Tagebuch




Frische Bergluft

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Jürgen an der Newfound Gap, Smoky Mountains NP, Tennessee/North Carolina

Das Frühstück hier in der Lodge ist sehr, sehr einfach amerikanisch, Bisquit, Gravy, Oatmeal, Eggs etc. Aber auch Bagels, Toast, Frischkäse usw. Ich lasse es mal etwas ruhiger angehen - mein Körper muss sich ab nächster Woche ohnehin sehr stark umstellen, sehr (!) stark. Wir wollen nicht zu spät los und sind vor 09:00 Uhr auf dem Weg in den Nationalpark.

Die Great Smoky Mountains, gerne auch nur „Great Smokies“ oder einfach „Smokies“ genannt, liegen im südlichen Zentralgebiet der Appalachen-Gebirgskette. Sie wurden bereits von 200 bis 300 Millionen Jahren geformt und gehören damit zu den ältesten Gebirgen der Welt. Die „rauchenden Berge“ waren bereits den ersten Siedlern bekannt, denn die durch die hohen Niederschläge verursachten Verdunstungsnebel erscheinen wie langsam aufsteigende Rauchschwaden. Reizvoll sind die großen, zusammenhängenden Waldgebiete, die sich wie ein riesiger Teppich über die geschmeidigen Berge legen.

Die Hauptstraße, die Newfound Gap Road fungiert als Verbindungsstraße zwischen den Touristenorten im westlichen North Carolina und Georgia sowie Tennessee. Das mag ein wesentlicher Grund sein für die jährlich 10 Millionen Gäste. Kein Nationalpark in den USA wird so stark besucht (auf Platz 2: Grand Canyon NP mit knapp 5 Mio. Besuchern). Meines Erachtens sind aber auch die auf amerikanischen Familientourismus zugeschnittenen, sehr bunten und mit allerlei Attraktionen „am laufenden Band“ ausgestatteten Ferienorte Pigeon Forge und Gatlinburg starke Magneten - diese Gäste werden dem Nationalpark sicher auch zugerechnet. Im Ernst: für uns erschließt sich die „Nr. 1-Beliebtheit“ nicht ohne weiteres. Klar: wunderschöne Natur mit riesigen Waldgebieten und sanfter Berglandschaft. Eigentliche Höhepunkte wie sie der Grand Canyon, Arches, Yosemite, Canyonlands, Yellowstone, Olympic NP oder andere, die wir kennen lernen durften, haben die „Smokies“ nicht. Da spielt vielleicht auch die Lage im Osten mit großem Einzugsgebiet und vielen Menschen hier eine wesentliche Rolle für die Besucherzahlen.

Bezaubernd ist die Strecke entlang der Little River Road und weiter westlich der Laurel Creek Road, die durch eine Schlucht zum Cades Cove führt, einem schönen Tal, in dem sich im 19. Jhd. die ersten Siedler niedergelassen haben. Hier rollen wir früh morgens mit 35 MPH entlang. Eine Stunde benötigt man, um zur eigentlichen „Loop“ der Cades Cove zu gelangen. Die Straße folgt zuerst dem reißenden Little River und mäandert dabei durch eine schöne Waldlandschaft. Im großen Tal, dem Cades Cove, teilt sie sich und eine Einbahnstraße führt durch das ehemals von Farmern bewohnte Gebiet. Die Landschaft ist einmalig und die Weidefläche bietet einen schönen Kontrast zu den dahinter aufsteigenden Smoky Mountains. An mehreren Punkten steigen wir aus und erkunden alte Siedlungen und eine Reihe von Holzkirchen samt Grabfeldern im Wald. Es ist sehr einsam hier.

Da ist sie, die frische Bergluft, nach der wir uns so gesehnt haben. Dazu strahlend blauer Himmel, fantastisches Wetter. Das Wort „frisch“ hat heute aber eine doppelte Bedeutung. Es ist nämlich rattenkalt. Als wir im Hotel starten, zeigt das Thermometer gerade mal Minus 4 Grad Celsius. So sind wir, vor allem in den ersten Stunden auch immer froh, wenn wir wieder im Auto sitzen.

Neben Holzhütten, die trotz der damals eingeschränkten Möglichkeiten sauber gebaut und stabil errichtet sind und Kirchen finden wir auch eine alte Mühle mitten im Wald. Hier gibt es einige Motive und wir gehen auch ein Stück am reißenden Fluss entlang. Gabi traut sich über einige wacklige Flusskiesel auf eine kleine Plattform an der Wasserstufe.

Die häufigsten Tiere hier sind Schwarzbären sowie Hirsche, Rehe, Biber, Otter, Opossums, Luchse und Füchse. Besonders Hirsche und Rehe lassen sich angeblich in den frühen Abendstunden beim Äsen auf den offenen Weiden im Cades Cove gut beobachten. Von den 23 hier vorkommenden Schlangenarten sind nur 2 giftig - und sehr scheu. Wir sehen keine einzige, obwohl an der „Old Mill“ eindringlich gewarnt wird, aufzupassen, weil die sich gerne im Umfeld der historischen Holzgebäude tummeln.

Leider sind bis auf ein paar Rehe in weiter Ferne und Truthähne am Wegesrand keine Tiere zu sehen. Ist wohl doch die falsche Tageszeit - die Abendstunden dürften besser geeignet sein. Nach gut 4 Stunden ist die gesamte Tour geschafft. Aber es geht noch weiter:

Die Route entlang der Newfound Gap Road führt auf den gleichnamigen Pass (1.539 m). Hier ist der aktuell höchste Punkt, den wir vor dem 01. April erreichen können. Teile des Parks sind noch gesperrt. Auf der Passhöhe ist es auch „frisch“. Die Staatengrenze von North Carolina und Tennessee verläuft hier, so dass wir noch einen weiteren US-Bundesstaat in unserer Sammlung begrüßen dürfen. Ebenso verläuft hier der legendäre sog. „Appalachian Trail“ (AT), auf dem wir mit Tiny nun zumindest mal gestanden haben. Er ist 2.150 Meilen lang und führt durch 14 US-Staaten. Da benötigt man etwas mehr Zeit und Ausdauer, als wir sie wohl je haben werden. Neben dem Pacific-Crest Trail (PCT), der von Mexiko bis Kanada entlang der Westküstengebirge verläuft ist das einer „der“ angesagtesten Wanderwege für Aussteiger/innen. Filmempfehlungen? „Der große Tripp - Wild“ mit Jodie Foster (PCT) und „Picknick mit Bären“ mit Robert Redford (AT).

In den vergangenen Stunden ist ein Plan gereift: die Runde durch die „Cades Cove“ hat uns so gut gefallen, dass es uns reizt, die auch in den Abendstunden zu erleben. Und so schnell kommen wir nicht wieder hin. Also: zurück zum Hotel, einen Teil der Fotoarbeiten erledigen, 45 Minuten Power-Nap und wieder los.

Ja, wir machen die ganze Runde noch einmal, schweben mit schöner Musik durch diese wunderbare Landschaft und genießen. Wir benötigen nun aber „nur“ 3 Stunden, da wir nicht so viel rumlaufen. Das Licht ist ganz anders und wechselt gegen 19:00 Uhr zu rosa-lila. Etwas können wir auch das Ambiente der „rauchenden Berge“ erleben, es wir etwas dunstig am Horizont.

Jetzt haben wir Haber Hunger und Durst. Nicht weit vom Hotel entfernt liegt das „Ole Red“. Hinein und an die Theke. Ich teile der Kellnerin meine Freude darüber mit, dass es sogar Live Musik gibt. Ein junger Mann spielt auf der großen Bühne Gitarre und singt dazu. „Haben wir jeden Tag - drei mal!“ lächelt sie zurück. Ok!

Großer Durst, große Gläser. Cider und „Red Amber Beer“ - 600 ml fasst jedes Glas und wir dürfen die sogar mit nach Hause nehmen. Wir trinken zwei und essen Wings und Nachos - gigantische Portionen, die Nachos sind nicht zu schaffe.

Ich unterhalte mich sehr angeregt mit einem Rentnerpaar neben uns. Dabei gerate ich auf sehr dünnes Eis und breche das ein oder andere Mal bestimmt ein. Wir kommen auf die Weltpolitik und ich gebe bekannt, dass ich höflicherweise politische Themen an der Theke gerne vermeide. Es lässt sich aber nicht vermeiden denn er fragt, wie es in Deutschland sei? Ob sich die Welt und die Menschen dort auch verändert hätten? Und ob dort auch viele „rückwärts gewandt“ seien. Muss ich bestätigen, gebe aber gleich zu bedenken, dass die Strömungen, die Deutschland isolieren wollen und national unterwegs sind, nicht meine Zustimmung erfahren. „Die Welt braucht Frieden, Zusammenhalt, Unterstützung und nicht Ausgrenzung, Egoismus und das Wiederaufleben alter Unsitten“. Die beiden kommen aus Michigan. Seine Frau nickt viel, wenn ich spreche. Sie ist in Deutschland geboren, dann aber bereits im Alter von einem Jahr mit ihren Eltern nach Hawaii gekommen. Außerdem scheint sie indianischen Ursprungs zu sein. Also werfe ich auch gleich die Themen „Rassentrennung“, „Diskriminierung“, „Pride“ und mein Unverständnis, dass man in Deutschland im Kindergarten nicht mehr von „Indianern“, sondern von „Indigenen“ sprechen soll etc. mit auf. Ein bunter Blumenstrauß mit Fettnäpfchen am Wegesrand. Ich habe mich aber gut geschlagen, glaube ich. Meine Meinung kennt er jetzt jedenfalls - mit seiner rückte er nicht so richtig raus, da versuchte er diplomatisch zu sein …

Jetzt ist fertig und Feierabend. Gute Nacht - morgen lockt der Sonderzug nach Pankow, es geht nach Chattanooga …

Tagesetappe: 251 Kilometer
Übernachtung: Greystone Lodge on the River, Gatlinburg, 559 Parkway, Gatlinburg, TN 37738-3201

Old Fashioned

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Jürgen in der Turtle Bar, Houmas House Plantation, Louisiana

Puh - war das wieder ein erlebnisreicher Tag! Ich muss mich heute mal kurz fassen, bin ziemlich müde.

Der Tag begann mit einem leckeren und deftigen Frühstück am Pool im Garten des Best Western, einer kurzen Skype-Session mit Vater und einem 3:3 gegen den 1 FC Köln (naja, immerhin ein Punkt). Auschecken und wir verlassen diese schöne Stadt - und zwar zunächst Richtung Süden.

Wir fahren in den Jean Lafitte National Historic Park und damit noch weiter hinein ins Mündungsdelta des Mississippi. Hier ist alles nur Sumpf und Marshland. Im Barataria Preserve lassen wir uns im Visitor Center kurz beraten. Sehr hilfreich! Viele Trails sind aufgrund des Regens der letzten Tage völlig vermatscht - wir hören, was wir machen können. Dabei sollen wir uns keine Hoffnung auf Alligatorsichtungen machen, dafür sei es einfach nicht warm und sonnig genug. Aber keine Sorge: „sie sind da und auch wenn ihr sie nicht seht - sie sehen euch und sind oft nur weniger als einen Meter entfernt!“ Dabei erfahren wir auch, dass eine der Hauptgefahren darin besteht, dass die Tiere nicht zwischen einer fütternden Hand und einer Hand unterscheiden können. Heißt im Klartext: wenn denen mal jemand etwas gegeben hat, dann ist Hand = Futterquelle. Dementsprechend sollte man auf seine Hände achten, denn die sind gerne im Fokus des Interesses der flinken Räuber.

Wir gehen den Barataria Visitor Center Trail. den Palmetto Trail, den Bayou Coquille Trail, den Wood Duck Trail und den Ring Lavee Trail. Alles super entspannt, viel Sumpf , viel Grün, viel unbewegliche, schwarze, stille Wasseroberfläche, viele Spiegelungen - und eine gewisse Grundspannung, was denn da alles so lauern könnte.“Ihr seht etwas, was wir nicht sehen - wo seid ihr?“

Auf dem Ring Lavee Trail treffen wir einen älteren Herren, der uns ein kurzes Video zeigt. Gerade aufgenommen: 2 Alligatoren queren den Trail und gehen dabei aufeinander los. Weia!! Wie die fauchen und springen - da möchte ich nicht dazwischen geraten. Sorgen macht mir die Mutti vor uns, die ihr kleines Kind immer 30-40 Meter vorlaufen lässt. Das wäre genau der passende Happen „für zwischendurch“. Finde ich fahrlässig!

Uns halten sich die Tiere heute aber fern. Egal, denn die Ruhe, die Luft und die Natur tun gut. So schön NOLA (New Orleans Louisiana) auch war, wir sind eher die Naturtypen und nicht die Stadtmenschen.

Eine kurze Fahrt nach Jean Lafitte zeigt uns, wie eine Swamp-Town so aussieht: trist, sehr auseinander gezogen - Ende der Welt.

Gegen 15:00 Uhr erreichen wie die Houmas House Plantation. Wir wollten unserer Reise unbedingt auch das Erlebnis einer (zugegebener Maßen aufwändigen) Plantagenübernachtung gönnen und waren auf diese Unterkunft gestoßen.

Eine große, zweistöckige Galerie umfasst das Haus, das zu den schönsten Plantagenhäusern der Gegend zählt. Erbaut wurde es 1840, anschließend mehrfach erweitert und 1940 vollkommen restauriert. Mitte des vorletzten Jahrhunderts war sie eine der größten Plantagen des Landes. Es wurden dort auch mehrere Filme gedreht. Mehr noch als das Haus beeindruckt der „liebevoll manikürte Garten“.

Wir bekommen Cottage A1 zugewiesen. Immer 3 Wohneinheiten bilden ein „Cottage“. Und als wir das Zimmer betreten, steht uns zunächst mal der Mund offen. Wow - riesig. In 2 Cottages kann die ganze Nationalmannschaft unterkommen. Dabei ist das alles auch sehr edel und geschmackvoll eingerichtet. Platz haben wir hier massig. Das vierteilige Bad (Waschtisch, Wanne, Dusche, WC) ist so groß wie so manches Zimmer unserer Reise. Wir lassen uns nieder und starten einen Rundgang durch „unseren Garten“ - zumindest ist er das bis morgen früh.

Bilder sagen mehr als 1.000 Worte. Unbeschreiblich, wie schön alles im Detail gestaltet ist und was sich hier an Kunstwerken versteckt - vom Klettermaxe bis zur extrem biegsamen Frau. Selbst einen Hundefriedhof gibt es hier. Hier könnten wir noch stundenlang umherwandern und würden immer wieder neue Ecken entdecken. Ich lasse daher mal Bilder sprechen. Unfassbar schön sind mal wieder die Bäume, die gigantische Ausmaße annehmen und sehr alt sind.

Zwischenstop in der „Turtles Bar“ - benannt nach den Schildkötenpanzern an der Wand. Ich gönne mir einen „Old Fashioned“ (klassischer Whisky-Cocktail, heute aber mit 6-jährigem Rye-Whiskey) und Gabi einen „Brandy Alexander“ (Brandy, Milch, Muskat - schräg, aber super lecker). Die Barfrau ist nicht geizig und schenkt kräftig ein. Wir lassen uns in der abgefahrenen Bar nieder und nach einem halben Getränk sind wir „tipsy“ und haben den Kopf voller Flöhe. Naja, auch hier sprechen die Bilder für sich.

Zurück zum Zimmer, die Bilder überspielen und dann ab zum Abendessen. Hier gibt es drei Restaurants. Ein Nobelteil mit Gängemenü und Weinbegleitung (dafür haben wir nichts anzuziehen ;-), ein einfaches und ein stilvolles, aber machbares, namens Carriage House. Sieht aus wie ein ehemaliger Ballsaal, war aber wohl immer „Esszimmer“. An den Tisch in der Mitte passen locker 35 Personen, sicher auch 40. Hier sitzen größere Gruppen. Drumherum kleinere Tische - einer ist für uns. Glücklicherweise sind die meisten Bedienungen weißer Hautfarbe - es schon alles sehr surreal! Es gibt Shrimp-Poo-Boy mit Fritten sowie LouisiAsian ShortRips als Vorspeise. Sind die zart! Der perfekte Übergang! Noch heute Mittag habe ich angekündigt, das nach der Seafood- und Cajun-Küche der vergangenen Tage ab jetzt mehr BBQ im Vordergrund stehen wird. Alles super lecker, wenn auch etwas zu viel des Guten.

Zurück auf dem Zimmer haben wir nun einen kleinen Jack Daniels und die Arbeit ist fast getan. Noch schnell alles zusammenbauen, dann ist Feierabend. Morgen geht es weiter Richtung Norden - auf zu neuen Abenteuern.

Tagesetappe: 185 Kilometer
Übernachtung: The Inn at Houmas House Estate, 40136 Hwy 942, Darrow, LA 70725

A lot of water

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Jürgen am Beach von Alligator Point, Florida

Das „Americas Best Value Lake City“ ist nun wirklich nicht die allerbeste Empfehlung - es tat aber seinen Zweck. Und ich werde es allein deshalb nie vergessen, weil ich um Mitternacht im Schlafanzug draussen vor der Tür auf dem Parkplatz (um Gabi nicht zu stören) ein sehr wichtiges dienstliches Telefonat führen musste. Angezeigt war eine kollegiale Beratung anlässlich des schrecklichen Brandes in einem Seniorenheim in Bedburg-Hau. Anschließend fällt das Einschlafen naturgemäß nicht leicht. Meine Gedanken sind bei den betroffenen Familien, den Pflegekräften (die sicherlich Schlimmes durchgemacht haben) und natürlich bei den Einsatzkräften von Rettungsdienst, Feuerwehr, Kreisleitstelle und Polizei sowie meinen Kolleginnen und Kollegen der Kreisverwaltung, die sich jetzt gerade den damit verbundenen Herausforderungen stellen.

Wir sind in Florida und die Sonne scheint (noch). Vor uns liegt ein Tag mit einem sehr abwechslungsreichen Programm. Dabei spielt jede Menge Wasser eine Hauptrolle. Frühstück kann man den Kaffee und die Muffins mit ergänzendem Obst nicht wirklich nennen, was im Motel angeboten wird. Aber ich habe ja einiges zuzusetzen, wie die Fotos zeigen - Mann o Mann, so schlecht „in Shape“ war ich lange nicht mehr. Die wochenlange Erkältung ohne Sport hat seine Spuren hinterlassen. Aber versprochen: nach unserer Rückkehr werde ich das Peloton-Bike sehr intensiv nutzen - meine Community von „Spin to Slim“ und „RockGoesPeloton“ wartet nur darauf, mich wieder herauszufordern.

Nach wenigen Meilen erreichen wir den Suwannee River State Park. Eintritt 5,00 $ - das passt! Tickets gibt es nicht, nur eine Art „Opferstock“, in die ich den Schein zwänge - nicht ohne zuvor darauf unser Kennzeichen und das Datum notiert zu haben (falls mal jemand fragt). Hier ist niemand anzutreffen, nur die Vögel zwitschern. Das ist eine sagenhafte Atmosphäre, die wir sehr genießen. Wir gehen den „Suwannee River Trail“ und den „Lime Sink Run Trail“, beobachten die großen Raubvögel, die hier kreisen und auch „Woody Woodpecker“, der seinen Schnabel gegen die Baumrinde hämmert. Zu weit weg zum fotografieren - aber ein tolles Erlebnis. Wie gestern schon hängen auch hier einige Angelhaken mit „Schwimmer“ in den Bäumen - Angler aufgepasst!

Das ist hier ein wunderbares Gebiet zum Erholen abseits der Trampelpfade des Massentourismus. Der Suwannee River ist übrigens ein vielbesungener Fluss; er entspringt in den Okefenokee Swamps in Georgia, die wir gestern besucht haben; er schlängelt sich durch wilde Zypressenwälder. Das war ein super Stop!!

Mit zwischenzeitlichem Tankstop und einem „Crispy Chicken Sandwich“ für den kleinen Hunger zwischendurch erreichen wir gegen 12:45 Uhr den „Edward Ball Wakulla Springs State Park“. Die Quellen gehören zu den größten Süßwasserquellen der Welt (!). Deren Austritt liegt 55 m unter der Wasseroberfläche; hier sprudeln pro Minute (!!) 2,5 Million Liter Wasser (!!) aus einem Erosionstrichter und bilden eine seeähnliche Wasserfläche, die nun vor uns liegt. Unfassbar!

An den Ufern stehen mit spanish moss behangene Baumriesen. Die dazugehörige Lodge kann sich sehen lassen. Eine Bootstour wäre nur um 15:00 Uhr möglich, was uns zu spät ist. Satt dessen nehmen wir lieber zwei Trails in Angriff, die uns durch den Urwald führen: der Hammock Spur Trail und ein kleines Stück des insgesamt 6 Meilen langen Sally Ward Trails geben uns nochmals Ruhe, das Gefühl, komplett alleine auf der Welt zu sein und eins mit der Natur zu werden. Schön zu wissen, dass Johnny Weißmüller hier seine Tarzan-Filme gedreht hat - das macht die Wanderung noch mystischer - ein weiterer Movie-Spot.

Es ist Nachmittag geworden und wir steuern nun unser Motel in Carravelle an. Einen kleinen Umweg gönnen wir uns noch, denn unsere Ankunft an der Küste des sog. „Panhandle“ (Pfannenstiel) von Florida muss gebührend begangen werden. Bislang haben wir unser Planung fast immer 1:1 umsetzen können - so auch heute. Wir fahren noch ein paar Meilen zur Ortschaft „Alligator Point“. Hier finden wir typische Florida-Strandhäuser in den gewohnten Pastellfarben. Sehr nobel liegen sie aufgereiht am weißen Sandstrand. Die Häuser in zweiter Reihe dürfen auch mal extravagant daher kommen.

Nun weiß ich auch, warum die Leute hier so große Autos benötigen. Es ist schon beeindruckend, wie vollständig ausgerüstet man hier den Tag am Strand verbringt. Vom Zelt über den Windschutz, halber Küche und Drohne inklusive Landeplatz ist alles dabei. Über allem schwebt aber der Flair von Nichtstun und „relaxed“ sein - und das bei blauem Himmel - herrlich!!

Am Motel in Carrabelle schaue ich mal kurz auf den Wetterbericht für morgen - gar nicht gut! Regen und Gewitter entlang der gesamten Küste. Das wird schwierig, aber übermorgen ist schon wieder alles gut.

So nutzen wir die sonnige Zeit, die uns heute noch bleibt. Warm genug ist es mit schwülen 25 Grad ohnehin und die kurzen Hosen bleiben in den nächsten Tagen Programm. Ab mit dem Auto die 1,3 Meilen zurück in den „Ortskern“. In Harry’s Bar trinken wir Bier vom Fass und Cider in einer Art Biergarten. Hinten in der Ecke schrummeln eine Dame und ein Herr (ebenfalls Gäste) auf zwei Gitarren. Am Nebentisch, gut 4 Meter entfernt, sitzen zwei amerikanisch-kanadische Paare, die sich mit uns lautstark unterhalten. Im Hintergrund dudelt noch (zugegeben schöne) Musik. Dazu piksen uns winzigkleine Mosquitos, die kaum zu sehen sind, aber richtig gut beißen können. Klasse, so mögen wir das!

Letzter Stop des Tages: „Morning Bite Restaurant“. Hier an der Küste dürfen es auch mal Meeresfrüchte sein. Ich entscheide mich für „Shrimps Grids“, ein typisches Südstaatengericht mit Schrimps und einer Art Polenta, die sehr „spicy“ gewürzt ist. Schmeckt mir richtig gut. Gabi hat Chicken (die könnten ja theoretisch auch schwimmen) mit Nudeln.

Wir haben eine Menge Wasser gesehen heute. Ich kann die Menge, die diese Quelle bei Wakulla Springs erzeugt, immer noch nicht fassen. Ich hatte das aber zu Hause schon recherchiert und es wurde heute bestätigt. Darauf jetzt noch einen Becher Wein - das beste „Wasser“ ever und dann folgt eine hoffentlich gute Nacht. See you!!

Tagesetappe: 298 Kilometer
Übernachtung: Franklin Inn, 1589 Highway 98 West, Carrabelle, FL 32322

Gator Day

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Gabi am Eingangsschild zu den Okefenokee Swamps, Georgia

Das Best Western Motel auf der schönen Insel St. Simons liegt in einer Art „Wohngebiet“ - oder soll ich es besser „Reservat“ nennen? Es liegt jedenfalls sehr schön und vor allem ruhig, was uns auch eine gute Nacht beschert. Das Frühstück ist gut (amerikanisch) inklusive Wahlkampf im TV.

Wir haben heute nur ein Ziel: die „Okefenokee Swamps“, die sich ca. 90 Fahrminuten südwestlich von uns befinden. Das riesige Sumpfgebiet hat zwei Zugänge: einen westlichen und einen östlichen. Da wir von der Küste kommen ist klar, dass wir in jedem Fall das westliche Gebiet rund um die Suwannee River Recreational Area besuchen. Wieder geht es über die riesige Brücke bei Jekyll Island und dann den gesamten Tag (und damit rd. 300 Kilometer) immer geradeaus. Bremsen ist fast überflüssig - manchmal abbiegen, dann wieder meilenweit laufen lassen. Das erzeugt geringe Drehzahlen und somit einen erfreulich günstigen Spritverbrauch. Ich schaffe es heute auf bisher unerreichte 39,9 Meilen/Gallone (wer Zeit und Lust hat könnte das mal umrechnen in Liter auf 100 km - dafür habe ich leider keine Zeit). Das ist aber sehr günstig!

Der Tagespass für das gesamte Gebiet kostet 5,00 $/Auto. Auch das ist ein Schnapper. Apropos: Alligatoren werden heute die Hauptrolle spielen, denn wie Ingrid uns schon zu Recht mitgeteilt hat: hier leben viele Cousins und Cousinen von den lieben Alis und Gators aus dem Caw Caw Interpretive Center, das wir am vergangenen Donnerstag besuchten.

Im Visitor Center lernen wir Mason kennen, einen jungen Mann, der heute unser Tourguide sein wird. Um 12:00 Uhr startet nämlich eine 90-minütige Bootstour, die er leitet und an der wir teilnehmen wollen. Da wir noch eine gute Dreiviertel Stunde Zeit haben, nehmen wir zum Aufwärmen schon mal den „Cane Pole Trail“ unter die Füße. Gemütlich spazieren wir am Kanal entlang - es ist schließlich Sonntagmorgen. Und dabei entdecken wir auch schon die ersten beiden Alligatoren, allerdings noch etwas weiter weg. Der erste von den beiden liegt fotogen in einer Art „Durchgang“.

Es ist 12:00 Uhr und pünktlich startet unser Boot, das außer uns noch 2 amerikanische Paare nutzen. Klasse, zu sechst sind wir eine kleine Gruppe und haben viel Platz an Bord. Mason erklärt sehr viel und ist stets darauf bedacht, uns die Schönheit der Landschaft, aber natürlich auch die Alligatoren, Schildkröten, Vögel etc. nahe zu bringen. Dabei achtet er peinlich genau darauf, diese nicht zu stören. Klappt: Motor immer wieder mal ausmachen, treiben lassen, nicht zu nahe heran die die Tiere. Finde ich gut, denn wir kommen denen trotzdem sehr nahe. Klasse Tour!

Das Wort „Okefenokee“ stammt aus der Sprache der Hitchiti-Mikasuki-Ureinwohner und bedeutet so viel wie „bebende Erde“ (weil auf dem schwarzen Wasser alles bei der kleinsten Bewegung zu „beben“ scheint). Es handelt sich mit den 630 Quadratmeilen um den größten Schwarzwasser-Sumpf in Nordamerika und eines der weltweit größten intakten Frischwasser-Ökosysteme. Eine Durchquerung von Ost nach West per Kanu und Zeltausrüstung (eine dieser Abenteurer begegnen uns auf unserer Tour) dauert 4-5 Tage. 10.000 bis 13.000 amerikanische Alligatoren leben hier - und bestimmt 30-40 davon haben wir heute gesehen. Es gibt aber auch diverse Schlangenarten (die größte ist die Indigo Snake mit über 2 Metern Länge), Bobcats, Schwarzbären, viele, viele Vogelarten und mehr.

Das Wasser ist so schwarz, weil sehr viele Blätter und andere organische Substanzen dort von Mikroorganismen zersetzt werden und als Schwebstoffe alles schwarz färben. Das Wasser fließt außerdem kaum und ist auch recht sauer, was einen sehr speziellen Lebensraum erzeugt.

Mich begeistern die wahnsinnigen Spiegelungen, mir wird manchmal richtig schwindelig, weil ich die Grenze zwischen „oben“ und „unten“ oft gar nicht mehr richtig zuordnen kann. Ich finde auch die Zypressen mit ihrem „Elefantenfuß“ richtig gut. Oft halte ich die Kamera knapp über die Wasseroberfläche, um einen tiefen Blickwinkel „auf Augenhöhe“ mit den Alligatoren zu bekommen. Ist ganz gut gelungen, finde ich.

Der Kanal, auf dem wir zunächst fahren, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Suwanee Canal Company errichtet. Die haben hier fast alle Zypressen gefällt, Macon spricht von mehreren Millionen (oder sogar Milliarden?) Längenmetern. Um das Holz besser abtransportieren zu können, haben sie diesen schnurgeraden Kanal gebaut, durch den wir heute fahren. Später biegen wir aber noch ab und erreichen die „Prairie“ - eine weite, offene Wasserfläche mit Wasserlilien und „never wet“-Pflanzen, deren Blätter tatsächlich niemals nass werden können, weil Wasser komplett abperlt. Die sehen gut aus mit ihren gelben (für mich an Anthurien erinnernden) Blütenständen.

Hier finden wir einige besonders fette Exemplare der Schnappmäuler und auch pflanzliche „Kollegen“, die Insekten „schnappen“ und nicht mehr loslassen. Immer wieder sehen wir auch die verschiedensten Vögel am Ufer.

Das hat uns so gut gefahren, dass wir die Option, auch den östlichen Abschnitt des Parkes zu besuchen, trotz des Umweges gerne in Angriff nehmen. Zur Stärkung lassen wir uns noch 2 Tuna-Sandwiches „mit allem“ bauen und mampfen frohgemut weiter Richtung Westen. Fahren kann das Auto ja fast von allein - immer geradeaus.

Im Stephen C Foster State Park, wie der östliche Abschnitt auch heißt, sind gegen 15:30 Uhr für heute leider keine Bootstouren mehr zu bekommen. Egal - gelaufen sind wir heute ohnehin viel zu wenig. Wir begeben uns also auf den Nature Trail mit Boardwalk und Gabi hat mit ihrem guten Auge auch schnell 2 Schlangen entdeckt, die unbeweglich aufeinander liegen und gerade Hochzeit feiern. Na dann viel Spaß! Auch einen fetten Alligator entdecken wir später im kleinen Hafenbecken am Ende des Trails.

Letzte Unternehmung für heute: eine Fahrt entlang des „Suwannee River Sill“, einem weiteren Kanal, der an einem Staudamm endet. Der Tag neigt sich dem Ende zu und die Farben spielen verrückt. Gelb- und Lilatöne mischen sich ins Abendlicht.

Nach 45 Minuten erreichen wir die Staatsgrenze zwischen Georgia und Florida und schießen weitere Bilder für die Staatenschildersammlung“. Eine Viertel Stunde später sind wir im Motel, das das günstigste unserer Reise ist und auch deutlich spartanisch daher kommt. Aber: ok!

Hunger haben wir nicht mehr wirklich heute. Wir haben noch Nektarinen, eine Paprika und dazu eine Orange und Banane aus der Hotel-Lobby. Ich besorge Eis aus der Eismaschine und so haben wir gekühlte Weinschorle, die ich gleich noch mit ein paar Chips krönen werde.

Heute Morgen habe ich noch gesagt, dass ich heute Abend viel schnell fertig bin als sonst, weil es heute ja nichts zu schreiben gibt. War ein Irrtum - gute Nacht! Uns geht es gold!

Tagesetappe: 317 Kilometer
Übernachtung: Americas Best Value Inn, 3835 West US Highway 90, Lake City, FL 32055

Die „Perlen des Südens“

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Gabi mit Alligator im Caw Caw Interpretive Center, Charleston, South Carolina

Das war eine sehr, sehr gute Nacht! Das Zimmer ist super und wir wachen guter Dinge auf. Frühstück gibt es hier nicht; Gabi hat aber die Kaffeemaschine im Griff und da heute im Wesentlichen „nur“ die Stadtbesichtigung ansteht, lassen wir uns erst mal Zeit und rekapitulieren, was uns heute erwartet:

Charleston hat 136.000 Einwohner/innen und ist laut Reiseführer einer der Höhepunkte auf einer Reise in den Süden der USA. Nahezu 2.000 alte, meist liebevoll restaurierte und manchmal sogar bunt angemalte Häuser aus allen historischen „Epochen“ der USA (750 allein aus der Zeit vor 1840!!) locken hier jährlich viele Touristen an. Aber auch die Geschichte der Stadt, die ihren Anfang 1670 genommen hat und vor allem mit dem Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges durch den Beschuss von Fort Sumter ihren Höhepunkt erreicht hat, begleitet diesen Ort bis heute.

Die „Perle des Südens“ ist ein teures Pflaster: ein kleines Haus im historischen Distrikt mit etwa 70 qm Wohnfläche kostet ab 1,5 Mio. $, meist aber auch viel mehr.

Dabei hat die „Bilderbucharchitektur“ von Charleston eine auffällige Besonderheit: Fast alle Häuser haben eine schmale Straßenfront, ziehen sich dafür aber scheinbar endlos in die Tiefe, wobei der Hauptbalkon zur Seite hin zeigt (Haussteuern wurden früher nach dem Anteil der bebauten Straßenfront berechnet).

Die Gründung von Charleston hängt mit einer Schenkung von King Charles II. von England im Jahr 1663 zusammen. Acht seiner Freunde vermachte er den Landstreifen zwischen dem heutigen Virginia und Florida. Die ersten 147 Siedler gelangten auf drei Schiffen im Jahr 1670 an die Westufer des die Halbinsel umgebenden Flusses und nannten ihn „Ashley“. Das Gebiet nannten sie später zu Ehren ihres Königs „Charles Towne“.

Bereits in den ersten Jahrzehnten lebten in Charleston viele Sklaven, Plantagenbesitzer aus der Karibik und Hugenotten aus Frankreich. Den Reichtum von Charleston stellten vier Produkte sicher: Reis, der schon den alten Ägyptern bekannte Farbstoff Indigo, die von den Indianern gelieferten Hirschfelle und Baumwolle.

Auch im Bürgerkrieg spielte Charleston sehr wichtige Rolle, wenn auch keine ruhmreiche. „Fackeln im Sturm“ hat uns das sehr eindrucksvoll näher gebracht und wenn man viel „Hollywood“ abzieht bekommt man beim Schauen der Serie einen sehr, sehr tiefen Eindruck in die damalige Zeit. Wir haben sehr gut mitfühlen können und haben zumindest eine Vorstellung davon, wie die Leute damals tickten. Da war nix mit abends auf dem Sofa sitzen und fernsehen. Harte Zeiten!

Da South Carolina seinen Reichtum wie auch die anderen Südstaaten nicht zuletzt der Sklavenhaltung verdankten, lehnten sich die Charlestoner damals gegen die Forderung der Nordstaaten auf, die Sklaven freizulassen. Dies führte schließlich zum Bürgerkrieg, der praktisch vor den Toren der Stadt am 12.04.1861 begann: die Unionstruppen in Fort Sumter wurden 34 Stunden lang unter Beschuss genommen. Von der East Battery schauten Tausende von Charlestonern dem Spektakel zu, bis sich die Unionstruppen schließlich ergaben. Hier in Charleston endete 1865 der Bürgerkrieg auch, nachdem General Sherman den Bewohnern die Verbindungswege abgeschnitten hatte und sie so zur Aufgabe zwang.

Nach dem Bürgerkrieg verlor Charleston seine herausragende Rolle sehr schnell. Die historischen Veränderungen (insbesondere die zumindest formale Abschaffung der Sklaverei) und der technische Fortschritt hatten die Grundlagen des Reichtum schwinden lassen und Charleston stand plötzlich auf Platz 1 der ärmsten Städte Amerikas.

Auch der „Charleston“, einer der beliebtesten Tänze der 1920er-Jahre, hat hier seinen Ursprung, als unbekannte Jazzmusiker die Musik dazu in den armen Townships erfanden und junge Leute zu den neuen Rhythmen in einem Jugendheim tanzten. Das ist doch mal was Erfreuliches!

Wir stellen unser Auto im Parkhaus am Visitor Center ab, schauen dort kurz hinein und machen uns dann auf den Weg. Immer die Meeting Street Richtung Süden, vorbei an den Freunden der Feuerwehr geht es bis zur Market Street. Hier gibt es die meisten Restaurants, Shops etc. Auch die „Market Hall“ findet sich hier mit allerlei Tand, aber auch sehr schönen handgemachten Dingen aus der Region. Schon erreichen wir den Waterfront Park mit einem langen Jetty. Die Möwen ziehen auch den Kopf ein ob des lausigen Windes, der uns hier mächtig um die Ohren zieht. Es ist ruppig frisch am Vormittag. Im Park finden wir wieder die „Live Oaks“ und auch den Brunnen mit der Ananas, der aber aktuell instand gesetzt wird.

Überhaupt wird sehr viel renoviert hier, insbesondere die imposanten Villen bekommen einen kompletten Anstrich etc. Wenn dann ein „Historic Marker“ darauf aufmerksam macht, dass genau hier im 19. Jahrhundert einer der größten Sklavenmärkte der Region war, fühlt sich das uralte Kopfsteinpflaster nochmal so hart an. Der „älteste Liquor Store der USA“ datiert von 1686 - Respekt! Vorbei an der „Rainbow Row“ mit den bunten Häusern steuern wir den Battery Park an - auch hier: Villen ohne Ende!

Im Battery Park finden sich alte Kanonen inkl. Kugeln, aber auch martialische Denkmäler, deren Darsteller alle Richtung Fort Sumpter winken, das weit draußen in der Hafeneinfahrt auf einer kleinen Insel liegt. Das erste ist den „Konföderierten Verteidigern von Charleston (1861-1865)“ gewidmet, das zweite, schöner inmitten der alten Eichen gelegen, den Helden des Unabhängigkeitskrieges (1775-1783). Naja, wer es mag …

Auf dem Rückweg Richtung Market Street finden wir weitere imposante Villen und Bäume, aber auch die St. Michaelskirche und eine weitere, die auch einen interessanten Schindelturm hat.

Jetzt: Hunger und Durst! Wir hatten kein Frühstück. Dafür gibt es jetzt Milchkaffee mit Beilage. Die besteht bei Gabi aus einem „Chicken Sandwich“, welches sich als waschechter Burger entpuppt und bei mir aus einem „Shrimp Po’ Boy“, eine der Spezialitäten der Südstaaten. Da beides von reichlich Fritten begleitet wird werden wir so richtig satt. Anschließend strolchen wir noch etwas durch das Viertel der Market Street und inzwischen ist auch die Sonne raus gekommen. Da wirkt alles gleich viel freundlicher. Bald ist schon wieder Weihnachten und da informieren wir uns lieber frühzeitig, was dieses Jahr in Mode kommt (Pink Candy - brrrr).

Wir haben über 10.000 Schritte beisammen, mit der Pferdekutsche fahren wir nicht (aber genügend andere). Was super schön war heute: wenig Leute, kaum Betrieb, alles sehr gelassen. Klasse!!

Es ist 14:30 Uhr und wir sind des Kopfsteinpflasters müde. In unserer Vorplanung hatte ich noch das „Caw Caw Interpretive Center“ aufgetan: dieses liegt 16 Meilen westlich von Charleston und ist angeblich bestens geeignet für Naturliebhaber und Interessierte an der Geschichte der Sklaverei auf Reisfeldern. 13 km Trails, teils durch Zypressensumpf gibt es dort. Los geht es - gegen 15:00 Uhr sind wir dort - besonders erfreulich: Eintritt 2,00 $ - das ist extrem günstig.

Am Parkplatz treffen wir David, einen „local“, der drei mal die Woche hier ist. Er ist begeisterter Fan, nimmt uns aber jede Hoffnung auf Begegnungen mit Alligatoren. Dafür sei es heute (obwohl nun die Sonne scheint) zu kalt, da würden sich die Reptilien eher im Matsch vergraben. Die Wege, z.T. auf Boardwalks durch den Sumpf seien dennoch sehr lohnenswert. Also stiefeln wir frohgemut los. Neben Alligatoren müssen wir hier u.a. auf giftige Schlangen achten, mit denen nicht zu spaßen wäre.

Das allerbeste hier (dachten wir) ist die absolute Ruhe - wir begegnen keinem Menschen, sind scheinbar allein hier in diesem Gebiet. Ruhig liegt die schwarze Wasserfläche vor uns, Zypressen spiegeln sich in dem brackig scheinenden Wasser. Keine Alligatoren! Wir schauen natürlich ins Wasser, ob irgendwo ein Augenpaar hinter einer Schnauze hervorlugt. Fehlanzeige! Wir kommen auf etwas breitere Wege, auch hier lassen uns die Baumriesen staunen.

So erreichen wir das Gebiet der ehemaligen Reisfelder, Flachwasser mit diversen Pflanzen, alles ruhig und friedlich. Man müsste mal näher ran ans Wasser, um aus einer niedrigen Perspektive fotografieren zu können. Das Ufer ist aber nicht überall zugänglich. Ich fotografiere so etwas wie einen Kiefernzapfen, da macht Gabi hinter mir „Huaaaaahhhh“. Ich drehe mich um und werde zum Eiszapfen. Da ist Gabi ans Wasser ran getreten und da liegt ein richtiges Ungetüm von Alligator genau vor ihr. Zwei Schritte weiter und sie wäre drauf gelatscht auf das Vieh. Ich schnaufe erst mal durch. Dann mache ich einige Bilder, der Kerl liegt keine 3-4 Meter vor uns in der Böschung. Uff!!

Da kommt der Hochsitz um die Ecke gelegen. Erst mal durchschnaufen. Und die friedliche Landschaft betrachten. Wir sind begeistert und erschrocken zugleich. Hier hätten wir mit so einem freiliegenden Riesen nicht gerechnet. Der war mindestens so lang wie Gabi groß ist, eher länger. Wir hätten ihn genau so gut verpassen können - oder bei etwas mehr Unachtsamkeit hätte das auch anders enden können. Jetzt sind wir hellwach!

Wir spazieren weiter auf dem ca. 4 Meter breiten Weg und 5 Minuten später traue ich meinen Augen nicht: da liegt noch einer, etwas kleiner, aber immer noch groß genug, am Wegesrand. Nicht in der Böschung, sondern auf unserem Weg! Wenn wir da vorbei wollen, haben wir maximal 3 Meter Abstand zu dem Vieh. Kurze Diskussion: umkehren oder vorbei gehen? Wir entscheiden schnell: vorbei an dem Kollegen! Wir sind nicht leise, er kann uns hören - überraschen oder erschrecken wollen wir ihn nicht. Außerdem haben wir lange Hosen an und präsentieren nicht unsere schmackhaften Waden. Ich gehe zuerst, zügig und ohne ihn weiter anzuschauen. Dann kommt Gabi und hinterher machen wir einige Bilder aus sicherer (?) Entfernung. Puuuuhhhh!

Wieder 10 Minuten später treffen wir den ersten Menschen hier auf den Trails und es ist David. Wir berichten von unseren Erlebnissen und er sagt, dass er „Brutus“ gesichtet hat, das größte Männchen hier. Den will er uns zeigen. Auf dem Weg dorthin stolpere ich über ein weiteres Prachtexemplar in der Böschung, das ich noch kurz portraitiere. Inzwischen bekomme ich Routine. Brutus hätten wir alleine nicht gefunden. Er liegt versteckt hinter einer Landzunge auf der anderen Seite fotogen zwischen Bäumen, die sich im Wasser spiegeln. Ein echter Riese.

Weia!! Das war eine Tour, die wir im Leben nicht vergessen werden, besonders wegen der weiteren 4 „Perlen des Südens“. 90 Minuten, knapp 4 Kilometer und vier Alligatoren aus allernächster Nähe (so nah bin ich denen im Zoo noch nicht gekommen) -richtig gut! Wir diskutieren noch mit der Dame im Center über die Alligatoren und unser Verhalten. Wir haben es wohl richtig gemacht und sind froh, dass sie die Tiere hier in Ruhe lassen und nicht anfüttern oder so. Ist uns sehr recht! Alles gut - Natur pur!

Im Hotel setzen wir uns an die Bar, trinken etwas, machen die Fotos fertig und schreiben Tagebuch. Zu Essen gibt es eine Suppe und einen Salat bzw. für mich Quesadillas. Super Tag. -morgen geht es nach Savannah. Leider soll dann das Wetter viel schlechter werden. Viel Regen ist angesagt - mal sehen. Gute Nacht (Liebe Ingrid, mach mal „Huaaaaahhhh“)!!

Tagesetappe: 92 Kilometer
Übernachtung: Cambria Hotel Mount Pleasant, Charleston, 1472 Highway 17 N, Mt. Pleasant, Charleston, SC 29464

© 2024 Gabi & Jürgen