Tagebuch
Hangin' around
11.03.24 04:45

Gabi und Jim am "Under the Hill Saloon", Natchez, Mississippi
Wir haben super geschlafen in unserem palastähnlichen Cottage. Es ist schon wieder eine Stunde später als gewohnt - es gilt ab heute Nacht die „daylight saving time“ (Sommerzeit). Passend dazu hat sich die Sonne bestens herausgeputzt und begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel. Das sieht nochmal schöner aus und wir drehen eine weitere Rund durch „unseren“ tollen Garten. Dabei lässt sich auch Herr Pfau portraitieren und der zweite spannt sogar seinen Kranz auf. Auch die Vogelhäuser haben Format - das vergaß ich gestern zu erwähnen.
Frühstück gibt es im „The Dixie Cafe“, das auch seine ganz eigene Atmosphäre verströmt. Ich lasse es mir deftig schmecken. Neben Rührei mit Käse und Tomaten überbacken gibt es knusprigen Bacon, diese typisch scharfe Südstaatenwurst (wie Chorizzo, aber schmaler), kräftig gewürzte Bratkartoffeln, jede Menge Shrimps, frisch gepressten O-Saft und Kaffee. Ich zwinge ,mich, bei einer Portion zu bleiben - die Fritten und frittierten Shrimps von gestern Abend sättigen immer noch.
Auf dem Rückweg zum Cottage skypen wir mit Vater, der so auch einen Live-Eindruck von dieser tollen Anlage erhält. Schnell sind die Sachen gepackt - es ist dennoch bereits kurz nach 10:00 Uhr, als wir rollen.
Gleich zu Beginn: Blaulicht auf dem Highway - ist etwas passiert? Nö, es ist Sonntag und es fahren so viele Autos auf den Parkplatz zum Gottesdienst, dass die Polizei das begleitet.
Auf dem Programm steht zunächst mal ganz unspektakulär ein Besuch des winzig kleinen Städtchens St. Francisville. Dieses war einst ein wichtiges Zentrum der Baumwollplantagen des Südens und hatte auch als Umschlaghafen seine Bedeutung. Die durch den Bürgerkrieg kaum beeinträchtigte Stadt hat sich ihren lieblichen Charakter und das für eine Südstaatenstadt typische Erscheinungsbild erhalten. Schön ist es heute, durch die restaurierte historische Innenstadt (Ferdinand/Commerce St.) zu schlendern. Dabei kann ich nicht anders, als diese schönen Häuser abzulichten. Wir fangen einen coffee to go im Magnolia Cafe und können so gleich auch mal die Restroom benutzen.
Etwas weiter nördlich biegt links der Highway #66 ab; es ist nur ein kurzer Abstecher zur Greenwood Plantation, bekannt aus „Fackeln im Sturm“. Bei der Anfahrt bitte ich Siri, die Titelmelodie zu spielen und wir sind bester Stimmung. Leider kann man die Plantation nicht ohne Voranmeldung besuchen und weiter als bis zum Tor kommen wir nicht. So erhaschen wir auch keinen Blick auf das schöne Haupthaus, in dem (filmisch) die arme Madelaine von Fiesling David Carradine gequält wurde. Egal - der Weg ist das Ziel und die schöne Gegend entschädigt uns locker.
Wieder auf dem Blues-Highway #61 dauert es nicht lange, bis wir die Staatengrenze nach Mississippi erreichen. Schöne Staatenschilder etc. mit Texten, die wir für unsere „Sammlung“ gut gebrauchen können. Als wir morgens auf die #61 aufgefahren sind, meinte Gabi, es sei Zeit für „Still got the Blues“ von Garry Moore. Siri erfüllt alle Musikwünsche und im weiteren Verlauf unterhält uns der gute Eric Clapton.
Kurz vor Natchez steht rechts am Highway „Mammy’s Cupboard“, ein aus Reiseführern bekanntes Mini-Cafe in der Bauform einer Dame.
Und schon sind wir in Natchez, das viel kleiner, gemütlicher und schöner rüber kommt als wir erwartet haben. Unser historisches Hotel zu finden ist ein Klacks. Leider ist es noch eine Stunde zu früh zum Einchecken und hier machen sie keine Ausnahme. Kein Problem, kurz Google Maps aufgerufen und geschaut, was geht. Um die Ecke ist die Natchez Brewing Company zu Hause - ein super Programmpunkt zur Überbrückung. Es ist schließlich Sonntag. Auf dem Weg passieren wir schöne Gebäude und bunte Blumen. Die Natur scheint hier weiter zu sein. Gut!!
Am Natchez City Auditorium, einem ebenfalls imposanten Gebäude wird die Rassentrennung problematisiert: „Proud to take a stand“ - „stolz gegen Rassismus aufzustehen“. Die Brewery ist ein cooler Ort, ganz nach meinem Geschmack - auch optisch. Alles ist sehr offen und man kann auch draussen sitzen bei dem super Wetter. Deutsche Zutaten werden in Säcken unter der Decke gelagert. Gabi nimmt wie immer ein Cider und ich bekomme meine erste „Flight“, wobei ich selbst bestimmen darf, womit die 4 Probiergläschen befüllt werden. Ich entscheide mich für ein leichtes („Bluff City Blonde“), ein Weizen mit Erdbeergeschmack („Wheat Willy on strawberries“), ein hazy IPA („Capitol“) und ein Coconut-Porter („cast away“). Lustig werden sie serviert in kleinen Schraubgläsern, die wir von zu Hause kennen: da ist sonst Pizzasoße drin, Heiner wird sich schütteln. Wir hängen rum (was hier nicht abwertend aufgefasst wird - „just hang a little bit around“ meint einfach: „lass es dir gut gehen und warte etwas“).
Jetzt gehen wir noch ein paar Schritte zum Mississippi, der eindrucksvoll breit daher fließt. Ein Schild an einer kleinen Bar spricht mich an: „The Little Easy“. Ich hatte ja gestern schon geschrieben, wie toll ich NOLA („The Big Easy“) fand und dennoch das Gefühl habe, wir gehören eher ins Dorf und die Natur. Das wird heute eindrucksvoll bestätigt und „The Little Easy“ passt perfekt zu diesem Tag.
Die Mainstreet hoch, auch hier: schöne Gebäude und ein Schild mit einem Spruch von Martin Luther King, der auch heute (oder gerade heute wieder) seine Bedeutung hat.
Es ist 15:30 Uhr, wie checken ein und bekommen das zu Hause schon ausgesuchte historische Zimmer - denn hier ist jedes anders und du kannst aussuchen, wie du wohnen möchtest. Historisch halt. Passt zum Reiseverlauf - ab morgen wohnen wir aber wieder „normaler“.
Jetzt ist das Tagebuch bis hierher schon fertig und heute Abend habe ich etwas weniger zu tun. Aber jetzt gehen wir auf jeden Fall noch runter zum Fluss. Die Silver Street („Natchez Under the Hill“) soll toll für den Sonnenuntergang sein, ebenso die Promenade am „Broadway“. Im „Under the Hill Saloon“ hängen historische Fotos aus! Da könnten wir ja auch hinein schauen, mal sehen.
Ich schau mal, wo Gabi steckt - die ist vor einiger Zeit verschwunden. Ich finde sie auf dem großen Etagenbalkon im Liegestuhl. Da geselle ich mich mal dazu.
Der Weg hinunter zum Fluß ist später schnell gefunden - auch hier ist alles viel übersichtlicher, als gedacht. Eine ganze Reihe Leuten jeden Alters hängen draußen vor dem Saloon herum, manche am Zaun gegenüber, manche bei ihren Harleys, andere an ihrem Truck. Ich gehe hinein und beschaffe eine Flache Cider und eine Flasche Bier („Southern Pecan - The original Pecan Nut Brownale, ale brewed with roasted pecans). Es sieht so aus, als gäbe es auch Live-Musik. Auf kleinster Fläche stehen ein Drumset, ein Bassist und zwei Gitarristen.
Als ich wieder vor den Saloon trete traue ich meinen Augen kaum: Gabi im angeregten Gespräch mit zwei älteren Herren. Na dann störe ich mal nicht, reiche ihr das Cider und gehe ein paar Fotos schießen. Dabei komme ich ins Gespräch mit einem super netten Typen, der auch eine Nikon hat - aber was für eine: Die nagelneue Nikon Z9, das Flagschiff unter den spiegellosen Nikons. Er hat das gleiche Objektib drauf wie ich, aber eben aus der neuen Z-Serie. Respekt!! Ich darf ein wenig herumprobieren und und bin beeindruckt. Ganz andere Nummer. Nunja, fiftyfive hundrets bucks für allein den Body - das kostet das gute Stück bei uns in Euro. Dafür 45 Megapixel - und extrem hoher Dynamikumfang. Er erzählt, dass er viel Sportfotografie macht, Baseball und so. Dabei schießt er mit dem Teil schon mal 120 Bilder pro Sekunde (!).
Zwischendurch kommt auch der Norweger vorbei, der bei uns im Hotel im Nebenzimmer wohnt und der von Miami Beach nach LA fährt und unterwegs in Vegas seine Frau treffen will. Wir hatten ihm im Hotel mit einigen Hinweisen zu New Mexico, Arizona und Utah helfen können. Wir grüßen uns, als würden wir uns schon ewig kennen.
Nach einer Weile stelle ich fest: wir hängen, inzwischen bei der jeweils zweiten Pulle angekommen, genau so hier rum wie die Locals. Die Harleys knattern mit viel Spektakel davon, es folgt ein Pickup mit noch mehr Radau. „700 Horses“ raunt mir mein Nachbar zu - Hammer, 700 PS!
Ich stelle ganz sachlich fest, wie sehr mir dieses „hangin’ around“ hier gefällt. Ich blicke auf den Mississippi in der Abendsonne, in der Hand eine kleine Pulle Bier, neben mir Gabi und die netten Typen - wir reden über Gott und die Welt, oder gucken einfach mal ein Loch in die Luft. So cool, dieses „hangin’ around“ - ein toller Moment, der mit einer ganzen Portion Dankbarkeit echt zu Herzen geht.
Drinnen gibt die Band alles und die können wirklich was. Schönes Programm, Pink Floyd, viel Blues, aber auch Santana, Jimi Hendrix und Konsorten. Flinke Finger, trotz des Alters. In einer Pause quatsche ich mit dem Bassisten, der gleich „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash für mich spielen will. Jim und Gabi sind mir jetzt auch an die Bar gefolgt und Jim gibt mir noch ein „Pecan“ aus: „Don’t sorrow, I’ve enough money for the rest of my life - if I’ll die on tuesday, haha!“ Jim trinkt Cognac auf Eis aus einem Styroporbecher - die seien hier recht großzügig mit den Spirits. Stimmt, der Becher wird bis oben gefüllt.
Er ist echt ein freundlicher, stiller, älterer Herr, der Jim. Eigentlich kommt er aus Michigan, wo sein Haupthaus steht - auch historisch aus dem Jahr 1889. Das ist im im vergangenen Jahr fast komplett abgebrannt und nun muss er sehen, was er damit macht. Zeitweise lebt er hier in Natchez. Da kommt ein weiterer Gast - er würde jetzt tanzen, wenn ich mag könnte ich mit meiner coolen Kamera mal ein paar Bilder von ihm machen. Das geht natürlich nur mit viel Unschärfe, so wie er hopst und bei der Dunkelheit hier.
Nach über zwei Stunden inmitten dieser feinen, coolen Community müssen wir aufbrechen. Wir hätten schon vor längerer Zeit Abendessen wollen. Nun landen wir im „Bisquits and Blues“ auf der Mainstreet - auch eine Empfehlung von Jim. Ribs mit Bohnen und Cole Slaw für mich, Nudeln mit Hühnchen und Pilzen in cremiger Soße für Gabi. Rappelvoll ist die Bude hier, glücklicherweise waren wir noch nicht zu spät.
Viel zu spät ist es jetzt wieder. Hätte nicht gedacht, doch noch so lange zu schreiben und an den Fotos zu werkeln. Jetzt noch einbauen und ab ins Bett - Gabi liegt schon und da gehöre ich jetzt gleich auch hin. Was war das für ein schöner Tag. Die 2 Stunden am Saloon „under the hill“ werde ich nie vergessen. Gute Nacht!
Tagesetappe: 224 Kilometer
Übernachtung: The Guest House Historic Mansion, 201 N. Pearl Street, Natchez, MS 39120
Old Fashioned
10.03.24 05:03

Jürgen in der Turtle Bar, Houmas House Plantation, Louisiana
Puh - war das wieder ein erlebnisreicher Tag! Ich muss mich heute mal kurz fassen, bin ziemlich müde.
Der Tag begann mit einem leckeren und deftigen Frühstück am Pool im Garten des Best Western, einer kurzen Skype-Session mit Vater und einem 3:3 gegen den 1 FC Köln (naja, immerhin ein Punkt). Auschecken und wir verlassen diese schöne Stadt - und zwar zunächst Richtung Süden.
Wir fahren in den Jean Lafitte National Historic Park und damit noch weiter hinein ins Mündungsdelta des Mississippi. Hier ist alles nur Sumpf und Marshland. Im Barataria Preserve lassen wir uns im Visitor Center kurz beraten. Sehr hilfreich! Viele Trails sind aufgrund des Regens der letzten Tage völlig vermatscht - wir hören, was wir machen können. Dabei sollen wir uns keine Hoffnung auf Alligatorsichtungen machen, dafür sei es einfach nicht warm und sonnig genug. Aber keine Sorge: „sie sind da und auch wenn ihr sie nicht seht - sie sehen euch und sind oft nur weniger als einen Meter entfernt!“ Dabei erfahren wir auch, dass eine der Hauptgefahren darin besteht, dass die Tiere nicht zwischen einer fütternden Hand und einer Hand unterscheiden können. Heißt im Klartext: wenn denen mal jemand etwas gegeben hat, dann ist Hand = Futterquelle. Dementsprechend sollte man auf seine Hände achten, denn die sind gerne im Fokus des Interesses der flinken Räuber.
Wir gehen den Barataria Visitor Center Trail. den Palmetto Trail, den Bayou Coquille Trail, den Wood Duck Trail und den Ring Lavee Trail. Alles super entspannt, viel Sumpf , viel Grün, viel unbewegliche, schwarze, stille Wasseroberfläche, viele Spiegelungen - und eine gewisse Grundspannung, was denn da alles so lauern könnte.“Ihr seht etwas, was wir nicht sehen - wo seid ihr?“
Auf dem Ring Lavee Trail treffen wir einen älteren Herren, der uns ein kurzes Video zeigt. Gerade aufgenommen: 2 Alligatoren queren den Trail und gehen dabei aufeinander los. Weia!! Wie die fauchen und springen - da möchte ich nicht dazwischen geraten. Sorgen macht mir die Mutti vor uns, die ihr kleines Kind immer 30-40 Meter vorlaufen lässt. Das wäre genau der passende Happen „für zwischendurch“. Finde ich fahrlässig!
Uns halten sich die Tiere heute aber fern. Egal, denn die Ruhe, die Luft und die Natur tun gut. So schön NOLA (New Orleans Louisiana) auch war, wir sind eher die Naturtypen und nicht die Stadtmenschen.
Eine kurze Fahrt nach Jean Lafitte zeigt uns, wie eine Swamp-Town so aussieht: trist, sehr auseinander gezogen - Ende der Welt.
Gegen 15:00 Uhr erreichen wie die Houmas House Plantation. Wir wollten unserer Reise unbedingt auch das Erlebnis einer (zugegebener Maßen aufwändigen) Plantagenübernachtung gönnen und waren auf diese Unterkunft gestoßen.
Eine große, zweistöckige Galerie umfasst das Haus, das zu den schönsten Plantagenhäusern der Gegend zählt. Erbaut wurde es 1840, anschließend mehrfach erweitert und 1940 vollkommen restauriert. Mitte des vorletzten Jahrhunderts war sie eine der größten Plantagen des Landes. Es wurden dort auch mehrere Filme gedreht. Mehr noch als das Haus beeindruckt der „liebevoll manikürte Garten“.
Wir bekommen Cottage A1 zugewiesen. Immer 3 Wohneinheiten bilden ein „Cottage“. Und als wir das Zimmer betreten, steht uns zunächst mal der Mund offen. Wow - riesig. In 2 Cottages kann die ganze Nationalmannschaft unterkommen. Dabei ist das alles auch sehr edel und geschmackvoll eingerichtet. Platz haben wir hier massig. Das vierteilige Bad (Waschtisch, Wanne, Dusche, WC) ist so groß wie so manches Zimmer unserer Reise. Wir lassen uns nieder und starten einen Rundgang durch „unseren Garten“ - zumindest ist er das bis morgen früh.
Bilder sagen mehr als 1.000 Worte. Unbeschreiblich, wie schön alles im Detail gestaltet ist und was sich hier an Kunstwerken versteckt - vom Klettermaxe bis zur extrem biegsamen Frau. Selbst einen Hundefriedhof gibt es hier. Hier könnten wir noch stundenlang umherwandern und würden immer wieder neue Ecken entdecken. Ich lasse daher mal Bilder sprechen. Unfassbar schön sind mal wieder die Bäume, die gigantische Ausmaße annehmen und sehr alt sind.
Zwischenstop in der „Turtles Bar“ - benannt nach den Schildkötenpanzern an der Wand. Ich gönne mir einen „Old Fashioned“ (klassischer Whisky-Cocktail, heute aber mit 6-jährigem Rye-Whiskey) und Gabi einen „Brandy Alexander“ (Brandy, Milch, Muskat - schräg, aber super lecker). Die Barfrau ist nicht geizig und schenkt kräftig ein. Wir lassen uns in der abgefahrenen Bar nieder und nach einem halben Getränk sind wir „tipsy“ und haben den Kopf voller Flöhe. Naja, auch hier sprechen die Bilder für sich.
Zurück zum Zimmer, die Bilder überspielen und dann ab zum Abendessen. Hier gibt es drei Restaurants. Ein Nobelteil mit Gängemenü und Weinbegleitung (dafür haben wir nichts anzuziehen ;-), ein einfaches und ein stilvolles, aber machbares, namens Carriage House. Sieht aus wie ein ehemaliger Ballsaal, war aber wohl immer „Esszimmer“. An den Tisch in der Mitte passen locker 35 Personen, sicher auch 40. Hier sitzen größere Gruppen. Drumherum kleinere Tische - einer ist für uns. Glücklicherweise sind die meisten Bedienungen weißer Hautfarbe - es schon alles sehr surreal! Es gibt Shrimp-Poo-Boy mit Fritten sowie LouisiAsian ShortRips als Vorspeise. Sind die zart! Der perfekte Übergang! Noch heute Mittag habe ich angekündigt, das nach der Seafood- und Cajun-Küche der vergangenen Tage ab jetzt mehr BBQ im Vordergrund stehen wird. Alles super lecker, wenn auch etwas zu viel des Guten.
Zurück auf dem Zimmer haben wir nun einen kleinen Jack Daniels und die Arbeit ist fast getan. Noch schnell alles zusammenbauen, dann ist Feierabend. Morgen geht es weiter Richtung Norden - auf zu neuen Abenteuern.
Tagesetappe: 185 Kilometer
Übernachtung: The Inn at Houmas House Estate, 40136 Hwy 942, Darrow, LA 70725
"Was wir so alles machen ...!"
09.03.24 03:06

Jürgen und die erste Trompete von Louis Armstrong, Jazz Museum, New Orleans, Louisiana
Tolles Zimmer, gute Nacht - wenn es auch gestern Abend (zu) spät wurde mit dem Tagebuch etc. ich korrigiere als erstes mal die gröbsten Schnitzer, die mir heute Nacht dann doch unterlaufen sind. Dann gehen wir ganz entspannt frühstücken. Das geht hier sehr fein am Pool bzw. unter den schönen Bäumen im Innenhof.
Entgegen der Vorhersagen regnet es noch nicht. Also stiefeln wir los. Zunächst durchqueren wir noch einmal den Louis Armstrong Park gegenüber. Wenn wir hinten raus gehen, gelangen wir in einen anderen Stadtteil: Treme. Hierher verirren sich Touristen eher selten und wir genießen die Ruhe in den Straßen. Der Stadtteil Treme erinnert ein wenig an das French Quarter der 1980-er Jahre. Viele Häuser wurden nach Katrina bunt und frisch gestrichen, andere stehen immer noch schief. Wir laufen einige Blocks ab. Auch hier erleben wir wieder diese. Mischung von tollen Häusern und atemberaubenden Bäumen. An einer ziemlich verwahrlosten Kirche haben Sie das „Grab des unbekannten Sklaven“ gekennzeichnet.
Bunt ist es hier auch und an den lustig bemalten Mülltonnen treffe ich eine etwas flippig gekleidete „local“, die die Tonnen auch fotografiert. Sie habe „die noch nie gesehen, lustig, oder?“ „Ja, bist du von hier?“ „Klar, ich wohne gleich da vorne - aber wenn man hier lebt, wird man schnell funny and crazy!“ Spricht es und geht leise in sich hinein kichernd ihres Weges.
Wir landen naturgemäß wieder im French Quarter und stellen fest, dass man hier auch heute noch sein Pferd anbinden kann, wenn man geritten kommt. Es ist um diese Uhrzeit wieder mal kaum etwas los und wir machen Bilder von der schönen Architektur. Es sind viele locals unterwegs, um ihre Hunde auszuführen. In einem Hexenladen verkaufen sie nicht nur Voodoo-Puppen, sondern auch Besen als Fortbewegungsmittel. Harry Potter hätte in diesem Laden auch seinen Spaß.
Wir wissen, dass es irgendwann immer mal wieder regnen wird heute. Deshalb haben wir so einige Museen auf dem Zettel - den Rest müssen wir in Kneipen überbrücken. Schon von Treme aus steuern wir das New Orleans Museum of Jazz an. Es liegt am unteren Ende der wunderschönen Esplanade Ave mit ihren großen, schattenspendenden Bäume und der vom Tourismus noch nicht beeinflussten Architektur in der ehemaligen Münzpresse „The Old Mint“. Ein Raum des Museums widmet sich den historischen Pressverfahren - sehen wir uns an.
Das Museum führt immer wieder auch mal Livemusikveranstaltungen durch und dieses Wochenende ist es mal wieder so weit: von heute bis Sonntag tobt hier das „Denny Barker Festival“. Es spielen ganztägig Bands vor dem Museum und zusätzlich im Konzertsaal des Hauses. Das sind wohl ziemliche Größen, die sich hier die Hand reichen - uns Jazz-Banausen sagt das nichts. Alle, die wir hören, scheinen aber zu wissen, was sie tun - lecko fanno!!
Das Museum ist interessant und führt uns zu den Ursprüngen des Jazz zurück. Sehr, sehr coole Fotos und historische Instrumente sind zu sehen. Fats Domino und sein Piano spielen eine große Rolle und „Drummville“ bezieht sich zu einem großen Teil auch auf den Congo Square, den wir gestern schon besuchten. Louis Armstrongs erste Trompete ist natürlich ein Highlight.
Als wir hinauskommen aus dem Museum regnet es sich gerade mal wieder für eine gute halbe Stunde ein. Und wenn es regnet, dann schüttet es aus Kübeln. Kein Problem bei 25 Grad, Einkehrmöglichkeiten gibt es ja genügend. Wir flüchten uns in die Oyster Bar in der Bourbon Street. Wir müssen heute nicht mehr fahren und Gabi gönnt sich eine Sangria. Für mich ist eines dieser local draft beers immer eine Option. Austern roh kennen wir schon - nicht so 100% unser Fall. Also testen wir mal die gegrillte Art „cajun style“. Gewürze, Butter und Käse machen das Ganze zu einem durchaus schmackhaften Erlebnis.
Der Himmel hängt voller Wolken - lange wird es nicht dauern bis zum nächsten Wolkenbruch Gestern Abend auf dem unfreiwilligen Heimweg wegen steckengebliebener Streetcar hatten wir entdeckt, dass es zwischen Canal Street und Garden District eine Ausstellung über Claude Monet gibt - und Gabi findet, dass das auch mal etwas anderes sei. Ich reagiere mit unserem „running gag“ dieser Tage, sage nur „Wir machen Sachen …!“ und steuere unsere Schritte Richtung Ausstellung. Als wir dort ankommen, öffnen sich gerade wieder sie Himmelsschleusen.
So richtig anfangen kann ich weder mit Claude Monet (nun gut, ich weiß, dass er bunte Bilder gemalt hat mit so Farbtupfen) noch einer solchen Ausstellung etwas. Dazu ist der Eintritt nicht gerade ein Schnapper. Aber: „Was wir so alles machen …!“ Hat in den vergangenen Tagen oft zu überraschend schönen Erlebnissen geführt und so folge ich den Wünschen der kunstinteressierten Gattin, was sich als Glücksfall entpuppt.
Es geht ganz harmlos los: Farblehre, Farbmischungen, Komplementärfarben, Gemeinsamkeiten zwischen Malerei und Fotografie (das kenne ich natürlich und da werde ich schon hellhörig), sein Leben auf dem Zeitstrahl - in Beziehung gesetzt zu den sonstigen geschichtlichen Highlights seiner Zeit. Mit 15 Jahren hat er Cartoons gezeichnet, nicht sonderlich erfolgreich. Mit 29 versucht er sich das Leben zu nehmen. Anschließend kommt Schwung in seine Bekanntheit und Anerkennung. Er hat eine große Familie, seine Freu stirbt früh, er heiratet ein zweites Mal und überlebt auch seine zweite große Liebe. Reisen nach London und Italien (Venedig) beeinflussen seine Malerei noch spät sehr. Er stirbt1926 mit 86 Jahren.
Dann folgen Beispiele seiner Kunst im Laufe seines Lebens. Verdammt, die machen das sehr gut hier: logisch, dass eine Malerei lange von seinem schönen Anwesen, seiner Familie und der Natur in seiner Umgebung (Wasserlilien) beeinflusst wurde. Dann hat er sich mit technischen Dingen beschäftigt und versucht, auch bewegte Dinge, vor allem Eisenbahnen dynamisch darzustellen. London und Venedig lagen eher am Ende seines Lebens. Erscheint mir jetzt schon sehr schlüssig.
Nächster Raum: so etwas wie sein „Arbeitszimmer“ mit Beispielen seiner Kunst - kommt mir jetzt schon sehr bekannt vor. Wir sind allein hier und Gabi kann sich dort ungezwungen umschauen. Dann folgt ein Raum, in dem man durch seine Wasserlilienlandschaft gehen kann, sogar über die geschwungene Brücke. Irgendwie sind wir jetzt mittendrin in seiner Kunst. Der weiche Rasen, über den wir gehen, die Projektionen im „Teich“ und die Geräuschkulisse mit Vögeln und Kröten tun ihr Übriges.
Jetzt wird es heftig: ein Saal mit Liegestühlen, Sitzkissen zum rumflätzen, Bänken. Ich zähle im Laufe der nächsten 30 Minuten mindestens 29 Projektoren. Überall ist Farbe und Bewegung, dazu Musik und Geräusche. Ich tauche komplett ein in sein Leben und seine Malerei, die geschickt projeziert und aus natürlichen Szenen heraus „entwickelt“ wird. Faszinierend! Sie bilden hier per Videoinstallation sein Leben und seine Schaffenskraft nach - mit Farben und Effekten, die vor meinem Auge zu explodieren scheinen. Das hat sich unbedingt gelohnt.
Der Hammer kommt aber zum Schluss - frei nach Steve Jobs („one more thing“): Ob wir nicht eine dieser virtuellen Brillen aufsetzen und ganz Teil werden wollen von seiner Kunst? 5,00$ - ja klar! Wir nehmen Platz auf Drehhockern und bekommen jeder eine dieser topaktuellen AR-Brillen (sehen aus wie monströse Skibrillen) angepasst. Und ab geht die wilde Fahrt!! Ich fliege völlig dreidimensional durch die Gärten und Landschaften, die ich eben noch per Projektion gesehen habe. Wie lernt der Mensch? Durch Wiederholung! Ich weiß jetzt quasi immer schon vorher, was kommen wird: seine Familie, die wogenden Felder. Dann die Wasserlilien mit der Brücke, die Dampfloks, London … Da auch Geräusche und Musik projiziert werden und ich mich auf dem Drehstuhl komplett frei bewegen kann bin ich wirklich mittendrin. Nach links schauen oder drehen und nach hinten gucken? Kein Problem! Hammer!
Als ich nach 90 Minuten rauskomme aus der Ausstellung habe ich das Gefühl, verdammt viel gelernt zu haben und dem Menschen und Künstler Claude Monet sehr nahe gekommen zu sein. Kompliment für so eine didaktische Meisterleistung - das war es allemal Wert.
Wir laufen noch einmal quer durch das French Quarter - vielleicht sehen wir noch 30 Minuten Jazz am Museum? Fehlanzeige! Es beginnt wieder zu schütten - und wie! Wir retten uns in Molly’s Bar at the market. Hier trinken wir ein Getränk an der Bar. Zu Essen gibt es hier nichts. Aber: urige irische Kneipe mit viel Jameson im Regal.
Raus und weiter - da geht es wieder los. Direkt nebenan ist „Coop’s Place“. Sieht auch super aus und die Preise sind ok. Südstaatenküche - genau unser Ding im Moment. Ich nehme „Jambalaya Supreme“. Das entspricht in Etwa einer Paella, nur viel schärfer. Klasse! Huhn, Shrimps, Hase und scharfe Wurst sind neben Reis die Hauptbestandteile. Gabi hat es noch bunter: von allem Etwas: Gumbo, Creole Shrimp, Jambalaya, Fried Chicken und Beans & Rice. Alles sehr, sehr lecker, draußen vor der Tür geht die Welt unter. Der Mann neben mir bestellt einen „Redbreast 12“, große Portion - da gehe ich mit. Wir unterhalten uns eine Runde über irischen Whisky und Gabi hilft mir, meinen zu trinken.
Jetzt zurück zum Hotel. Wir wollen noch der Margret zum 60sten gratulieren und haben eine Skype-Aktion mit Hott und Birgit geplant. Im Best Western ordern wir noch eine Margarita und einen Marker’s Mark zum „anstoßen“, die Verbindung kommt aber leider nicht zustande.
So gehen wir aufs Zimmer und versorgen Bilder und Tagebuch. Es war ein toller Tag, trotz (oder gerade wegen) des Regens. Morgen geht es auf zu neuen Abenteuern! Wir sind gespannt, denn dann heißt es bestimmt wieder „Was wir so alles machen …!“ - gute Nacht!
Tagesetappe: - Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus French Quarter Courtyard Hotel, 920 North Rampart Street, New Orleans, LA 70116
"The big easy!"
08.03.24 05:24

Gabi vor dem Louis Armstrong Park, New Orleans, Louisiana
Gestern sind wir tatsächlich durch 3 Staaten (Florida, Alabama, Mississippi) gefahren und Gabi hat such an den Stränden einen respektablen Sonnenbrand Sonnenbrand eingefangen - also doch „Sunshine State“. Auf der doch längeren Fahrt gestern bin ich von „der besten Ehefrau von allen“ (frei nach Ephraim Kishon) wieder mal bestens mit Nektarine, Birne, Chips etc. versorgt worden - alles mundgerecht zubereitet.
Unser Hotel hier ist edel und fein ausgestattet, wie es sich für so ein historisches Haus gehört. Auch Essen und Trinken an der Bar gestern Abend waren prima. WIFI und die Anzahl der Steckdosen sind allerdings unterirdisch. Da haben wir Mühe, unsere „Devices“ geladen zu bekommen.
Die Nacht war prima und wir sind zeitig auf den Beinen. Es gibt einen schnellen Kaffee auf dem Zimmer, dann wollen wir los, denn heute ist die Wetterprognose gut und New Orleans wartet darauf, von uns entdeckt zu werden. Das geht nur zu Fuß und vorher wollen wir versuchen, zumindest unser Auto im Hotel loszuwerden.
Der Weg über die Interstate 10 ist einfach und schnell. Unterwegs müssen wir nochmal tanken, was weiterhin extrem günstig ist. Heute habe ich gerade mal 2,899 $ für eine Gallone (3,8 Liter) Benzin bezahlt.
SeiteTagen sehen wir die verschiedensten toten Tiere am Wegesrand - Opfer der Highways und Interstates. Ganz oft liegen auch aufgeplatzte LKW-Reifen auf dem Seitenstreifen, was Gabi regelmäßig mit „schon wieder ein totes Krokodil“ kommentierte. Heute kurz vor New Orleans lag tatsächlich ein großes Alligator-Unfallopfer am Fahrbahnrand der I-10. Übel - wenn ich denke, mit 70 Meilen/Stunde so einen Koloss zu überfahren - puh!!
Im Stadtgebiet staut es sich auf der Interstate, sobald wir aber runter sind von der Bahn und das French Quarter ansteuern ist alle ganz entspannt. Das hatte ich in so einer Großstadt anders erwartet. Ich bitte Siri, Musik von Louis Armstrong zu spielen, schließlich erreichen wir gleich „seinen“ Park. Siri spielt „What a wonderful world“ - und ist das nicht super passend?
Es ist ja aber auch noch früh. Um 10:0 Uhr schon stehen wir an der Rezeption des Best Western, das Auto draußen mutig abgestellt in der „people loading zone“. Ich bin möglichst locker bei der Rezeptionistin - „viel zu früh, nur freundlich fragen, ob wir das Auto abstellen können, einchecken geht ja sicher noch nicht!“ Dabei ganz zufällig die „Best Western-Mitgliedskarte“ mit der ID (Führerschein) über die Theke schieben. Es ist nicht zu fassen. Mit aller Seelenruhe (so sind die hier in den Südstaaten) füllt sie dieses Formular, bittet mich um jene Unterschrift, gibt auf Nachfrage noch einige freundliche und nützliche Hinweise - und schon haben wir unser Zimmer. Um 10:00 Uhr morgens!! Für das Auto bekommen wir einen Türöffner - der Hyundai steht nun schön geschützt auf dem Hotelparkplatz - eingezäunt und sicher. Das Best Western hat eine tolle Anlage mit Innengarten - sehr stimmungsvoll. Unser Zimmer: perfekt!
Die Koffer kommen nur aufs Zimmer, wir wollen sofort los. Gesagt - getan!!
„Niemals wird man hier das Gefühl los, die Stadt feiere unentwegt eine einzige große Party! Selbst am Morgen danach, wenn der Müll des letzten Abends weggeschafft wird, scheint jeder nur darauf zu warten, die nächste vergnügliche Runde einzuleiten.“ - so habe ich es im Reiseführer gelesen und heute werden wir mal sehen, ob das so ist und ob es uns gefällt. Doch zunächst gebe ich mal eine historische Einführung:
New Orleans ist angeblich eine der faszinierendsten Städte der USA und wie wir jetzt schon bestätigen können mit Sicherheit die beeindruckendste Metropole der Südstaaten: alte französische Architektur, z.B. im „French Quarter“, zahlreiche Musikkneipen (Jazz, Cujun, Soul, Funky-Jazz ), das Flair der Südstaaten, die gute und abwechslungsreiche Küche, unbekannte Kulturen (Voodoo), die Gegensätze der Südstaatengesellschaft, aber auch zahlreiche Museen und Kunstdenkmäler zählen hier zu den Highlights.
Während des späten 17. Jahrhunderts waren die Engländer waren noch damit beschäftigt, die Ostküste der Neuen Welt zu erkunden und zu besiedeln. Da machte sich ein kleiner Trupp Franzosen von Kanada auf, den Mississippi herunter zu fahren, um seine Mündung zu finden. Am Delta angelangt und zufrieden mit dem Land, das sie gesehen hatten, erklärten die Entdecker 1682 das gesamte Einzugsgebiet des Mississippi zum Protektorat Frankreichs und benannten es zu Ehren ihres Sonnenkönigs Louis XIV „Louisiane“. 1699 zog es andere Franzosen an die Küste des Golfs von Mexiko. Zuerst wurden Biloxi und Ocean Springs - wo wir gestern und heute morgen noch waren - später Mobile und Natchez gegründet. Nach Natchez kommen wir in wenigen Tagen.
1717 wurde dann „La Nouvelle Orleans“ gegründet - dort, wo heute das „French Quarter“ ist und unsere Betten im Best Western stehen. Ihren Namen verdankt die Stadt dem Herzog Philippe von Orleans, der zu dieser Zeit als Regent für den noch minderjährigen König Louis XV. eingesetzt war.
Obwohl La Nouvelle Orleans zur Hauptstadt von Louisiane ernannt worden war verirrten sich nur wenige Siedler hierher. Größtes Problem war der Frauenmangel., was die französische Regierung 1727 dazu veranlasste, 88 junge Frauen aus den Pariser Gefängnissen zu entlassen (die meisten waren minderjährige Prostituierte und Diebinnen), um sie als „Bräute“ nach Louisiane zu schicken. Als Begleitung kamen 5 Nonnen des Ursuliner-Ordens mit auf das Schiff. Es wird behauptet, beide Seiten hätten etwas voneinander gelernt. Später wurden weitere „Bräute“ eher in den Waisenhäusern Frankreichs ausgesucht.
Mit Entdeckung des Kristallzuckers wurde in Louisiane der Anbau von Zuckerrohr forciert und New Orleans blühte als Handelsmetropole des Südens auf. 1803 verkaufte Napoleon Bonaparte die Stadt für 15 Mio. Dollar an die Amerikaner. Die Plantagenwirtschaft (v.a. Baumwolle, Zuckerrohr, Tabak und Reis) und vor allem der Einsatz der großen Schaufelraddampfer machte New Orleans zur internationalen Handelsmetropole.
Nach dem Bürgerkrieg erlitt die Stadt mit dem ganzen Süden eine schwere wirtschaftliche Krise, von der sich die Region erst 1880 wieder erholen konnte. Als 1901 das erste Öl gefunden wurde, begann eine neue Ära. Wenn auch ein schwerer Hurrikan 1915 große Teile der Stadt zerstörte, eine Grippeepidemie 1918 35.000 Menschen das Leben kostete und es 1927 zu einer Flutkatastrophe kam - die Entwicklung zu einer modernen Handelsstadt war nicht mehr aufzuhalten.
Die Stadt lebt auch heute noch sehr riskant: Etwa die Hälfte der bebauten Fläche liegt unterhalb des Meeresspiegels und auch die andere Hälfte ragt selten mehr als 3 Meter über N.N. hinaus. Das Risiko sind Überflutungen und nicht selten „schwimmen“ ganze Stadtteile nach heftigen Regenfällen. 2005 führte der Hurrikan „Katrina“ zu einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Binnen 2 Tagen waren 80% der Stadtfläche unter Wasser; die ganze Stadt musste evakuiert werden. 1.000 Menschen starben in New Orleans und entlang der Golfküste; Hunderttausende mussten flüchten und verloren Hab und Gut. Der Schaden wurde auf 200 Milliarden Dollar geschätzt.
Nun, am späten Abend eines so erlebnisreichen Tages fällt es mir sehr schwer, diesen unfassbar tollen Tag in wenige Worte zu fassen. Dennoch möchte ich gern ausführlich beschreiben, was wir gemacht haben. Geht nicht! Daher: die nachfolgende Aufzählung der Aktivitäten heute ist mit extremen Emotionen verbunden, die nicht annähernd in Worte zu fassen sind.
Diese Stadt ist DER HAMMER! Wir haben und nach 2 Stunden vollständig „zu Hause“ gefühlt. Nicht missverstehen: leben möchte ich hier auf gar keinen Fall. Für so eine Millionengroßstadt ist New Orleans aber mächtig entspannt - ganz das angekündigte „Big Easy“! Es gibt natürlich auch „Rummelsmeilen“ - allen voran die Bourbon Street bei Nacht. Aber auch die Canal Street erinnert etwas an das ausgeflippte Las Vegas. ALLES andere: super entspannt, ganz relaxed, unfassbar schön. Der Reihe nach:
Wir starten getreu dem Motto „treiben lassen“ mit einem Bummel durch das so schöne French Quarter. Aber zu aller erst: Der Louis Armstrong Park mit den Skulpturen der Jazz-Größen und natürlich dem Congo Square. Den Louis Armstrong Park prägt die Dauerausstellung im Jazz National Historic Park (Geschichte des Jazz und deren Musiker, Louis Armstrong lebte von 1900 bis 1971). Am Congo Square durften sich im 17. und 18. Jahrhundert die Sklaven jeden Sonntag treffen, Musik machen und sogar den Voodoo-Kult ausleben - die sehr lauten Jam-Sessions gelten als Wiege der Blues- und Jazz-Kultur. Am Nordende des Parks sehen und fotografieren wir das Mahila Jackson Theater.
Nicht weit entfernt an der Basin St., zwischen Conti St. & St. Louis St. befindet sich der angeblich sehr sehenswerte St. Louis Cemetery No. 1. Rasch sind wir bis hierher gelangt. Aber: Zutritt nur im Rahmen einer geführten Tour. Finden wir doof - warum sich einer geführten Tour anschließen, um einen Friedhof zu besuchen? Nö!!
Satt dessen stürzen wir uns ins French Quarter: Schaut auf die Bilder - ich habe heute mehrfach die Dixieband aus James Bond 007 „Live and let die“ um die Ecke kommen sehen. Diese alten Häuser mit den Balkonen und dem ganzen schmiedeeisernen Zeugs sind zu schön. Und Live Musik der Sorte „Brass-Band volle Pulle“ gibt es reichlich hier. Toller vibe! Gabi danced zwischendurch über die Straße, es geht uns gut!
Wir erreichen den Jackson Square - auch hier: Brass-Band! Es handelt sich hier um einen ehemaliger Paradeplatz, an dem sich die Regierungsgebäude der ehemaligen Kolonialmächte befanden und der 1721 angelegt wurde. Hier herrscht eine pulsierende, lebendige Atmosphäre: Straßenkünstler, Musiker, Kutschen, Cafes, Maler/innen - toll! Rechts und links vom Platz befinden sich die Pontalba Buildings mit einladenden Arkaden - auch sehr schön.
Den Platz beherrscht aber gegenüber die St. Louis Cathedral als älteste Kathedrale der USA (1849-1851). Wunderbar und ein tolles Fotomotiv!
Wir drehen noch eine Runde durch das French Quarter, weil es so schön ist. Balkone, Blumen, Stilleben. So kommen wir auch zum French Market mit seinen Imbissbuden, Straßencafes (berühmt ist das Cafe du Monde), Restaurants, Markthallen mit Früchten, Gemüse und Cajun-Spezialitäten. Musik ist überall. Zu Essen gibt es reichlich, sogar Alligator (als Burger, am „Stock“ oder auch als Häppchen). Und sogar Köpfe der armen Tiere werden feilgeboten. Der Oberhammer: Rückenkratzer mit Alligatorkrallen „am Stock“. Puh!! Aber auch Voodoo-Puppen in allen Farben und Formen sind zu haben. Ich überlege noch, ob ich nicht eine mitbringen soll. Macht sich bestimmt gut auf dem Schreibtisch bei schwierigen Mitarbeitergesprächen …
Wir laufen die Chartres Street, Royal Street und Bourbon Street ab. In den Fluchten dieser Straßen sind die schmiedeeisernen Balkone am schönsten. Auch wandern wir den „The Moonwalk Riverfront Park“ entlang. Hunger: wir kehren ein und gönnen und in der Creole Cookery New Orleans creolisches Essen: Shrimp Creole (wahnsinnig tomatig-fruchtig) und Pasta Creole (ebenfalls sehr schmackhaft). Von der Schärfe her ist es gerade so an der Grenze - perfekt!
Extrem gesättigt schlendern wir zurück zur Waterfront, dem Mississippi. Hier liegt die MS Natchez, ein echter Schaufelraddampfer. Eine Fahrt hatten wir als Option vorgesehen. Und die Natchez startet in 30 Minuten. Passt. Wir buchen uns ein und schippern 2 Stunden über den Mississippi. Sehr entspannt, vor allem mit einem Bier und Cocktail. Dabei erfahren wir weiteres über die Stadt, den Fluss und die Geschichte der Schaufelraddampfer. Sogar den Maschinenraum dürfen wir besuchen - sehr interessant!
So langsam kommt ein müder Punkt. Morgen soll das Wetter aber deutlich schlechter sein, viel Regen ist angesagt. Also machen wir uns wieder auf den Weg. Es ist 16:45 Uhr. Quer durchs French Quarter erreichen wir die Canal Street. Hier ist es furchtbar rummelig. Aber: hier startet die St. Charles Streetcar Richtung Garden District. Den wollen wir unbedingt bei gutem Wetter sehen.
Beim Einstieg in die Street Car (historische Straßenbahn) kaufe ich für insgesamt 6,00 $ zwei Jazzy-Tagestickets. Wir fahren mit der St. Charles Street Car und sind die einzigen „Fremden“ hier. Eine sehr bunte Mischung Menschen sitzt in diesem Wagon. Mittels der zu Hause schon runtergeladenen App weiß ich, wann wir aussteigen wollen.
Der Garden District ist der schönste Wohnbezirk von New Orleans. Es gibt große und kleine Villen im viktorianischen, hölzernen New-Orleans- oder Greek-Revival-Stil - und das nicht nur vereinzelt. Es ist nicht zu glauben: eine Villa ist schöner als die andere. Ich mache einige Fotos - aber wirklich: ich hätte jedes Haus hier ablichten können - eines schöner als das andere. Und die Bäume stehlen sowieso jedem Bauwerk die Show.
Der Lafayette Cemetery No. 1, einer der prachtvollsten Friedhöfe der Stadt, ist leider schon seit 15:00 Uhr geschlossen. Ich mache wenige Bilder durch die Eingangsgitter.
Nach einiger Zeit haben wir Durst und steuern den „The Avenue Pub“ an. Über 40 Biere gibt es hier vom Fass, aber auch einen schönen Cocktail für Gabi. Dann nehmen wir die Streetcar zurück Richtung French Quarter. Nach der halben Fahrt teilt uns der Fahrzeugführer mit, dass es einen Unfall auf der Strecke vor uns gebe. Genre können wir warten, oder die 6 Blocks zu Fuß gehen. Und so schlendern wir zwei dann Hand in Hand durch die dunklen Gassen der Großstadt - ganz cool. Ist wirklich alles „easy“ hier.
Die Musikszene und Lokale in der Bourbon Street setzen dann allem die Krone auf. Unfassbar laut, geschäftig, schrill, bunt, bewegt, musikalisch, ausgeflippt - anstrengend. Aber nur eine Abbiegung nehmen, Seitenstraße aufsuchen: absolute Ruhe. Auch das: erstaunlich!
Wir steuern mit Volldampf das Best Western an. Auf dem Zimmer mache ich mich über die Fotos her. Das dauert heute. Und auch dieser Bericht hat deine Zeit in Anspruch genommen. Gabi schläft lange schon. Ich bin jetzt auch durch, es ist 23:45 Uhr. Morgen soll es regnen. Dann können wir z.B. mal in die Museen schauen. Jazz und Voodoo wären angesagt - mal sehen! Gute Nacht!!
Tagesetappe: 146 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus French Quarter Courtyard Hotel, 920 North Rampart Street, New Orleans, LA 70116