanen und sind tatsächlich fast 4 Stunden dort. Wer richtig tief eintauchen und alles - soweit das überhaupt möglich ist - sehen möchte, kann hier auch mehrere Tage verbringen.

Also buche ich jetzt noch vor der Abfahrt schnell online zwei Tickets - die erste „Tour“, für die ich Karten bekommen kann, ist aber die um 11:15 Uhr. Na gut, das System ist hoffentlich so, dass wir schon vorher alles andere anschauen können, um nicht so viel Zeit mit Warten verbringen zu müssen. Um 09:30 Uhr sind wir dort - es ist glücklicherweise so, wie ich hoffte.

Eins vorweg: das hier ist 150% Hollywood und Disneyworld. Keine Fahrgeschäfte, aber bis ins kleinste amerikanisch durchorganisiert, gut geplant und umgesetzt, großzügig gebaut und fantastisch aufbereitet. Gleichzeitig wird aber auch keine Chance ungenutzt gelassen, die „Marke“ Elvis zu verkaufen - in den jeder, aber auch jeder Abteilung angegliederten Gift-Shops kannst du alles kaufen, worauf sich der name „Elvis“ oder sein Konterfei drucken lässt. Tücher, Tassen, T-Shirts, Jacken, Jumpsuits (der „echte“ späte Elvis Look mit Strass für mehrere Tausend Dollar), Bücher - ja sogar Topflappen und Hundeleinen. Zwei Restaurants (benannt nach Vater und Oma), eine Kaffeebar, ein Eis- und Candyshop sorgen dafür, dass Geld auch in Kalorien umgesetzt werden kann. Wir widerstehen komplett.

Schon auf dem Parkplatz (zusätzliche 10 Dollar) begrüßen uns bunte Plakatwände. Da gerade die ersten Touren laufen, wir aber noch so früh sind, sind wir tatsächlich alleine (!) auf der Straße, die die verschiednen Gebäude und Abteilungen verbindet. Also starten wir dort, wo wir unser größtes Interesse vermuten: Im „Elvis the Entertainer Career Museum“. Und oh Wunder: auch dort sind wir ca. 45 Minuten ganz (!!) alleine. Das macht alles einfacher, lockerer und entspannter, vor allem das Fotografieren. Blitz ist verboten wie überall, Video- und Tonaufnahmen sind es auch. Kein Problem.

Gleich am Anfang sehe ich ein Klassenfoto mit einem schönen Zitat, direkt daneben begegnen uns die „Sun Studios“ von gestern wieder - die Geschichte von „That’s allright“ usw. Das Foto des Studios zeigt, was wir gestern „in echt“ sahen. Perfekter Anknüpfungspunkt. Neben vielen Beschreibungen finden sich hier auch diverse goldene Schallplatten und (wie ich finde) super Fotos vom King.

Eine ziemlich große Abteilung befasst sich mit seinen unzähligen Filmen, die er gedreht hat. Sein eigentlicher Plan war es, Schauspieler zu werden - er bekam aber keine ernsthafte Chance, sondern nur „Klamauk-“ und „Schmonzettenfilme“. Die jungen Mädels wollten ihn halt auch lieber auf der Bühne anschmachten. Überall laufen auch Konzert- und Spielfilmausschnitte sowie gut gemachte Videoinstallationen. Dazu gesellen sich Bühnenoutfits - zunächst die älteren, rockigen - später die zahlreichen „Jumpsuits“ mit diesen irren, breiten Gürteln, Schmuck etc.

Wände voll goldner Platten, Grammys und zahllosen Auszeichnungen können mit dem Auge gar nicht richtig erfasst werden - mit der Kamera schon mal gar nicht. An einer Wand allein hängen 24 goldene Singles aus der Zeit von 1956 bis 1959.

Toller Auftakt, wir steuern die nächsten Hallen an. Hier im Elvis Presley Motors Automobile Museum geht es um fahrbare Untersätze aller Art: Ralleysportwagen, Go-Karts (Elvis liebte es, mit Freunden in Graceland Kart zu fahren), Golfkarts (die die ganze Familie als Fortbewegungsmittel auf dem Gelände nutzte), Motorräder, ein John Deer Trecker (die Presleys hatten und haben Pferde und für das riesige Grundstück wurde auch schweres Gerät benötigt) und natürlich zahlreiche Luxuskarossen aller Hersteller. Der Pink-Caddillac von 1955 ist hier natürlich der Knüller, den sich auch Tiny Little Bear nicht entgehen lässt. Wahnsinn!

Es ist jetzt 11:00 Uhr und damit Zeit, sich zur Tour zu begeben, die um 11:15 Uhr beginnt. Zuerst gibt es den obligatorischen Einführungsfilm, in dem uns die Fakten nur so um die Ohren wirbeln und mir klar wird, was alles auf den jungen Mann eingeprasselt ist, womit er klarkommen musste und was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass er nur 42 Jahre alt wurde und am Ende als Wrack da stand (diese Thema wird hier übrigens komplett ausgeklammert!).

Elvis gab am Ende (vom Sommer 1969 bis zu seinem Tod im August 1977) mehr als 1.100 Konzerte, davon allein 635 Shows im International Hotel in Las Vegas. In 28 Tagen hat er mal 57 Konzerte gespielt. Wie will man das ohne Drogen machen? Und wie schafft man es, dass die Stimme das mitmacht? Er war sicher sehr fremdbestimmt - dazu gibt auch der Film „Elvis“ von 2022 einige Hintergründe preis. Insgesamt hat er mehr als eine Milliarde Tonträger weltweit verkauft.

Elvis Aaron Presley wurde 1935 in East Tupelo, Mississippi, als Sohn des Landarbeiters Vernon Elvis Presley und der Textilarbeiterin Gladys Love Smith geboren. Sein Zwillingsbruder Jesse Garon kam kurz vor ihm tot zur Welt. Sie lebten in einem sog. Shotgun-House. Das hat seinen Namen daher, weil es so klein ist, dass „wenn man mit der Schrotflinte auf die Haustür schießt die Kugeln hinten heraus kommen, ohne das innen etwas kaputt geht“. Kein Strom, kein fließendes Wasser, keine Sanitäranlagen. Elvis singt früh Gospel in der Kirche, bekommt mit 11 seine erste Gitarre und zieht mit seinen Eltern mit 13 Jahren nach Memphis, weil sich die Familie dort ein besseres Leben erhofft.

Per Shuttlebus und ausgestattet mit iPad und Erklärfilmen fahren wir nun per „Tour“ die wenigen hundert Meter zur Graceland Manison, dem ehemaligen Wohnhaus von Elvis und seiner Familie. Ich muss mich jetzt kürzer fassen …

Das Gebäude wurde 1939 erbaut und nach einer Tante des ersten Besitzers benannt. 1957 erwarb Elvis das Haus und begann bald damit, es aufwändig umzugestalten. Jedes Zimmer hat seinen eigenen, ganz besonderen Charakter. Besichtigen kann man nur das Erdgeschoss und den Keller;, das 1. OG wird noch privat genutzt von der Familie.

Wir starten im Erdgeschoss. Das Wohnzimmer hat ein 4 Meter langes Sofa und einen weißen Flügel, dazu aufwändige Glasarbeiten in Form von Pfauen. Das Esszimmer gegenüber ist ganz in blau gehalten. Die Küche sieht einigermaßen normal aus - hier wurde 24/7 gekocht, weil immer ein Haufen Leute im Haus waren.

Im Keller hatte Elvis sein gelbes Fernsehzimmer mit drei Bildschirmen nebeneinander. Die Decke ist verspiegelt, was einen ganz schwindelig werden lässt. Auch Plattensammlung, Stereoanlage und so etwas wie ein Beamer sind hier - Medienraum würde man heute sagen.

Der Billardraum ist ausgekleidet mit fast 700 Meter Stoffbahnen mit bunten Mustern. Das sieht sehr ungewöhnlich, aber auch richtig gut aus. Der Dschungelraum hat Möbel aus tropischem Holz; Wände und Decke sind mit dickem, tiefgrünem Teppich ausgekleidet. Hier hat Elvis auch abgehangen, Musik gemacht und Stücke aufgenommen.

Durch den Garten geht es dann zu Vernon’s Office, dem Arbeitszimmer von Elvis’ Vater und wieder weiter, an den Stallungen vorbei zum „Trophy Building“. Hier bekommen wir einen Einblick in das Privatleben des „King“ - wichtige Stationen und Ereignisse werden dokumentiert, z.B. die Heirat mit Priscilla und die Geburt von Lisa-Marie). Hochzeitsoutfilts, Spielzeug von Lisa-Marie sowie diverse Alltagsgegenstände, Gemälde und Möbelstücke sind zu sehen.

Das Raquetball Building, das vor einigen Jahren wieder so hergerichtet wurde, wie es 1977 aussah, besteht aus zwei Teilen: der Lobby mit einem Klavier und Flipperautomaten sowie dem eigentlichen Raquetball-Spielfeld (das ist eine Mischung aus Tennis und Squash, aber mit kurzem Schläger).

Zum Schluss geht es vorbei am Swimmingpool noch durch den „Meditationsgarten“, in dem Elvis zusammen mit Vater, Mutter und Großmutter begraben ist. Puh - eindrucksvolle Tour!

Wir schauen uns anschließend noch eine Halle an, in der aktuelle Künstlerinnen und Künstler ausgestellt sind, die etwas zum King zu sagen haben, Instrumente zur Verfügung stellen, die sie mit Elvis verbindet - auch hier: schöne Fotos, bekannte Gesichter, auch aus der Country-Szene. Ebenso widmet sich eine weitere Halle seiner Militärzeit (Uniformen, persönliche Gegenstände etc.) und noch eine weitere allem möglichen Privatzeugs, das zum Teil noch in Kisten verpackt ist. Akso ehrlich: wenn es noch irgendwo ein Wattestäbchen mit Ohrenschmalz vom King gibt - hier wirst du es finden! Ironie off …

Ein weiterer Komplex widmet sich der Tochter Lisa-Marie und was es heißt, Tochter vom King gewesen zu sein. Sie starb überraschend im Januar 2023 im Alter von nur 54 Jahren; ihr Grab haben wir ebenfalls eben „am Pool“ im Meditationsgarten gesehen. Nebenan noch eine Aussstellung zum „making of“ des aktuellen Elvis-Films. Hier ist auch das Sun Studio nachgebaut …

Gleich neben dem Ausstellungskomplex sind die beiden Privatflugzeuge von Elvis zu bewundern (Graceland Air). Der Düsenjet „Lisa Marie“ (benannt nach seiner Tochter) von 1958 ist luxuriös eingerichtet mit vergoldeten Waschbecken, Queen-Size-Bett und einer Telefonanlage, mit der Elvis schon Mitte der 1970er-Jahre in aller Welt herumtelefonieren konnte.

4 Stunden geballte Informationen, wir sind platt. Also endlich rein ins Auto und die 1:40 bis Tupelo fahren. Dort gucken wir uns noch „Elvis Presley Birthplace“ an. Da ist sie, die kleine Hütte, von der ich eben schon berichtet habe. Eine Statue vom 13-jährigen Elvis ist ebenso zu sehen wie die alte Kirche, eine „Elvis Memorial Chapel“ und ein schöner Garten.

Weitere 60 Minuten später sind wir im Hotel. Ich beschaffe uns eine Pizza bei Dominos, lecker! Kaum wieder hier geht da draussen ein Wetter ab - weia! Es blitzt und schüttet vom Feinsten. Grandioses Spektakel. Jetzt ist es wieder ruhig. Und jetzt mache ich auch einfach mal den Sack zu; habe am Ende etwas gestrafft, aber das Wichtigste bin ich losgeworden.

Nur eins noch: unser WC hier hat „Explosionsspülung“. Unfassbar, wir kriegen jedes Mal fast einen Herzinfarkt. Wenn du reinsteigst und abspülst, landest du sicher im Zaubereiministerium (Harry Potter Fans wissen, was ich meine).

Morgen kurzes Musikbreak - wir erobern den Weltraum, ik freu mir und hab fun!!

Tagesetappe: 302 Kilometer
Übernachtung: Microtel Inn & Suites by Wyndham Tuscumbia/Muscle Shoals, 1852 Highway 72 East, Tuscumbia, AL 35674

Rock ‚n‘ Roll

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Jürgen am Sun Studio, Memphis, Tennessee

Ein gesamter Tag in Memphis, Tennessee, der Stadt von Blues, Soul, Rock, dem Mississippi und natürlich „King Elvis“.

Memphis wurde nach der gleichnamigen Stadt am Nil benannt (Bedeutung: „guter Wohnsitz“) und war einst eine bedeutsame Hafenstadt mit zeitweise an die 300 Schaufelraddampfern dicht an dicht an den Sandbänken des Wolf River. Mit verarmten Farmern und arbeitslosen schwarzen Landarbeitern, die auf der Suche nach dem großen Glück zu Tausenden nach Memphis strömten, kam eine neue Musikrichtung in die Stadt: der Blues. Dieser fand später in abgewandelter Form seinen Weg nach New Orleans. In früheren Zeiten noch als „Hillbilly“ abgetan, schaffte William Christopher Hardy schließlich mit dem legendären „Memphis-Blues“ den Durchbruch. Hardy spielte seinen Blues in der Beale Street, der Amüsiermeile der Flussschiffer (sein Haus haben wir übrigens heute Abend ganz zum Schluss noch gefunden). Seither ist die Beale Street als eine der Geburtsstätten des Blues bekannt und seit 1966 auch „National Historic Landmark“ der USA. Gestern hatten wir hier ja schon den B.B. King Blues Club besucht.

Mitte der 1950-er Jahre legte ein großer Sohn der Stadt den Grundstein für eine weitere neue Musikrichtung: Elvis Presley, der „King of Rock ‚n‘ Roll“. Er wurde in Tupelo, Mississippi (da fahren wir morgen hin) geboren, lebte aber bereits seit seinem 13. Lebensjahr in Memphis und wurde hier vom Besitzer der „Sun Studios“ entdeckt. Er lebte bis zu seinem Tod 1977 in seiner Villa Graceland im Süden der Stadt. Auch Graceland wollen wir uns morgen anschauen.

Ich kann es vorwegnehmen: der Tag war wieder mal grandios und gespickt von sehr nachhaltig eindrucksvollen Erlebnissen. Aber er war auch mordsanstrengend; wir haben 14,3 Kilometer auf der Uhr, alle Asphalt.

Nach dem Frühstück sollte gleich das Highlight umgesetzt werden: eine Besichtigung des legendären Sun Studio. Karten kann man nicht online reservieren, es gilt „first come, first serve“. Das Studio öffnet um 10:00, die erste Führung ist um 10:30 Uhr. Also sind wir um 09:30 Uhr dort, um ganz sicher Karten zu bekommen, wir kennen das Prozedere ja nicht. Es ist erst eine Dame da, das sieht gut aus für uns.

Hier im Sun Studio wurden die ersten Plattenaufnahmen von Elvis produziert. Aber auch Johnny Cash, B.B. King, Muddy Waters, Howlin’ Wolf, Ike Turner, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und viele andere haben hier Platten aufgenommen. Das Studio ist bis heute in Betrieb, aufgenommen wird meist nachts, den tagsüber sind ja Führungen. Sam Phillips hatte hier 1952 das unabhängige Label „Sun Records“ gegründet, das trendsetzend war für die Entwicklung des Rhythm and Blues, der Rockabilly- und Rock ‚n‘ Roll-Musik. Wir machen die ersten Aufnahmen draussen, als noch niemand da ist.

Das Gebäude ist nicht groß, die Gruppe mit 40 Personen aber auch nicht klein. Ich habe das wahnsinnige Glück, immer als erster in die Räume zu kommen und so schnell Fotos machen zu können, bevor alles zu voll ist. Josh heißt unser Guide, ein junger Mann, der sehr engagiert und schwungvoll zu Werke geht. Immer wieder spielt er Musikbeispiele ein, er ist per Streaming mit Boxen verbunden, was kurze Reaktionszeiten, einen tollen Sound und eine einzigartige Atmosphäre ermöglicht.

Es ist völlig unmöglich, die Emotionalität und vermittelten Fakten dieses Besuchs hier wieder zu geben. Alles beginnt mit 30 Minuten Warten im Foyer, das schon gespickt ist mit Erinnerungsfotos, Platten und allerlei Krams aus den 50ern. Als es losgeht kommen wir zunächst im 1. OG in eine Art „Studiomuseum“. Hier sind alte Aufnahmegeräte und -techniken ausgestellt, Instrumente, wieder Fotos, Platten etc. Außerdem befindet sich hier das Originale Sendestudio vom „Memphis-Sender WHBQ“. Für mich ist das das allererste DJ-Pult mit zwei Plattenspielern beeindruckender Größe inkl. Sendetechnik. Der Sender soll gleich noch eine Rolle spielen!!

Als hier alles erläutert und gesehen ist, gehen wir alle (ich voran) runter in den heiligen Gral - das eigentlich Studio aus den 50er Jahren , welches heute noch genutzt wird. Und kein Witz (!!!) als wir da reingehen, sind alle mucksmäuschen still, als wenn wir eine Kirche betreten würden. Für manche klingt das jetzt vielleicht total bescheuert. Für mich und uns andere ist es das überhaupt nicht. Ich kenne diesen Raum aus Filmen (Walk the Line, Elvis etc.). Hier ist Elvis entdeckt worden, Johnny Cash hat hier ebenfalls seine ersten Aufnahmen gemacht (Walk the Line, Folsom Prison Blues u.a.), Jerry Lee Lewis hat hier aufgenommen, B.B. King und so viele andere. Und jetzt stehen wir hier, machen Fotos, hören Musik, sehen die Technik, die z.T, noch aus den 50ern stammt.

Echte Schätzchen von Gitarren, Amps, denen man ihr Alter definitiv ansieht, Mikros, die (angeblich) noch diejenigen sind, die Elvis, Johnny & co genutzt haben. Josh erzählt, wie der 18-jährige Elvis hier eine Aufnahme machen wollte. Sam Phillips war sehr angetan von ihm, mochte aber diese ständigen Balladen nicht. Er wollte schon gehen, als Elvis mit seiner Gitarre durch den Raum geht und „It’s allright“ (einen seiner Lieblingssongs) schrummelt. Josh macht es vor - hier ist er langgetigert, immer hin und her. Und durch diese Tür kam Sam zurück und sagte: „Das nehmen wir auf!“. Nur zwei Tage später hat der Radiosender WHBQ (s.o.) diesen Titel gespielt und auf Nachfrage in einer Nacht 14 Mal (!!!) Wiederholt. Der Rest ist Musikgeschichte!

Die Wände sind studiolike mit Akustikplatten verkleidet, denen man ihr Alter ebenfalls ansieht. Überall hängen Fotos - z.B. das von Elvis mit Johnny Cash und Carl Perkins. Elvis sitzt an dem Piano, das genau hier unter dem Bild steht. Das coole Foto vom „Man in Black“ spricht für sich. Am Ende Düren wir mit dem alten (Original?-) Mikro spielen. Wieder draussen ist der Himmel knackeblau und wir machen noch ein paar Bilder. Auf dem Rückweg zu Hotel finden wir schöne und bunte Wandmalereien. Der Besuch muss erstmal einige Wochen sacken - ich habe noch unzählige Fotos. Bei Interesse: bitte melden!

Kurzer Restroomstop im Hotel - außerdem haben wir Durst. Zack, wieder eine Flasche Wasser weg. Und weiter geht es in die Downtown. Dabei kommen wir wieder bei den Memphis Redbirds vorbei. Richtig fettes Baseballstadion mitten in der City. Und gegenüber ist der Superdome der Basketballer (Memphis Grizzlys).

Wir erreichen das nahegelegene „The Peabody Hotel“. Das historische Grandhotel begeistert auch heute noch durch seine Größe und Eleganz, vor allem in der riesigen Lobby. Hauptattraktion sind - neben dem wirklich imposanten Gebäude - die Enten („Peabody Ducks“). Täglich um 11:00 werden sie vom Ententrainer (ich wusste bis vor einigen Wochen nicht, dass es sowas gibt!) in die Lobby geführt - um 17:00 geht es zurück. Als wir ankommen, plantschen die Enten schon. Leute schlürfen ihre Cocktails oder einen Kaffee, im Hintergrund ein Flügel, der sich von selbst spielt - oder von einem Geist bedient wird, den ich nicht sehen kann. Gabi hat ein Video - spooky!

Weiter geht es zum Flussufer und von da eine ganz schöne Strecke am Mississippi entlang bis zum Tennessee Welcome Center. Hie Rist irgendwie niemand im riesigen Gebäude; wir machen Bilder von den überlebensgroßen Bronze-Statuen von B.B. King und Elvis Presley.

Gabi möchte unbedingt noch bis zur Pyramide weiterlaufen, in der sich die gigantischen „Bass Pro Shops“ befinden. Wir haben so einen schon mal (ich glaube in Denver, Colorado) besucht. Hier wird Einkaufen zum Erlebnis. Es gibt massig ausgestopfte Tiere, in Landschaften angeordnet. Aber auch Teiche mit großen Fischen, Aquarien und eine Anlage mit mehreren Alligatoren, die man hier sehr gut beobachten kann, sind vorhanden. Besonders imposant sind die Angel- und Jagdabteilungen. Hier gibt es alles, von der kleinsten Rute bis zur größten Langwaffe, mit der man wahrscheinlich (Gott bewahre!) auch Elefanten erlegen kann. Die Restrooms sind hinter der Shootinganlage, in der auch die Kleinsten schon über Kimme und Korn üben können. Es gibt aber auch alles andere, was das Outdoorherz höher schlagen lässt. Natürlich ist auch ein Hotel in die Pyramide integriert. Amerikanischer Wahnsinn - aber sehr gut gemacht!

Rückweg zur Mainstreet, historische Bahnen, Pferdekutschen im Cinderella-Design, nachts beleuchtet. Es gibt aber auch im Individualverkehr sehenswerte Fahrzeuge - wendig, schnell, und laut!

So kommen wir an der Beale Street an, wo wir gestern schon bei B.B. King hinein geschnuppert haben. Zunächst schauen wir beim A. Schwab’s General Store hinein, einem riesigen Ramschladen auf mehreren Ebenen, der seit 1876 im Besitz der Familie Schwab ist. Hier findet man wirklich alles, von Voodoozubehör bis zu alten Wahlplakaten und das Motto „If you can’t find it at A. Schwab’s, you’re better off without it“ hat bis heute seine Gültigkeit. Sogar zu meinem T-Shirt farblich abgestimmte Perücken haben sie.

Die Beale Street war schon früher die Amüsiermeile der Flussschiffer, die dort Musik & Glücksspiel suchten und fanden. Hinter fast jeder Tür hören wir Blues und Rock ‚n‘ Roll. Die Kunst ist es, die Kneipen oder Biergärten zu finden, wo einem nicht die Ohren wegfliegen.

Mit dem „Silky O'Sullivan's Grillrestaurant“ finden wir genau so einen Biergarten. Kühles Bier, Cider und BBQ-Nachos zum Teilen kommen jetzt genau richtig. 9 Kilometer sind wir schon gelaufen. Für die Musik sorgt ein junger Mann mit Gitarre - good Job!

Qual der Wahl: gerne würden wir noch ins Rock’n’Soul Museum gehen, das angeblich beste Museum zum Thema Musikgeschichte in der Stadt. Thema sind dort die Anfänge der Rockmusik und ihre geschichtliche Bedeutung für Memphis und die ganze Welt. Andererseits können wir Memphis nicht verlassen, ohne das National Civil Rights Museum im ehemaligen Lorraine Motel zu besuchen. Hier fiel der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. vor der Türe des Zimmers Nr. 306 am 04. April 1968 einem Attentat zum Opfer. Heute beherbergt das Haus eine sehr umfassend angelegte und didaktisch gut aufgebaute Ausstellung zur Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die alle wichtigen Ereignisse der 1950er- und 1960er-Jahre beleuchtet. Das ist unser nächstes Ziel.

Auf dem Weg dorthin passieren wir noch den Martin Luther King Jun. Reflection Park. Die Worte aus seiner „I have a dream“-Rede (über die ich übrigens im Abi in Englisch LK schreiben musste) gehen mir auch heute noch unter die Haut. Wir erreichen das ehemalige Lorraine-Motel, das im Grunde so aussieht, wie so manches Motel, in dem wir Urlaub machen - nur das die Ausstattung inzwischen meist deutlich besser geworden ist. Auch das macht etwas mit dir: dort zu stehen und auf die Zimmertür von „306“ zu schauen und zu wissen, hier ist es passiert.

Die Eingangskontrolle ist wie am Flughafen: alles wird angesehen und gecheckt - auch heute noch hat man offensichtlich Sorge vor Anschlägen. Ein wie immer eindrucksvoller Film stimmt uns ein. Dann geht es zu den Ursprüngen der Rassendiskriminierung, der Zeit der Sklavenhaltung bis hin zum Bürgerkrieg. Wir entdecken Dokumente, Fotos und Zeichnungen, die wir bereits aus Savannah und Charleston kennen. Hier hat man auch mal Figuren so hingesetzt, wie die Sklaven auf ihrer Reise von Afrika zur Ostküste zusammengepfercht waren. Da wurde jeder Zentimeter genutzt. Furchtbar.

Der Bus, in dem Rosa Park im Dezember 1955 den Busboykott auslöste, ist ebenfalls ausgestellt - wir können hindurchgehen. Rosa hatte sich der Anweisung des weißen Busfahrers (die wir immer wieder hören, als wir durch den Bus gehen), aufzustehen und einer Weißen Platz zu machen, widersetzt und war dafür inhaftiert worden. In der Folge boykottierten Schwarze die Busfahrten komplett bis Dezember 1956. Für mich bezeichnenden Schrifttafeln habe ich auch mal bei den Fotos platziert. „Sanitation Worker“ sind Müllwerker - bezeichnend, wie sie behandelt wurden, wenn sie eine schwarze Hautfarbe hatten.

Die weiteren Proteste bezogen sich auf Sitzblockaden, die gewaltsam gebrochen wurden und die „I am a man“ Bewegung. Im Ergebnis: Gewalt, Tote (auch Kinder) - bis hin zu Martin Luther King. Plötzlich stehen wir vor eine Glasscheibe, hinter der sich das Zimmer 306 befindet - hier hat Martin Luther King jun. seine letzte Nacht verbracht. Ohne Worte!

Gegenüber dem Museum sitzt Jaqueline Smith, die seit 1987 dagegen protestiert, dass sehr viel Geld für das Museum ausgegeben wurde, das gesamte Hotel jedoch leer steht, obwohl es in Memphis viele Bedürftige und Obdachlose gibt. Das sei nicht im Sinne von Martin Luther King Jr. Gabi unterhält sich mit ihr.

Um die Ecke befindet sich das Blues Hall of Fame Museum - ich mache aber nur ein Foto. Gegenüber finden wir eine eine Wandmalerei, die das „I am a man“-Thema noch einmal aufgreift.

Leider ist es nun zu spät, um auch noch das Rock’n’Soul Museum anzuschauen - hätten wir tatsächlich noch gemacht! Statt dessen nehmen wir nun noch einmal die Beale Street ins Visier. In einer Rooftop-Bar trinkt Gabi einen zweifelhaften Cocktail, der in einem Bein serviert wird. Viel Besser geht es uns anschließend in der Ghost River Brewery. Super Bedienung, leckeres Bier, tolles Essen, gute Preise. Und draussen spielt Live-Musik, die uns aber dort auch zu laut ist, so dass wir lieber innen sitzen.

Zum Abschluss ein kurzes Fazit: Memphis gilt als gefährliche Stadt, ja sogar als „Mordhauptstadt"; die Kriminalitätsrate ist aktuell die höchste der Großstädte in den USA. Unter den unsichersten Städten der Welt liegt Memphis auf Platz 14 noch vor Kapstadt. In New Orleans und auch unterwegs haben uns Einheimische mehrfach geraten, gut aufzupassen. Das machen wir sowie so immer, haben wir aber natürlich ernst genommen.

Ich muss aber sagen, das sich ich mich hier - in den Bereichen, die wir besucht haben - immer sehr gut aufgehoben gefühlt habe. Außerdem ist Downtown inklusive der Beale Street echt angenehm zu Fuß zu entdecken. Die Stadt hat sehr viel zu bieten und die ständige Verbindung zum „Rock ‚n‘ Roll“ macht Lust auf mehr. Wenn möglich, würde ich länger bleiben oder wiederkommen. Also: alles gut.

Der Tag morgen gehört dem „King Rock ‚n‘ Roll“. Erster Programmpunkt: Graceland. Anschließend fahren wir wohl zu seinem Geburtstort - ich werde berichten!

Tagesetappe: 14,3 Kilometer (zu Fuß!)
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

B.B. King & Delta Blues

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Jürgen im B.B. King Museum & Delta Interpretive Center, Indiola, Mississippi

Es ist 22:20 Uhr, die Fotos sind soweit versorgt, es fehlt nur noch das Tagebuch. Welch ein Tag - den werden wir ebenfalls niemals vergessen, in vielen Details. Hier einen vollständigen Bericht abgeben zu wollen wäre völlig vermessen. Daher „nur“ die Fakten und einige Emotionen. Wer mehr Details wissen möchte, spricht uns einfach an - wir berichten dann gerne.

Die Casinobetten waren nur zweite Wahl. Gabis Laken war so zerknittert, dass es schon fast als Kunst durchging; mein Bett war irgendwie „wellig gelegen“ und erinnerte so etwas an den Highway 61, der uns gestern so sanft auf und ab gewogen hat. Über Nacht ist das dann eher lästig mit den ständigen Kuhlen.

Da es hier kein Frühstück gibt sind wir schnell fertig gepackt und rollen vom Parkplatz. Heute liegt mit fast 400 Kilometern der längste Streckenabschnitt vor uns . Und das ist auch noch einer, auf dem es wirklich sehr viel zu entdecken gibt. Nun sind 400 Kilometer ins den Staaten nicht zu vergleichen mit einer gleich langen Strecke auf deutschen Autobahnen. Wenn hier 65 Meilen/Std. Erlaubt sind, dann fährst du die auch - das macht es viel entspannter, muss aber auch erst mal gefahren werden.

Also, wir rollen vom Parkplatz und da geht diese blöde Reifendruckkontrollleuchte an. Wenn man schon so einen Namen hat kann das nichts Gutes bedeuten. Warum soll der hintere rechte Reifen plötzlich 10 psi weniger haben als seine drei Kollegen? Kurz aussteigen und gegen den Reifen treten (das ist der Volltrotteltest, der nichts aussagt, einem aber das Gefühl gibt, einfach mal ein Stück fahren zu können, wenn der Reifen sich noch halbwegs prall anfühlt). Das tut er und auf geht es, immer mit der Frage im Bauch, ob uns hier die Elektronik veräppeln will oder wirklich ein Problem vorliegt. Wir fahren mal eine halbe Stunde und die Differenz bleibt. Die Kollegen haben sich jetzt auf 38 psi aufgewärmt, das Sorgenkind hat aber auch nur zwei zugelegt und steht jetzt bei 28. Also bis Memphis kann ich nicht einfach den Ignoranten spielen - ich fahre zwei Tankstellen an, die aber keinen Reifendruck messen können - Reifen machen wir nicht (du kannst aber 20 Kaffeekreationen kaufen, aus 40 Snacks auswählen oder deinen Wocheneinkauf abwickeln). kenne ich schon von vor ein paar Jahren und es hat sich nicht geändert. Wir benötigen eine Werkstatt.

Den Hinweis, wo wir die am Wegesrand finden, bekomme ich bei der zweiten Tanke. Napa Auto Parts heißt der Laden und ich habe unglaubliches Glück. Gerade ist einer der Mechaniker frei geworden. Die Werkstatt sieht erwartungsgemäß rustikal aus, der junge Mann schnappt sich nach meiner Problembeschreibung aber sein Mini-Messgerät, nickt anerkennend, holt den Wagenheber und bockt unseren Hyundai auf (inkl. Gabi, die noch drinsitzt). Dann schraubt er unseren Reifen ab, bevor ich noch „piep“ sagen kann und verschwindet in seiner Werkstatt. Ich hinterher. Tatsächlich, da steckt ein fulminanter Nagel im Reifen, hat sich aber zwischen dem Profil versteckt - ich hätte den nie gefunden. Ich frage, was zu tun ist und er sagt, er mache mir einen „Patch“ rein. Ich bestätige und er löst Reifen und Felge, klebt einen Flicken von innen rein, montiert den Reifen wieder auf die Felge, aufpusten, ran ans Auto. Fertig. Hat keine halbe Stunde gedauert und ging technisch wie beim Fahrrad, nur mit mehr Kraft, Lärm und Tamtam. 20 Dollar kostet der Spaß nur und ich bin so erleichtert, dass ich ihm noch 10 Dollar Trinkgeld gebe. Supi!

Der Weg führt heute einen weiteren Tag über den Blues-Highway #61. Das Mississippi-Delta ist hier ein Binnendelta, dass sich von Memphis bis New Orleans erstreckt - eine ganz schöne Strecke. Das Delta steht vor allem für das Leid der Sklaven. Ihr Kommunikationsmittel war die Musik. Hier entwickelte sich der Delta-Blues, der zum Vorreiter der späteren Blues-, Jazz- und Rockmusik wurde. Im Verlauf des heutigen Tages habe ich das auch viel besser verstehen können: die schwere Arbeit und das Leid der Sklaven sind der eine Teil des Blues. Wenn die Arbeit aber den ganzen Tag darin besteht, zu pflanzen, zu ernten, zu pflücken und zu schuffeln dann ist der Blues mit seiner 12-taktigen Form zu jeweils 3 Liedzeilen bestens geeignet, Ordnung und Rhythmus in den Tag zu bringen. Singen bei der Arbeit - hat bestimmt geholfen.

Die Straße führt zunächst weiter durch weiche Hügel und von Kudzu-Efeu behangene Waldgebiete, die etwas an eine Märchenlandschaft erinnern. Es ist aber nicht mehr so schön wie bei Port Gibson und Natchez, dafür aber deutlich hügeliger. Später führt die #61 durch das eher eintönige Deltagebiet.

Unser erstes Ziel nach der Werkstattaktion ist Leland am Hwy. #278, direkt nebenan der #61. Jim Henderson, der die Muppets-Familie schuf, verbrachte seine ersten 13 Lebensjahre hier zusammen mit deinem Freund Kermit Scott. Das winzigkleine „Birthplace of Kermit the Frog Museum“ enthält Erinnerungen an Henderson (der viel zu früh mit Anfang 50 starb). Kermit, Miss Piggy, Fozzie Bär sowie die Balkon-Grantler Waldorf und Stattler finden wir hier, aber auch bekannte Freunde aus der Sesamstraße. Die ältere Dame, die hier freudig Auskunft erteilt (und Tiny Little Bear vergöttert) erklärt uns einiges und eben auch, dass Henderson die Sesamstraße mit Ernie, Bert und Kollegen ins Leben gerufen hat. Da werden Erinnerungen an die Kindheit wach.

Mureals zum Thema Blues gibt es überall in diesem kleinen Nest „Leland“. Wir finden welche am „Highway 61 Blues Museum“. Dieses enthält nur drei Räume voll Sammelsurium zum Thema Blues und ist geschlossen. Besichtigung nur nach Anmeldung - hatten wir eh nicht vor.

Nach dem Besuch von Leland fahren wir nicht wieder auf den Hwy#61 auf. Wir fahren noch nach Indianola, wo sich das B.B. King Museum & Delta Interpretive Center befindet. Hier weise ich auf mein Alter hin und bekomme Seniorenrabatt beim Eintritt. Im Museum werden B.B. Kings Leben (1925-2015), seine Musik und sein Werdegang vorgestellt. Hier erfährt man auch, welchen rassistischen Diskriminierungen selbst ein Star wie er auf seinen Tourneen ausgesetzt war. King wurde als Riley B. King im nahen Berclair geboren. Auch über andere Bluesmusiker kann man in dem groß und perfekt angelegten Museum etwas erfahren. B.B. steht übrigens für „Blues Boy“. Er war zu Lebzeiten aus den verschiedensten Gründen stets „homeless“ und hat Indianola immer als seine eigentliche Heimat bezeichnet. Daher hat während seiner vielen Tourneen und Engagements in anderen Städten immer Wert darauf gelegt, Zeit in Indianola zu verbringen. Als sein Leben zu Ende ging hat er dieses Grundstück für das Museum zu seinem Lebenswerk und dem Delta-Blues auserkoren und auch verfügt, dass er er hier beigesetzt wird.

Das Museum hat 18 Millionen Dollar gekostet, die zumeist aus Spenden zusammen kamen. Unfassbar, wie viel Einzelpersonen gespendet haben. Höchstbetrag 2 x 2 Mio. Dollar, aber auch viele fünf- und sechstellige Spender/innen. Daraus haben sich echt was gemacht. Zur Einführung sehen wir einen gut 10-minütigen Film, in dem auch Weggefährten wie Eric Clapton zu Wort kommen. Im eigentlichen Museum finden sich Erläuterungen zur Entstehung des Blues, es sind Alltagsgegenstände der 20er Jahre ausgestellt, die Situation der Schwarzen spielt die entscheidende Rolle, B.B.’s Leben, seine Instrumente, seine Einstellung, seine Autos und ein Tourbus, die Alben die er im Studio oder Live aufgenommen hat - ganz viel Stoff, super aufbereitet - dazu überall Musik (selbst draußen auf der Straße), Filme etc. Warum seine Gitarren alle „Lucille“ heißen? Schöne Gechichte, erzähl eich gern mal - wer es genau wissen möchte: in seinem Song „Lucille“ beschreibt er genau das.

Was mir besonders gefallen hat sind einige seiner Bemerkungen über diese Musik: „The Blues are the three L’s: living, loving and - hopefully - laughing“. „Blues wird nicht aufgeschrieben, Blues wird geboren und gelebt“. „Wenn die Musik gut ist, spielt die Hautfarbe keine Rolle mehr!“ Letzteres kam zustande, als er völlig verwundert in der Zeit der Hippiebewegung in den 60ern plötzlich nicht mehr vor 90% Schwarzen, sondern 95% Weißen jungen Leuten spielte und die ihm Standing Ovations gaben. Dass er überhaupt jemals für Weiße würde spielen können, war in den 50ern noch völlig undenkbar für ihn. Letzter Satz von ihm in der Ausstellung neben dem fantastischen Portrait: „I am trying to get people to see that we are our brother’s keeper. Red, white, black, brown or yellow, rich or pour, we all have the blues.“

Neben seiner Bronzestatue vor seinem Grab zu sitzen und an der Platte zu stehen, umgeben von vielen sinngebenden Sprüchen war schon einer der emotionalsten Momente dieses Tages. Gabi und ich haben ihn gemeinsam mit Georg vor fast 20 Jahren live in Köln gesehen. Seit heute ist das noch wertvoller.

Als wir das Museum verlassen kommen 3 Busse (schwarze) Schulkinder im Grundschulalter an. Es gibt einen Teil des Museums, wo speziell mit Kindern gearbeitet wird. Vielleicht haben wir einen der Stars der Zukunft gesehen? Wir waren jedenfalls fast allein im Museum, was uns natürlich gut getan hat.

Wir nehmen die Nebenstrecke zur „Dockery Farms Foundation“. Dass diese auch über meilenlange dirtroad führt wusste ich nicht. Augen zu und durch - der Reifen hält. Die Dockery Farms Foundation ist eine ehemalige Baumwollplantage von 1895, die viele Musiker (u.a. B.B. King) als „Birthplace of the Blues“ bezeichnen. Hier sind wir ganz allein, es gibt noch nicht mal jemanden, der auf die Anlage aufpasst. Die Retro-Tankstele vorne ist ein schöner Foto-Spot. Hinten ist die Baumwollfabrik mit uralten Maschinen. Gespenstisch, wenn Gabi auf einen Knopf drückt und dann alter Blues aus vielen Lautsprechern klagend über die Anlage hallt. Toller Zwischenstop!

Unterwegs bekomme ich immer wieder Getränke (Cola Zero, Wasser) und Speisen (Sandwich, Orange, Chips, Nussmischung) aus dem Bordrestaurant gereicht, stilecht mit Schlabberlatz.

In Clarksdale, unserem nächsten Stop, viele Meilen weiter sind u.a. Howlin’ Wolf, Johnny Lee Hooker, Big Jack Johnson, Ike Turner, Sam Cooke, Muddy Waters und Rufus Thomas aufgewachsen. Nach einer kleinen Suche finden wir das Delta Blues Museum in einer alten Lagerhalle am Bahnhof. Wir finden Instrumente, Bühnenklamotten, Plakate, Aufnahmeequipment etc. der bekanntesten Musiker und eine besondere Abteilung zu Muddy Waters. Außerdem sind die Merkmale der einzelnen Musikrichtungen (u.a. Blues, Country, Jazz etc.) gut erläutert. Ich habe 4 Gitarren und den Fender Twin Reverb von John Lee Hooker gesehen - auch toll. Fotografieren darf man hier aber nicht - deshalb gibt es keine Bilder davon.

Außen machen wir Fotos, hier könnte mal jemand sauber machen. Ganz schön herunter gerockt, dieses Clarksdale. Aber schöne Wandmalereien (Mureals) haben sie hier neben dem „Ground Zero Blues Club“.

The Crossroads“, wo der „King of Delta-Blues“ Robert Johnson dem Teufel für sein Ausnahmetalent seine Seele verkauft haben soll finden wir nach der Beschreibung im Museum an der Kreuzung der Highways #61 und #49. Hier stehen als Denkmal drei Gitarren montiert. Wir quatschen kurz mit einem Amerikaner, der hier gerade ein Time-Laps dreht. Er empfiehlt uns für heute Abend in Memphis „The Rendevouz Restaurant“ mit angeblich besonders guten Ribs.

12 Meilen nördlich von Tunica sehen wir das „Gateway to the Blues Visitor Center“ an der #61 liegen, aber an der anderen Seite der Straße. Das Visitor Center ist geschlossen um diese Uhrzeit und hier gibt es für uns auch nichts mehr zu sehen heute.

Manchmal macht so ein Navi ja komische Sachen. Warum ich die Abkürzung (das war wahrscheinlich der Grund für die Streckenführung) durch diese Neibourhood nehmen sollte weiß der Teufel. Hier sieht es noch viel rummeliger aus als in Clarksdale. Bruchbuden ungeahnter Zusammensetzung, Müll am Straßenrand - kein Wunder, da hält genau neben uns ein Auto und der Beifahrer schmeißt zwei Altreifen auf den Bürgersteig. Sitten haben die hier!

Die Gegend um unser Hotel ist aber „safe“. Wir beziehen das Zimmer, kümmern uns um die ersten Fotos und gehen dann nach Downtown. Schon nach 5 Minuten sind wir mitten drin, das Hotel liegt wirklich super! Und da ist auch gleich das empfohlene „The Rendevouz“. Puh, Seitenstraße, sieht auch eher nach Bronx aus. Aber: in den Eisenkästen mit den sehenswerten Kaminen vor (!) dem Restaurant werden die Ribs geräuchert.

Wir gehen rein, riesiger Laden, rappelvoll. Dennoch haben wir nach 5 Minuten einen Tisch und nach weiteren 10 Minuten unser Essen: Ribs „full slab for two“ mit Bohnen und Coleslaw. Super - Fritten machen die gar nicht. Nur Fleisch, Bohnen und Krautsalat. Einziges vegetarisches Gericht: „meatless red beans and rice“. Während wir essen spielt die alte Jukebox hinter uns „Rindin’ with the King“ - B.B. King und Eric Clapton zusammen - passt! Es schmeckt wirklich sehr gut - auch wenn Gabi sagt, dass meine Ribs besser sind. War aber wirklich super lecker und gar nicht so teuer inkl. Bier vom Fass und Cider. Beim rausgehen sehen wir die Dankesbriefe der amerikanischen Präsidenten und Stars, auch beeindruckend.

Jetzt noch in die Beale Street? Ja - kurz! Gleich zu Beginn liegt der „B.B. King Blues Club“, heraus tönt Live-Musik. Und was für eine! Rein, das ist der perfekte Tagesabschluss!! 10 Dollar Eintritt wegen Live-Musik der „B.B. King Allstars“. Geht klar. Auch hier: rappelvoll. Wir erobern zwei Hocker in der ersten Reihe, ich beschaffe Margarita und Bier - dann geben wir uns der Musik hin.

Leute - so was habe ich noch nicht gehört. Die verstehen ihr Handwerk. Drummer, Bassist, B.B.-King-Gitarrist, Keyboarder, der tatsächlich auch auf einer uralten Hammond (oder Wurlitzer?) spielt, Trompete, Sax (machen mächtig Alarm) und zunächst ein Sänger. Da geht voll die Post ab, nix trauriges - pralle Lebensfreude. Dann geht der Sänger und eine junge Frau mit Megafrisur geht ans Mikro. Die hat uns gepackt, weia! So können nur schwarze Stimmen klingen. Jeder Ton Gefühl, Reibeisen, zart, kreischend, schreiend - sensationell. Den Blues hat sie so was von drauf mit dieser Hammer-Band im Rücken, aber auch Tina Turner und Kolleginnen interpretiert sie auf ihre Art. Ihr „You make me feel like a natural woman!“ werde ich nie vergessen. Was hat die da rausgehauen - das höre ich im Leben nicht nochmal so. Grandios!! Georg: Wir haben den ganzen Tag aber gerade da sehr an dich gedacht.

Rückweg zum Hotel, Webseite, Tagebuch, aktuelle Uhrzeit: 23:45 Uhr. Gabi liest jetzt Korrektur und dann mache ich den Deckel drauf. Morgen gehört Memphis uns! Liebe Grüße!!

Tagesetappe: 393 Kilometer
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

Fields of Glory ...

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Jürgen am "Battlefield", Vicksburg National Military Park, Mississippi

Das Frühstück im „The Guest House Historic Mansion“ wird nicht als Buffet gereicht sondern kommt passend zur Ausstattung klassisch daher. Bedienung an den Tisch, Menüauswahl, echte Kaffeebecher, Gläser, Porzellan, Stoffservietten. Wir genehmigen uns diesmal beide die herzhafte Variante: 2 Rühreier, Käse, Bacon, Hashbrowns, Kaffee, O-Saft. Damit kommen wir bis in den Abend.

Schnell sind wir wieder auf den Blues-Highway #61, über den die heutige Strecke komplett führt. Der Streckenabschnitt ist sehr reizvoll; die Gegend wird deutlich hügeliger - in Wellen geht es den Highway hinauf und hinab.

Port Gibson ist eine kleine, liebliche Stadt, die dank der Gutmütigkeit von General Grant („So etwas Schönes darf man nicht niederbrennen“) den Bürgerkrieg unbeschadet überstanden hat. Am Wegesrand liegen wieder viele schön zurechtgemachte Häuser und Baumriesen. Auffällig sind aber auch hier wieder die zahlreichen Kirchen.

Mitten in Port Gibson biegen wir links ab, denn der erste Abstecher steht an. Der Weg allein lohnt - er führt über einen sehr reizvollen und einsamen Straßenabschnitt, gesäumt von Baumwollfeldern (die aber noch nicht bestellt sind und daher nur braunes Gestrüpp aufweisen) und auf den letzten Meilen wucherndem Kudzu-Efeu. Der ist aktuell auch grau. Wenn wir uns vorstellen, wie der in einigen Wochen saftig grün daherkommt - das ist bestimmt ein prächtiges Bild.

Der „Grand Gulf Military State Park“ erinnert an die Zeiten großer Schlachten während des Bürgerkrieges. Wir sind komplett alleine hier, die Rangerin erzählt uns etwas. Außerdem gibt es historische Artefakte in dem Museumsgebäude. Gruselig, sich vorzustellen, dass mit diesen Bajonetten und Säbeln hier höchstwahrscheinlich vor 150 Jahren Menschen getötet wurden. Gleiches gilt für die Schießeisen.

Draußen erkunden wir dann das Gelände. Eine kleine Kirche hat sogar eine historische Orgel, die aber funktionsuntüchtig sein dürfte - so wie die Tastatur beschaffen ist. Vor dem Stallschuppen gegenüber steht ein historisches Feuerwehrfahrzeug, drinnen Kutschen, Leichenwagen und ein historischer RTW, Aufschrift: „Original civil war ambulance Wagon - only one to have seen service in the war 1862“. Wieder ein Stück weiter: der Jail mit original Eisenkäfig im Gebäude. Hier möchte ich auch nicht eingesperrt sein. Mit dem Auto fahren wir die weiteren Punkte an: alter Friedhof und Aussichtsturm, der luftig daherkommt, ein wenig Frühsport abverlangt, aber nicht viel Aussicht zu bieten hat.

Das ehemalige Hafenstädtchen Grand Gulf direkt nebenan hat im Verlauf der Geschichte alle denkbaren Katastrophen ereilt: Überschwemmungen, Versandung des Mississippi, Epidemien (Gelbfieber und Cholera), Feuersbrünste, Verwüstung durch Tornados und die vollständige Zerstörung während des Bürgerkrieges, als die Unionstruppen hier über den Mississippi setzen um dann nach einer schweren Schlacht um Port Gibson weiter nach Jackson und schließlich gen Vicksburg marschieren zu können. Zugewachsene Schützengräber und zahlreiche Schilder erinnern im Wald an die Ereignisse von damals. Gespenstisch!

Wir fahren den Weg zurück nach Fort Gibson, um dann noch einmal abzubiegen. Der Weg ist super kurvig und hügelig, eine Achterbahnfahrt durch zugegeben sehr schönen Wald. 10 Meilen westlich der Stadt finden wir dann die „Windsor Ruins“. 23 korinthische Säulen sind alles, was von dem ehemals größten Plantagenhaus des Südens übrig geblieben ist. Das erst 1860 erbaute Haus fiel bereits 1890 den Flammen zum Opfer. Aktuell wird das baufällige Areal restauriert und ist komplett gesperrt. Wir haben Glück, denn gerade wird der Rasen gemäht. Man ist so nett und lässt und ein paar Fotos schießen, in das Gelände rein dürfen wir nicht - zu gefährlich. Auch hier mach dieser graue Kudzu-Efeu die Landschaft unwirklich.

Wieder zurück auf dem Highway #61 geht es weiter gen Norden. Kurz vor Vicksburg müssen wir mal wieder tanken - immer noch sehr günstig (2,889 $/GAL).

Nun steuern wir das Vicksburg National Military Park/Battlefield Museum an, in dem wir über 2 Stunden verbringen werden. Es ist unserer erster National Park auf dieser Reise. Der Jahrespass lohnt sich auch nach Ansicht des Rangers hier im Südosten nicht.

Auch in Vicksburg florierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Baumwollhandel; die günstige Lage an einer Biegung des Mississippi war sehr vorteilhaft für die Stadt.

Am Eingang des NP befindet sich das Visitor Center mit dem Museum des Parks. Ich bespreche mich mit dem Ranger, er weist auf einige Besonderheiten hin (Straßensperrungen, wie wir fahren sollten etc.) und ich erkläre ihm kurz, was ich über die Bedeutung der Schlacht bei Vicksburg zu wissen meine. Er bestätigt, dass ich richtig informiert bin - auch daran ist „Fackeln im Sturm“ nicht ganz unschuldig. Ein 18-minütiger Film und eine gelungene Ausstellung mit originalen Ausgrabungs- und Schaustücken aus Kriegszeiten erläutern uns in Kürze die Geschichte des Krieges und den Schlachtverlauf bei Vicksburg, wo sich damals 110.000 Soldaten gegenüberstanden, davon 80.000 auf Seiten der Nordstaaten.

Vor uns liegt jetzt eine ca. 15 Meilen (knapp 25 km!) lange Rundstrecke über das riesige Gelände (quasi das „Schlachtfeld“) mit zahlreichen Stops, unzähligen Gedenktafeln, Denkmälern, Heldenstatuen, Gebäuden, Kanonen etc. Zuerst fahren wir an den Stellungen der Unionstruppen vorbei. Immer wenn die Plätze diese Partei betreffen, sind die Schilder blau. Es ist beklemmend, sich vorzustellen, welches Leid diese Landschaft gesehen haben muss. Dabei ist sie so schön: hügelig, saftiges Gras, schöne Bäume. Ich sehe aber vor meinem geistigen Auge die Unionstruppen immer wieder gegen die Stellungen der Konföderierten anrennen, Menschen schreien und verwundet oder tödlich getroffen zu Boden fallen. Der Film von eben wirkt noch nach.

Das „Illinois Memorial“ hat eine große Treppe zu einer riesigen weißen Kuppel zu bieten. Innen wird an Generäle und Anführer aus Illinois erinnert, alles sehr schlicht und mit sagenhafter Akustik. Wir sind auch hier allein, es ist gerade mal keine Busladung angekommen. Gabi singt und es klingt extrem voluminös zurück. Hier verbringen wir etwas Zeit.

Auf dem Vicksburg National Cemetery, dem größten Bürgerkriegsfriedhof, sind 17.000 Menschen begraben, davon 13.000 unbekannt. Grabsteine bis zum Horizont. „Die meisten waren bestimmt Jüngskes!“ meint Gabi. Es waren aber damals alle Altersgruppen aufgerufen und dabei. Wie viel Leid hat dieser Krieg über die Familien gebracht? Totaler Wahnsinn!! „Totaler Wahnsinn“ war meine Idee für den Titel dieses Tagebucheintrages - passt meines Erachtens zu jeder Art von Krieg. Als wir so durch den Park fahren singt dann die unvergleichliche Eva Cassidy „Fields of Gold“ von Sting. Wer die Aufnahme nicht kennt (besonders die Akustikfassung!), sollte sie unbedingt mal anhören. So schön, so traurig. Und sie singt auch von den „Fields of Glory“ - das passt perfekt zu diesem Tag und den Schlachtfeldern, die wir heute gesehen haben.

Neben dem Friedhof liegt das USS Cairo Museum, wo ein wieder ausgegrabenes Kanonenboot aus dem Bürgerkrieg zu besichtigen ist. Das mit Wasserdampf und Schaufelrad angetriebene Boot ist zu allen Seiten mit Kanonen bestückt und zum Teil mit dicken Eisenplatten vor feindlichem Beschuss geschützt. Zum Schluss geht es noch an den Stellungen der Konföderierten entlang (rote Schilder).

Das Schicksal hier in Vicksburg wurde insbesondere durch den Bürgerkrieg bestimmt. 1863 belagerten die Truppen der Nordstaaten unter General Grant die Stadt 7 Wochen lang, bevor sie sich am 04.07.1863 ergab. Am Ende aßen die armen Menschen hier Ratten und Katzen, weil es nichts anderes mehr gab. Mit dem Fall von Vicksburg und der gleichzeitigen Niederlage bei Gettysburg am 03.07.1863 war der Krieg entschieden. Im Osten wurde die größte Südstaatenarmee zerschlagen und bei Vicksburg der wichtigste Nachschubweg abgeschnitten. Der Mississippi war nämlich die Lebensader der Konföderierten Armee. Nur so konnten sie mit wichtigem Nachschub aus nördlichen Staaten versorgt werden, die sich nur halbherzig der Unionsregierung unterordnen wollten. Mehr kann ich hier nicht beschreiben - die Informationen im Detail gehen zu weit.

Nur soviel noch an persönlicher Bemerkung: es waren 1860 die üblichen Zutaten für einen Krieg: „Rot“ (Unionstruppen der Vereinigten Staaten unter Präsident Abraham Lincoln) kämpft gegen „Blau“ (Konföderierte Südstaaten). Rot gegen Blau habe ich 1982 auch bei der Bundeswehr gespielt - genau so gruselig. Da stellte die NATO die „blauen“ - die „roten“ waren die Russen. 1860 fühlte sich „blau“ unfrei, gegängelt von der Union und wollte seinen Wohlstand (insbesondere das Recht auf Sklavenhaltung als Grundlage für diesen Wohlstand) behalten. Rot wollte die „Union“ retten und die Sklaven befreien. Noch ein paar kampfeswillige „Politiker“ dazu, Stimmung in der Bevölkerung aufheizen, kräftig umrühren und schon bringen sich Brüder, Nachbarn, Freunde gegenseitig um. Wer hat Recht? Wie immer im Krieg: niemand. 1863 hat „rot“ gewonnen. Frei waren die Sklaven zwar fortan formal - in den Köpfen ist die Rassentrennung aber vielfach auch heute nicht überwunden. Und auch heute noch bekriegen sich auf der Welt Menschen auf bestialische Weise - und wissen wahrscheinlich vielfach garnicht, warum eigentlich. „Totaler Wahnsinn!“

Wir steuern nun unser Hotel an. Gestern hatte ich noch geschrieben, das es wieder „normal“ wird. Da hatte ich ganz vergessen, dass wir uns für heute in Vicksburg in einem Casinohotel direkt am Mississippi eingebucht haben. Einigermaßen günstig, super Zimmer.

Wir fahren aber gleich nochmal los, weil wir noch Downtown sehen und etwas essen wollen. Dabei finde ich eine abenteuerliche Route, die z.T. über Schotterstraße, an zig „Lost Places“, stillgelegten Eisenbahnwagons vorbei und über ein Betriebsgelände führte - wir sind aber durch- und angekommen.

Downtown erinnert etwas an San Francisco - wegen der extrem steilen Fahrbahnen. Sonst nicht! Hier ist auch der Hund begraben. Nach 10 Minuten haben wir alles gesehen und steuern die Brewery an, die ich eben ausgemacht habe. Cocktail für Gabi, leichtes Bier für mich, Pizza für uns beide. Lecker, günstig, schöne Kneipe!

Zurück im Motel schauen wir noch kurz in das riesige Casino hinein. Unfassbar, diese Menge an Glücksspielgeräten. Roulette etc. geht aber natürlich auch. Wir machen ein Foto und sind nach weniger als 10 Minuten wieder raus. Das ist nicht unsere Welt, ich kann hiermit überhaupt nix anfangen und Gabi auch nicht. Sehr gut so. Denn auch diese Casinos versprechen vielen das „Field of Glory“ - und sind dann am Ende deren Untergang.

Gute Nacht, das war ein Tag mit einem ernsten Thema, welches aber unbedingt zu einer Reise durch die Südstaaten dazu gehört. Morgen wird der Blues-Highway seinem Namen alle Ehre und uns viel Freude machen (hoffe ich sehr)!

Tagesetappe: 228 Kilometer
Übernachtung: WaterView Casino & Hotel by Wyndham, 3990 Washington St., Vicksburg, MS 39180

Hangin' around

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Gabi und Jim am "Under the Hill Saloon", Natchez, Mississippi

Wir haben super geschlafen in unserem palastähnlichen Cottage. Es ist schon wieder eine Stunde später als gewohnt - es gilt ab heute Nacht die „daylight saving time“ (Sommerzeit). Passend dazu hat sich die Sonne bestens herausgeputzt und begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel. Das sieht nochmal schöner aus und wir drehen eine weitere Rund durch „unseren“ tollen Garten. Dabei lässt sich auch Herr Pfau portraitieren und der zweite spannt sogar seinen Kranz auf. Auch die Vogelhäuser haben Format - das vergaß ich gestern zu erwähnen.

Frühstück gibt es im „The Dixie Cafe“, das auch seine ganz eigene Atmosphäre verströmt. Ich lasse es mir deftig schmecken. Neben Rührei mit Käse und Tomaten überbacken gibt es knusprigen Bacon, diese typisch scharfe Südstaatenwurst (wie Chorizzo, aber schmaler), kräftig gewürzte Bratkartoffeln, jede Menge Shrimps, frisch gepressten O-Saft und Kaffee. Ich zwinge ,mich, bei einer Portion zu bleiben - die Fritten und frittierten Shrimps von gestern Abend sättigen immer noch.

Auf dem Rückweg zum Cottage skypen wir mit Vater, der so auch einen Live-Eindruck von dieser tollen Anlage erhält. Schnell sind die Sachen gepackt - es ist dennoch bereits kurz nach 10:00 Uhr, als wir rollen.

Gleich zu Beginn: Blaulicht auf dem Highway - ist etwas passiert? Nö, es ist Sonntag und es fahren so viele Autos auf den Parkplatz zum Gottesdienst, dass die Polizei das begleitet.

Auf dem Programm steht zunächst mal ganz unspektakulär ein Besuch des winzig kleinen Städtchens St. Francisville. Dieses war einst ein wichtiges Zentrum der Baumwollplantagen des Südens und hatte auch als Umschlaghafen seine Bedeutung. Die durch den Bürgerkrieg kaum beeinträchtigte Stadt hat sich ihren lieblichen Charakter und das für eine Südstaatenstadt typische Erscheinungsbild erhalten. Schön ist es heute, durch die restaurierte historische Innenstadt (Ferdinand/Commerce St.) zu schlendern. Dabei kann ich nicht anders, als diese schönen Häuser abzulichten. Wir fangen einen coffee to go im Magnolia Cafe und können so gleich auch mal die Restroom benutzen.

Etwas weiter nördlich biegt links der Highway #66 ab; es ist nur ein kurzer Abstecher zur Greenwood Plantation, bekannt aus „Fackeln im Sturm“. Bei der Anfahrt bitte ich Siri, die Titelmelodie zu spielen und wir sind bester Stimmung. Leider kann man die Plantation nicht ohne Voranmeldung besuchen und weiter als bis zum Tor kommen wir nicht. So erhaschen wir auch keinen Blick auf das schöne Haupthaus, in dem (filmisch) die arme Madelaine von Fiesling David Carradine gequält wurde. Egal - der Weg ist das Ziel und die schöne Gegend entschädigt uns locker.

Wieder auf dem Blues-Highway #61 dauert es nicht lange, bis wir die Staatengrenze nach Mississippi erreichen. Schöne Staatenschilder etc. mit Texten, die wir für unsere „Sammlung“ gut gebrauchen können. Als wir morgens auf die #61 aufgefahren sind, meinte Gabi, es sei Zeit für „Still got the Blues“ von Garry Moore. Siri erfüllt alle Musikwünsche und im weiteren Verlauf unterhält uns der gute Eric Clapton.

Kurz vor Natchez steht rechts am Highway „Mammy’s Cupboard“, ein aus Reiseführern bekanntes Mini-Cafe in der Bauform einer Dame.

Und schon sind wir in Natchez, das viel kleiner, gemütlicher und schöner rüber kommt als wir erwartet haben. Unser historisches Hotel zu finden ist ein Klacks. Leider ist es noch eine Stunde zu früh zum Einchecken und hier machen sie keine Ausnahme. Kein Problem, kurz Google Maps aufgerufen und geschaut, was geht. Um die Ecke ist die Natchez Brewing Company zu Hause - ein super Programmpunkt zur Überbrückung. Es ist schließlich Sonntag. Auf dem Weg passieren wir schöne Gebäude und bunte Blumen. Die Natur scheint hier weiter zu sein. Gut!!

Am Natchez City Auditorium, einem ebenfalls imposanten Gebäude wird die Rassentrennung problematisiert: „Proud to take a stand“ - „stolz gegen Rassismus aufzustehen“. Die Brewery ist ein cooler Ort, ganz nach meinem Geschmack - auch optisch. Alles ist sehr offen und man kann auch draussen sitzen bei dem super Wetter. Deutsche Zutaten werden in Säcken unter der Decke gelagert. Gabi nimmt wie immer ein Cider und ich bekomme meine erste „Flight“, wobei ich selbst bestimmen darf, womit die 4 Probiergläschen befüllt werden. Ich entscheide mich für ein leichtes („Bluff City Blonde“), ein Weizen mit Erdbeergeschmack („Wheat Willy on strawberries“), ein hazy IPA („Capitol“) und ein Coconut-Porter („cast away“). Lustig werden sie serviert in kleinen Schraubgläsern, die wir von zu Hause kennen: da ist sonst Pizzasoße drin, Heiner wird sich schütteln. Wir hängen rum (was hier nicht abwertend aufgefasst wird - „just hang a little bit around“ meint einfach: „lass es dir gut gehen und warte etwas“).

Jetzt gehen wir noch ein paar Schritte zum Mississippi, der eindrucksvoll breit daher fließt. Ein Schild an einer kleinen Bar spricht mich an: „The Little Easy“. Ich hatte ja gestern schon geschrieben, wie toll ich NOLA („The Big Easy“) fand und dennoch das Gefühl habe, wir gehören eher ins Dorf und die Natur. Das wird heute eindrucksvoll bestätigt und „The Little Easy“ passt perfekt zu diesem Tag.

Die Mainstreet hoch, auch hier: schöne Gebäude und ein Schild mit einem Spruch von Martin Luther King, der auch heute (oder gerade heute wieder) seine Bedeutung hat.

Es ist 15:30 Uhr, wie checken ein und bekommen das zu Hause schon ausgesuchte historische Zimmer - denn hier ist jedes anders und du kannst aussuchen, wie du wohnen möchtest. Historisch halt. Passt zum Reiseverlauf - ab morgen wohnen wir aber wieder „normaler“.

Jetzt ist das Tagebuch bis hierher schon fertig und heute Abend habe ich etwas weniger zu tun. Aber jetzt gehen wir auf jeden Fall noch runter zum Fluss. Die Silver Street („Natchez Under the Hill“) soll toll für den Sonnenuntergang sein, ebenso die Promenade am „Broadway“. Im „Under the Hill Saloon“ hängen historische Fotos aus! Da könnten wir ja auch hinein schauen, mal sehen.

Ich schau mal, wo Gabi steckt - die ist vor einiger Zeit verschwunden. Ich finde sie auf dem großen Etagenbalkon im Liegestuhl. Da geselle ich mich mal dazu.

Der Weg hinunter zum Fluß ist später schnell gefunden - auch hier ist alles viel übersichtlicher, als gedacht. Eine ganze Reihe Leuten jeden Alters hängen draußen vor dem Saloon herum, manche am Zaun gegenüber, manche bei ihren Harleys, andere an ihrem Truck. Ich gehe hinein und beschaffe eine Flache Cider und eine Flasche Bier („Southern Pecan - The original Pecan Nut Brownale, ale brewed with roasted pecans). Es sieht so aus, als gäbe es auch Live-Musik. Auf kleinster Fläche stehen ein Drumset, ein Bassist und zwei Gitarristen.

Als ich wieder vor den Saloon trete traue ich meinen Augen kaum: Gabi im angeregten Gespräch mit zwei älteren Herren. Na dann störe ich mal nicht, reiche ihr das Cider und gehe ein paar Fotos schießen. Dabei komme ich ins Gespräch mit einem super netten Typen, der auch eine Nikon hat - aber was für eine: Die nagelneue Nikon Z9, das Flagschiff unter den spiegellosen Nikons. Er hat das gleiche Objektib drauf wie ich, aber eben aus der neuen Z-Serie. Respekt!! Ich darf ein wenig herumprobieren und und bin beeindruckt. Ganz andere Nummer. Nunja, fiftyfive hundrets bucks für allein den Body - das kostet das gute Stück bei uns in Euro. Dafür 45 Megapixel - und extrem hoher Dynamikumfang. Er erzählt, dass er viel Sportfotografie macht, Baseball und so. Dabei schießt er mit dem Teil schon mal 120 Bilder pro Sekunde (!).

Zwischendurch kommt auch der Norweger vorbei, der bei uns im Hotel im Nebenzimmer wohnt und der von Miami Beach nach LA fährt und unterwegs in Vegas seine Frau treffen will. Wir hatten ihm im Hotel mit einigen Hinweisen zu New Mexico, Arizona und Utah helfen können. Wir grüßen uns, als würden wir uns schon ewig kennen.

Nach einer Weile stelle ich fest: wir hängen, inzwischen bei der jeweils zweiten Pulle angekommen, genau so hier rum wie die Locals. Die Harleys knattern mit viel Spektakel davon, es folgt ein Pickup mit noch mehr Radau. „700 Horses“ raunt mir mein Nachbar zu - Hammer, 700 PS!

Ich stelle ganz sachlich fest, wie sehr mir dieses „hangin’ around“ hier gefällt. Ich blicke auf den Mississippi in der Abendsonne, in der Hand eine kleine Pulle Bier, neben mir Gabi und die netten Typen - wir reden über Gott und die Welt, oder gucken einfach mal ein Loch in die Luft. So cool, dieses „hangin’ around“ - ein toller Moment, der mit einer ganzen Portion Dankbarkeit echt zu Herzen geht.

Drinnen gibt die Band alles und die können wirklich was. Schönes Programm, Pink Floyd, viel Blues, aber auch Santana, Jimi Hendrix und Konsorten. Flinke Finger, trotz des Alters. In einer Pause quatsche ich mit dem Bassisten, der gleich „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash für mich spielen will. Jim und Gabi sind mir jetzt auch an die Bar gefolgt und Jim gibt mir noch ein „Pecan“ aus: „Don’t sorrow, I’ve enough money for the rest of my life - if I’ll die on tuesday, haha!“ Jim trinkt Cognac auf Eis aus einem Styroporbecher - die seien hier recht großzügig mit den Spirits. Stimmt, der Becher wird bis oben gefüllt.

Er ist echt ein freundlicher, stiller, älterer Herr, der Jim. Eigentlich kommt er aus Michigan, wo sein Haupthaus steht - auch historisch aus dem Jahr 1889. Das ist im im vergangenen Jahr fast komplett abgebrannt und nun muss er sehen, was er damit macht. Zeitweise lebt er hier in Natchez. Da kommt ein weiterer Gast - er würde jetzt tanzen, wenn ich mag könnte ich mit meiner coolen Kamera mal ein paar Bilder von ihm machen. Das geht natürlich nur mit viel Unschärfe, so wie er hopst und bei der Dunkelheit hier.

Nach über zwei Stunden inmitten dieser feinen, coolen Community müssen wir aufbrechen. Wir hätten schon vor längerer Zeit Abendessen wollen. Nun landen wir im „Bisquits and Blues“ auf der Mainstreet - auch eine Empfehlung von Jim. Ribs mit Bohnen und Cole Slaw für mich, Nudeln mit Hühnchen und Pilzen in cremiger Soße für Gabi. Rappelvoll ist die Bude hier, glücklicherweise waren wir noch nicht zu spät.

Viel zu spät ist es jetzt wieder. Hätte nicht gedacht, doch noch so lange zu schreiben und an den Fotos zu werkeln. Jetzt noch einbauen und ab ins Bett - Gabi liegt schon und da gehöre ich jetzt gleich auch hin. Was war das für ein schöner Tag. Die 2 Stunden am Saloon „under the hill“ werde ich nie vergessen. Gute Nacht!

Tagesetappe: 224 Kilometer
Übernachtung: The Guest House Historic Mansion, 201 N. Pearl Street, Natchez, MS 39120

Old Fashioned

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Jürgen in der Turtle Bar, Houmas House Plantation, Louisiana

Puh - war das wieder ein erlebnisreicher Tag! Ich muss mich heute mal kurz fassen, bin ziemlich müde.

Der Tag begann mit einem leckeren und deftigen Frühstück am Pool im Garten des Best Western, einer kurzen Skype-Session mit Vater und einem 3:3 gegen den 1 FC Köln (naja, immerhin ein Punkt). Auschecken und wir verlassen diese schöne Stadt - und zwar zunächst Richtung Süden.

Wir fahren in den Jean Lafitte National Historic Park und damit noch weiter hinein ins Mündungsdelta des Mississippi. Hier ist alles nur Sumpf und Marshland. Im Barataria Preserve lassen wir uns im Visitor Center kurz beraten. Sehr hilfreich! Viele Trails sind aufgrund des Regens der letzten Tage völlig vermatscht - wir hören, was wir machen können. Dabei sollen wir uns keine Hoffnung auf Alligatorsichtungen machen, dafür sei es einfach nicht warm und sonnig genug. Aber keine Sorge: „sie sind da und auch wenn ihr sie nicht seht - sie sehen euch und sind oft nur weniger als einen Meter entfernt!“ Dabei erfahren wir auch, dass eine der Hauptgefahren darin besteht, dass die Tiere nicht zwischen einer fütternden Hand und einer Hand unterscheiden können. Heißt im Klartext: wenn denen mal jemand etwas gegeben hat, dann ist Hand = Futterquelle. Dementsprechend sollte man auf seine Hände achten, denn die sind gerne im Fokus des Interesses der flinken Räuber.

Wir gehen den Barataria Visitor Center Trail. den Palmetto Trail, den Bayou Coquille Trail, den Wood Duck Trail und den Ring Lavee Trail. Alles super entspannt, viel Sumpf , viel Grün, viel unbewegliche, schwarze, stille Wasseroberfläche, viele Spiegelungen - und eine gewisse Grundspannung, was denn da alles so lauern könnte.“Ihr seht etwas, was wir nicht sehen - wo seid ihr?“

Auf dem Ring Lavee Trail treffen wir einen älteren Herren, der uns ein kurzes Video zeigt. Gerade aufgenommen: 2 Alligatoren queren den Trail und gehen dabei aufeinander los. Weia!! Wie die fauchen und springen - da möchte ich nicht dazwischen geraten. Sorgen macht mir die Mutti vor uns, die ihr kleines Kind immer 30-40 Meter vorlaufen lässt. Das wäre genau der passende Happen „für zwischendurch“. Finde ich fahrlässig!

Uns halten sich die Tiere heute aber fern. Egal, denn die Ruhe, die Luft und die Natur tun gut. So schön NOLA (New Orleans Louisiana) auch war, wir sind eher die Naturtypen und nicht die Stadtmenschen.

Eine kurze Fahrt nach Jean Lafitte zeigt uns, wie eine Swamp-Town so aussieht: trist, sehr auseinander gezogen - Ende der Welt.

Gegen 15:00 Uhr erreichen wie die Houmas House Plantation. Wir wollten unserer Reise unbedingt auch das Erlebnis einer (zugegebener Maßen aufwändigen) Plantagenübernachtung gönnen und waren auf diese Unterkunft gestoßen.

Eine große, zweistöckige Galerie umfasst das Haus, das zu den schönsten Plantagenhäusern der Gegend zählt. Erbaut wurde es 1840, anschließend mehrfach erweitert und 1940 vollkommen restauriert. Mitte des vorletzten Jahrhunderts war sie eine der größten Plantagen des Landes. Es wurden dort auch mehrere Filme gedreht. Mehr noch als das Haus beeindruckt der „liebevoll manikürte Garten“.

Wir bekommen Cottage A1 zugewiesen. Immer 3 Wohneinheiten bilden ein „Cottage“. Und als wir das Zimmer betreten, steht uns zunächst mal der Mund offen. Wow - riesig. In 2 Cottages kann die ganze Nationalmannschaft unterkommen. Dabei ist das alles auch sehr edel und geschmackvoll eingerichtet. Platz haben wir hier massig. Das vierteilige Bad (Waschtisch, Wanne, Dusche, WC) ist so groß wie so manches Zimmer unserer Reise. Wir lassen uns nieder und starten einen Rundgang durch „unseren Garten“ - zumindest ist er das bis morgen früh.

Bilder sagen mehr als 1.000 Worte. Unbeschreiblich, wie schön alles im Detail gestaltet ist und was sich hier an Kunstwerken versteckt - vom Klettermaxe bis zur extrem biegsamen Frau. Selbst einen Hundefriedhof gibt es hier. Hier könnten wir noch stundenlang umherwandern und würden immer wieder neue Ecken entdecken. Ich lasse daher mal Bilder sprechen. Unfassbar schön sind mal wieder die Bäume, die gigantische Ausmaße annehmen und sehr alt sind.

Zwischenstop in der „Turtles Bar“ - benannt nach den Schildkötenpanzern an der Wand. Ich gönne mir einen „Old Fashioned“ (klassischer Whisky-Cocktail, heute aber mit 6-jährigem Rye-Whiskey) und Gabi einen „Brandy Alexander“ (Brandy, Milch, Muskat - schräg, aber super lecker). Die Barfrau ist nicht geizig und schenkt kräftig ein. Wir lassen uns in der abgefahrenen Bar nieder und nach einem halben Getränk sind wir „tipsy“ und haben den Kopf voller Flöhe. Naja, auch hier sprechen die Bilder für sich.

Zurück zum Zimmer, die Bilder überspielen und dann ab zum Abendessen. Hier gibt es drei Restaurants. Ein Nobelteil mit Gängemenü und Weinbegleitung (dafür haben wir nichts anzuziehen ;-), ein einfaches und ein stilvolles, aber machbares, namens Carriage House. Sieht aus wie ein ehemaliger Ballsaal, war aber wohl immer „Esszimmer“. An den Tisch in der Mitte passen locker 35 Personen, sicher auch 40. Hier sitzen größere Gruppen. Drumherum kleinere Tische - einer ist für uns. Glücklicherweise sind die meisten Bedienungen weißer Hautfarbe - es schon alles sehr surreal! Es gibt Shrimp-Poo-Boy mit Fritten sowie LouisiAsian ShortRips als Vorspeise. Sind die zart! Der perfekte Übergang! Noch heute Mittag habe ich angekündigt, das nach der Seafood- und Cajun-Küche der vergangenen Tage ab jetzt mehr BBQ im Vordergrund stehen wird. Alles super lecker, wenn auch etwas zu viel des Guten.

Zurück auf dem Zimmer haben wir nun einen kleinen Jack Daniels und die Arbeit ist fast getan. Noch schnell alles zusammenbauen, dann ist Feierabend. Morgen geht es weiter Richtung Norden - auf zu neuen Abenteuern.

Tagesetappe: 185 Kilometer
Übernachtung: The Inn at Houmas House Estate, 40136 Hwy 942, Darrow, LA 70725

© 2024 Gabi & Jürgen