Tagebuch
Gator Day

Gabi am Eingangsschild zu den Okefenokee Swamps, Georgia
Das Best Western Motel auf der schönen Insel St. Simons liegt in einer Art „Wohngebiet“ - oder soll ich es besser „Reservat“ nennen? Es liegt jedenfalls sehr schön und vor allem ruhig, was uns auch eine gute Nacht beschert. Das Frühstück ist gut (amerikanisch) inklusive Wahlkampf im TV.
Wir haben heute nur ein Ziel: die „Okefenokee Swamps“, die sich ca. 90 Fahrminuten südwestlich von uns befinden. Das riesige Sumpfgebiet hat zwei Zugänge: einen westlichen und einen östlichen. Da wir von der Küste kommen ist klar, dass wir in jedem Fall das westliche Gebiet rund um die Suwannee River Recreational Area besuchen. Wieder geht es über die riesige Brücke bei Jekyll Island und dann den gesamten Tag (und damit rd. 300 Kilometer) immer geradeaus. Bremsen ist fast überflüssig - manchmal abbiegen, dann wieder meilenweit laufen lassen. Das erzeugt geringe Drehzahlen und somit einen erfreulich günstigen Spritverbrauch. Ich schaffe es heute auf bisher unerreichte 39,9 Meilen/Gallone (wer Zeit und Lust hat könnte das mal umrechnen in Liter auf 100 km - dafür habe ich leider keine Zeit). Das ist aber sehr günstig!
Der Tagespass für das gesamte Gebiet kostet 5,00 $/Auto. Auch das ist ein Schnapper. Apropos: Alligatoren werden heute die Hauptrolle spielen, denn wie Ingrid uns schon zu Recht mitgeteilt hat: hier leben viele Cousins und Cousinen von den lieben Alis und Gators aus dem Caw Caw Interpretive Center, das wir am vergangenen Donnerstag besuchten.
Im Visitor Center lernen wir Mason kennen, einen jungen Mann, der heute unser Tourguide sein wird. Um 12:00 Uhr startet nämlich eine 90-minütige Bootstour, die er leitet und an der wir teilnehmen wollen. Da wir noch eine gute Dreiviertel Stunde Zeit haben, nehmen wir zum Aufwärmen schon mal den „Cane Pole Trail“ unter die Füße. Gemütlich spazieren wir am Kanal entlang - es ist schließlich Sonntagmorgen. Und dabei entdecken wir auch schon die ersten beiden Alligatoren, allerdings noch etwas weiter weg. Der erste von den beiden liegt fotogen in einer Art „Durchgang“.
Es ist 12:00 Uhr und pünktlich startet unser Boot, das außer uns noch 2 amerikanische Paare nutzen. Klasse, zu sechst sind wir eine kleine Gruppe und haben viel Platz an Bord. Mason erklärt sehr viel und ist stets darauf bedacht, uns die Schönheit der Landschaft, aber natürlich auch die Alligatoren, Schildkröten, Vögel etc. nahe zu bringen. Dabei achtet er peinlich genau darauf, diese nicht zu stören. Klappt: Motor immer wieder mal ausmachen, treiben lassen, nicht zu nahe heran die die Tiere. Finde ich gut, denn wir kommen denen trotzdem sehr nahe. Klasse Tour!
Das Wort „Okefenokee“ stammt aus der Sprache der Hitchiti-Mikasuki-Ureinwohner und bedeutet so viel wie „bebende Erde“ (weil auf dem schwarzen Wasser alles bei der kleinsten Bewegung zu „beben“ scheint). Es handelt sich mit den 630 Quadratmeilen um den größten Schwarzwasser-Sumpf in Nordamerika und eines der weltweit größten intakten Frischwasser-Ökosysteme. Eine Durchquerung von Ost nach West per Kanu und Zeltausrüstung (eine dieser Abenteurer begegnen uns auf unserer Tour) dauert 4-5 Tage. 10.000 bis 13.000 amerikanische Alligatoren leben hier - und bestimmt 30-40 davon haben wir heute gesehen. Es gibt aber auch diverse Schlangenarten (die größte ist die Indigo Snake mit über 2 Metern Länge), Bobcats, Schwarzbären, viele, viele Vogelarten und mehr.
Das Wasser ist so schwarz, weil sehr viele Blätter und andere organische Substanzen dort von Mikroorganismen zersetzt werden und als Schwebstoffe alles schwarz färben. Das Wasser fließt außerdem kaum und ist auch recht sauer, was einen sehr speziellen Lebensraum erzeugt.
Mich begeistern die wahnsinnigen Spiegelungen, mir wird manchmal richtig schwindelig, weil ich die Grenze zwischen „oben“ und „unten“ oft gar nicht mehr richtig zuordnen kann. Ich finde auch die Zypressen mit ihrem „Elefantenfuß“ richtig gut. Oft halte ich die Kamera knapp über die Wasseroberfläche, um einen tiefen Blickwinkel „auf Augenhöhe“ mit den Alligatoren zu bekommen. Ist ganz gut gelungen, finde ich.
Der Kanal, auf dem wir zunächst fahren, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Suwanee Canal Company errichtet. Die haben hier fast alle Zypressen gefällt, Macon spricht von mehreren Millionen (oder sogar Milliarden?) Längenmetern. Um das Holz besser abtransportieren zu können, haben sie diesen schnurgeraden Kanal gebaut, durch den wir heute fahren. Später biegen wir aber noch ab und erreichen die „Prairie“ - eine weite, offene Wasserfläche mit Wasserlilien und „never wet“-Pflanzen, deren Blätter tatsächlich niemals nass werden können, weil Wasser komplett abperlt. Die sehen gut aus mit ihren gelben (für mich an Anthurien erinnernden) Blütenständen.
Hier finden wir einige besonders fette Exemplare der Schnappmäuler und auch pflanzliche „Kollegen“, die Insekten „schnappen“ und nicht mehr loslassen. Immer wieder sehen wir auch die verschiedensten Vögel am Ufer.
Das hat uns so gut gefahren, dass wir die Option, auch den östlichen Abschnitt des Parkes zu besuchen, trotz des Umweges gerne in Angriff nehmen. Zur Stärkung lassen wir uns noch 2 Tuna-Sandwiches „mit allem“ bauen und mampfen frohgemut weiter Richtung Westen. Fahren kann das Auto ja fast von allein - immer geradeaus.
Im Stephen C Foster State Park, wie der östliche Abschnitt auch heißt, sind gegen 15:30 Uhr für heute leider keine Bootstouren mehr zu bekommen. Egal - gelaufen sind wir heute ohnehin viel zu wenig. Wir begeben uns also auf den Nature Trail mit Boardwalk und Gabi hat mit ihrem guten Auge auch schnell 2 Schlangen entdeckt, die unbeweglich aufeinander liegen und gerade Hochzeit feiern. Na dann viel Spaß! Auch einen fetten Alligator entdecken wir später im kleinen Hafenbecken am Ende des Trails.
Letzte Unternehmung für heute: eine Fahrt entlang des „Suwannee River Sill“, einem weiteren Kanal, der an einem Staudamm endet. Der Tag neigt sich dem Ende zu und die Farben spielen verrückt. Gelb- und Lilatöne mischen sich ins Abendlicht.
Nach 45 Minuten erreichen wir die Staatsgrenze zwischen Georgia und Florida und schießen weitere Bilder für die Staatenschildersammlung“. Eine Viertel Stunde später sind wir im Motel, das das günstigste unserer Reise ist und auch deutlich spartanisch daher kommt. Aber: ok!
Hunger haben wir nicht mehr wirklich heute. Wir haben noch Nektarinen, eine Paprika und dazu eine Orange und Banane aus der Hotel-Lobby. Ich besorge Eis aus der Eismaschine und so haben wir gekühlte Weinschorle, die ich gleich noch mit ein paar Chips krönen werde.
Heute Morgen habe ich noch gesagt, dass ich heute Abend viel schnell fertig bin als sonst, weil es heute ja nichts zu schreiben gibt. War ein Irrtum - gute Nacht! Uns geht es gold!
Tagesetappe: 317 Kilometer
Übernachtung: Americas Best Value Inn, 3835 West US Highway 90, Lake City, FL 32055