Tagebuch




"The big easy!"

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Gabi vor dem Louis Armstrong Park, New Orleans, Louisiana

Gestern sind wir tatsächlich durch 3 Staaten (Florida, Alabama, Mississippi) gefahren und Gabi hat such an den Stränden einen respektablen Sonnenbrand Sonnenbrand eingefangen - also doch „Sunshine State“. Auf der doch längeren Fahrt gestern bin ich von „der besten Ehefrau von allen“ (frei nach Ephraim Kishon) wieder mal bestens mit Nektarine, Birne, Chips etc. versorgt worden - alles mundgerecht zubereitet.

Unser Hotel hier ist edel und fein ausgestattet, wie es sich für so ein historisches Haus gehört. Auch Essen und Trinken an der Bar gestern Abend waren prima. WIFI und die Anzahl der Steckdosen sind allerdings unterirdisch. Da haben wir Mühe, unsere „Devices“ geladen zu bekommen.

Die Nacht war prima und wir sind zeitig auf den Beinen. Es gibt einen schnellen Kaffee auf dem Zimmer, dann wollen wir los, denn heute ist die Wetterprognose gut und New Orleans wartet darauf, von uns entdeckt zu werden. Das geht nur zu Fuß und vorher wollen wir versuchen, zumindest unser Auto im Hotel loszuwerden.

Der Weg über die Interstate 10 ist einfach und schnell. Unterwegs müssen wir nochmal tanken, was weiterhin extrem günstig ist. Heute habe ich gerade mal 2,899 $ für eine Gallone (3,8 Liter) Benzin bezahlt.

SeiteTagen sehen wir die verschiedensten toten Tiere am Wegesrand - Opfer der Highways und Interstates. Ganz oft liegen auch aufgeplatzte LKW-Reifen auf dem Seitenstreifen, was Gabi regelmäßig mit „schon wieder ein totes Krokodil“ kommentierte. Heute kurz vor New Orleans lag tatsächlich ein großes Alligator-Unfallopfer am Fahrbahnrand der I-10. Übel - wenn ich denke, mit 70 Meilen/Stunde so einen Koloss zu überfahren - puh!!

Im Stadtgebiet staut es sich auf der Interstate, sobald wir aber runter sind von der Bahn und das French Quarter ansteuern ist alle ganz entspannt. Das hatte ich in so einer Großstadt anders erwartet. Ich bitte Siri, Musik von Louis Armstrong zu spielen, schließlich erreichen wir gleich „seinen“ Park. Siri spielt „What a wonderful world“ - und ist das nicht super passend?

Es ist ja aber auch noch früh. Um 10:0 Uhr schon stehen wir an der Rezeption des Best Western, das Auto draußen mutig abgestellt in der „people loading zone“. Ich bin möglichst locker bei der Rezeptionistin - „viel zu früh, nur freundlich fragen, ob wir das Auto abstellen können, einchecken geht ja sicher noch nicht!“ Dabei ganz zufällig die „Best Western-Mitgliedskarte“ mit der ID (Führerschein) über die Theke schieben. Es ist nicht zu fassen. Mit aller Seelenruhe (so sind die hier in den Südstaaten) füllt sie dieses Formular, bittet mich um jene Unterschrift, gibt auf Nachfrage noch einige freundliche und nützliche Hinweise - und schon haben wir unser Zimmer. Um 10:00 Uhr morgens!! Für das Auto bekommen wir einen Türöffner - der Hyundai steht nun schön geschützt auf dem Hotelparkplatz - eingezäunt und sicher. Das Best Western hat eine tolle Anlage mit Innengarten - sehr stimmungsvoll. Unser Zimmer: perfekt!

Die Koffer kommen nur aufs Zimmer, wir wollen sofort los. Gesagt - getan!!

„Niemals wird man hier das Gefühl los, die Stadt feiere unentwegt eine einzige große Party! Selbst am Morgen danach, wenn der Müll des letzten Abends weggeschafft wird, scheint jeder nur darauf zu warten, die nächste vergnügliche Runde einzuleiten.“ - so habe ich es im Reiseführer gelesen und heute werden wir mal sehen, ob das so ist und ob es uns gefällt. Doch zunächst gebe ich mal eine historische Einführung:

New Orleans ist angeblich eine der faszinierendsten Städte der USA und wie wir jetzt schon bestätigen können mit Sicherheit die beeindruckendste Metropole der Südstaaten: alte französische Architektur, z.B. im „French Quarter“, zahlreiche Musikkneipen (Jazz, Cujun, Soul, Funky-Jazz ), das Flair der Südstaaten, die gute und abwechslungsreiche Küche, unbekannte Kulturen (Voodoo), die Gegensätze der Südstaatengesellschaft, aber auch zahlreiche Museen und Kunstdenkmäler zählen hier zu den Highlights.

Während des späten 17. Jahrhunderts waren die Engländer waren noch damit beschäftigt, die Ostküste der Neuen Welt zu erkunden und zu besiedeln. Da machte sich ein kleiner Trupp Franzosen von Kanada auf, den Mississippi herunter zu fahren, um seine Mündung zu finden. Am Delta angelangt und zufrieden mit dem Land, das sie gesehen hatten, erklärten die Entdecker 1682 das gesamte Einzugsgebiet des Mississippi zum Protektorat Frankreichs und benannten es zu Ehren ihres Sonnenkönigs Louis XIV „Louisiane“. 1699 zog es andere Franzosen an die Küste des Golfs von Mexiko. Zuerst wurden Biloxi und Ocean Springs - wo wir gestern und heute morgen noch waren - später Mobile und Natchez gegründet. Nach Natchez kommen wir in wenigen Tagen.

1717 wurde dann „La Nouvelle Orleans“ gegründet - dort, wo heute das „French Quarter“ ist und unsere Betten im Best Western stehen. Ihren Namen verdankt die Stadt dem Herzog Philippe von Orleans, der zu dieser Zeit als Regent für den noch minderjährigen König Louis XV. eingesetzt war.

Obwohl La Nouvelle Orleans zur Hauptstadt von Louisiane ernannt worden war verirrten sich nur wenige Siedler hierher. Größtes Problem war der Frauenmangel., was die französische Regierung 1727 dazu veranlasste, 88 junge Frauen aus den Pariser Gefängnissen zu entlassen (die meisten waren minderjährige Prostituierte und Diebinnen), um sie als „Bräute“ nach Louisiane zu schicken. Als Begleitung kamen 5 Nonnen des Ursuliner-Ordens mit auf das Schiff. Es wird behauptet, beide Seiten hätten etwas voneinander gelernt. Später wurden weitere „Bräute“ eher in den Waisenhäusern Frankreichs ausgesucht.

Mit Entdeckung des Kristallzuckers wurde in Louisiane der Anbau von Zuckerrohr forciert und New Orleans blühte als Handelsmetropole des Südens auf. 1803 verkaufte Napoleon Bonaparte die Stadt für 15 Mio. Dollar an die Amerikaner. Die Plantagenwirtschaft (v.a. Baumwolle, Zuckerrohr, Tabak und Reis) und vor allem der Einsatz der großen Schaufelraddampfer machte New Orleans zur internationalen Handelsmetropole.

Nach dem Bürgerkrieg erlitt die Stadt mit dem ganzen Süden eine schwere wirtschaftliche Krise, von der sich die Region erst 1880 wieder erholen konnte. Als 1901 das erste Öl gefunden wurde, begann eine neue Ära. Wenn auch ein schwerer Hurrikan 1915 große Teile der Stadt zerstörte, eine Grippeepidemie 1918 35.000 Menschen das Leben kostete und es 1927 zu einer Flutkatastrophe kam - die Entwicklung zu einer modernen Handelsstadt war nicht mehr aufzuhalten.

Die Stadt lebt auch heute noch sehr riskant: Etwa die Hälfte der bebauten Fläche liegt unterhalb des Meeresspiegels und auch die andere Hälfte ragt selten mehr als 3 Meter über N.N. hinaus. Das Risiko sind Überflutungen und nicht selten „schwimmen“ ganze Stadtteile nach heftigen Regenfällen. 2005 führte der Hurrikan „Katrina“ zu einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Binnen 2 Tagen waren 80% der Stadtfläche unter Wasser; die ganze Stadt musste evakuiert werden. 1.000 Menschen starben in New Orleans und entlang der Golfküste; Hunderttausende mussten flüchten und verloren Hab und Gut. Der Schaden wurde auf 200 Milliarden Dollar geschätzt.

Nun, am späten Abend eines so erlebnisreichen Tages fällt es mir sehr schwer, diesen unfassbar tollen Tag in wenige Worte zu fassen. Dennoch möchte ich gern ausführlich beschreiben, was wir gemacht haben. Geht nicht! Daher: die nachfolgende Aufzählung der Aktivitäten heute ist mit extremen Emotionen verbunden, die nicht annähernd in Worte zu fassen sind.

Diese Stadt ist DER HAMMER! Wir haben und nach 2 Stunden vollständig „zu Hause“ gefühlt. Nicht missverstehen: leben möchte ich hier auf gar keinen Fall. Für so eine Millionengroßstadt ist New Orleans aber mächtig entspannt - ganz das angekündigte „Big Easy“! Es gibt natürlich auch „Rummelsmeilen“ - allen voran die Bourbon Street bei Nacht. Aber auch die Canal Street erinnert etwas an das ausgeflippte Las Vegas. ALLES andere: super entspannt, ganz relaxed, unfassbar schön. Der Reihe nach:

Wir starten getreu dem Motto „treiben lassen“ mit einem Bummel durch das so schöne French Quarter. Aber zu aller erst: Der Louis Armstrong Park mit den Skulpturen der Jazz-Größen und natürlich dem Congo Square. Den Louis Armstrong Park prägt die Dauerausstellung im Jazz National Historic Park (Geschichte des Jazz und deren Musiker, Louis Armstrong lebte von 1900 bis 1971). Am Congo Square durften sich im 17. und 18. Jahrhundert die Sklaven jeden Sonntag treffen, Musik machen und sogar den Voodoo-Kult ausleben - die sehr lauten Jam-Sessions gelten als Wiege der Blues- und Jazz-Kultur. Am Nordende des Parks sehen und fotografieren wir das Mahila Jackson Theater.

Nicht weit entfernt an der Basin St., zwischen Conti St. & St. Louis St. befindet sich der angeblich sehr sehenswerte St. Louis Cemetery No. 1. Rasch sind wir bis hierher gelangt. Aber: Zutritt nur im Rahmen einer geführten Tour. Finden wir doof - warum sich einer geführten Tour anschließen, um einen Friedhof zu besuchen? Nö!!

Satt dessen stürzen wir uns ins French Quarter: Schaut auf die Bilder - ich habe heute mehrfach die Dixieband aus James Bond 007 „Live and let die“ um die Ecke kommen sehen. Diese alten Häuser mit den Balkonen und dem ganzen schmiedeeisernen Zeugs sind zu schön. Und Live Musik der Sorte „Brass-Band volle Pulle“ gibt es reichlich hier. Toller vibe! Gabi danced zwischendurch über die Straße, es geht uns gut!

Wir erreichen den Jackson Square - auch hier: Brass-Band! Es handelt sich hier um einen ehemaliger Paradeplatz, an dem sich die Regierungsgebäude der ehemaligen Kolonialmächte befanden und der 1721 angelegt wurde. Hier herrscht eine pulsierende, lebendige Atmosphäre: Straßenkünstler, Musiker, Kutschen, Cafes, Maler/innen - toll! Rechts und links vom Platz befinden sich die Pontalba Buildings mit einladenden Arkaden - auch sehr schön.

Den Platz beherrscht aber gegenüber die St. Louis Cathedral als älteste Kathedrale der USA (1849-1851). Wunderbar und ein tolles Fotomotiv!

Wir drehen noch eine Runde durch das French Quarter, weil es so schön ist. Balkone, Blumen, Stilleben. So kommen wir auch zum French Market mit seinen Imbissbuden, Straßencafes (berühmt ist das Cafe du Monde), Restaurants, Markthallen mit Früchten, Gemüse und Cajun-Spezialitäten. Musik ist überall. Zu Essen gibt es reichlich, sogar Alligator (als Burger, am „Stock“ oder auch als Häppchen). Und sogar Köpfe der armen Tiere werden feilgeboten. Der Oberhammer: Rückenkratzer mit Alligatorkrallen „am Stock“. Puh!! Aber auch Voodoo-Puppen in allen Farben und Formen sind zu haben. Ich überlege noch, ob ich nicht eine mitbringen soll. Macht sich bestimmt gut auf dem Schreibtisch bei schwierigen Mitarbeitergesprächen …

Wir laufen die Chartres Street, Royal Street und Bourbon Street ab. In den Fluchten dieser Straßen sind die schmiedeeisernen Balkone am schönsten. Auch wandern wir den „The Moonwalk Riverfront Park“ entlang. Hunger: wir kehren ein und gönnen und in der Creole Cookery New Orleans creolisches Essen: Shrimp Creole (wahnsinnig tomatig-fruchtig) und Pasta Creole (ebenfalls sehr schmackhaft). Von der Schärfe her ist es gerade so an der Grenze - perfekt!

Extrem gesättigt schlendern wir zurück zur Waterfront, dem Mississippi. Hier liegt die MS Natchez, ein echter Schaufelraddampfer. Eine Fahrt hatten wir als Option vorgesehen. Und die Natchez startet in 30 Minuten. Passt. Wir buchen uns ein und schippern 2 Stunden über den Mississippi. Sehr entspannt, vor allem mit einem Bier und Cocktail. Dabei erfahren wir weiteres über die Stadt, den Fluss und die Geschichte der Schaufelraddampfer. Sogar den Maschinenraum dürfen wir besuchen - sehr interessant!

So langsam kommt ein müder Punkt. Morgen soll das Wetter aber deutlich schlechter sein, viel Regen ist angesagt. Also machen wir uns wieder auf den Weg. Es ist 16:45 Uhr. Quer durchs French Quarter erreichen wir die Canal Street. Hier ist es furchtbar rummelig. Aber: hier startet die St. Charles Streetcar Richtung Garden District. Den wollen wir unbedingt bei gutem Wetter sehen.

Beim Einstieg in die Street Car (historische Straßenbahn) kaufe ich für insgesamt 6,00 $ zwei Jazzy-Tagestickets. Wir fahren mit der St. Charles Street Car und sind die einzigen „Fremden“ hier. Eine sehr bunte Mischung Menschen sitzt in diesem Wagon. Mittels der zu Hause schon runtergeladenen App weiß ich, wann wir aussteigen wollen.

Der Garden District ist der schönste Wohnbezirk von New Orleans. Es gibt große und kleine Villen im viktorianischen, hölzernen New-Orleans- oder Greek-Revival-Stil - und das nicht nur vereinzelt. Es ist nicht zu glauben: eine Villa ist schöner als die andere. Ich mache einige Fotos - aber wirklich: ich hätte jedes Haus hier ablichten können - eines schöner als das andere. Und die Bäume stehlen sowieso jedem Bauwerk die Show.

Der Lafayette Cemetery No. 1, einer der prachtvollsten Friedhöfe der Stadt, ist leider schon seit 15:00 Uhr geschlossen. Ich mache wenige Bilder durch die Eingangsgitter.

Nach einiger Zeit haben wir Durst und steuern den „The Avenue Pub“ an. Über 40 Biere gibt es hier vom Fass, aber auch einen schönen Cocktail für Gabi. Dann nehmen wir die Streetcar zurück Richtung French Quarter. Nach der halben Fahrt teilt uns der Fahrzeugführer mit, dass es einen Unfall auf der Strecke vor uns gebe. Genre können wir warten, oder die 6 Blocks zu Fuß gehen. Und so schlendern wir zwei dann Hand in Hand durch die dunklen Gassen der Großstadt - ganz cool. Ist wirklich alles „easy“ hier.

Die Musikszene und Lokale in der Bourbon Street setzen dann allem die Krone auf. Unfassbar laut, geschäftig, schrill, bunt, bewegt, musikalisch, ausgeflippt - anstrengend. Aber nur eine Abbiegung nehmen, Seitenstraße aufsuchen: absolute Ruhe. Auch das: erstaunlich!

Wir steuern mit Volldampf das Best Western an. Auf dem Zimmer mache ich mich über die Fotos her. Das dauert heute. Und auch dieser Bericht hat deine Zeit in Anspruch genommen. Gabi schläft lange schon. Ich bin jetzt auch durch, es ist 23:45 Uhr. Morgen soll es regnen. Dann können wir z.B. mal in die Museen schauen. Jazz und Voodoo wären angesagt - mal sehen! Gute Nacht!!

Tagesetappe: 146 Kilometer
Übernachtung: Best Western Plus French Quarter Courtyard Hotel, 920 North Rampart Street, New Orleans, LA 70116

© 2024 Gabi & Jürgen