Tagebuch




Country & Music

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Gabi vor der Country Music Hall of Fame and Museum, Nashville, Tennessee

So - zurück aus der City und es ist später als erwartet. Daher fasse ich die Ereignisse von heute nur kurz zusammen.

Nach einem deftigen Frühstück inkl. selbst gebasteltem Breakfast Burrito schreibe ich das Tagebuch von gestern. Wir haben uns für 11:00 Uhr auf den Shuttle gebucht, das passt genau.

So sind wir um 11:30 Uhr wieder am Broadway, es scheint nicht ganz so voll und rüselig zu sein wie gestern. Dennoch dröhnt schon wieder aus allen Kneipen Live Musik auf die Straße. Die grünen Männchen und Weibchen feiern immer noch oder schon wieder St. Patrick’s Day.

Music City of the USA“ - Nashville gilt als die Stadt der Countrymusic. Die Musikproduktion ist nach New York die zweitwichtigste in den USA. Es gibt über 5.000 Country-Songwriter in Nashville; auf den Bühnen der Stadt versuchen sich regelmäßig 4.000 Interpreten. In Nashville sind 70 Tonträgerfirmen, 200 Aufnahmestudios und unzählige Musikverlage angesiedelt. Die Musikindustrie setzt hier ca. 8 Milliarden Dollar jährlich um und beschäftigt 20.000 Menschen.

Die Zeit von 11:45 Uhr bis 14:30 Uhr verbringen wir in der „Country Music Hall of Fame and Museum“. Das ist ein ziemlich großer und modern eingerichteter Komplex. Auf über 32.000 Quadratmetern wird die Entwicklung der Country-Music, aber auch die Formen des „Cross-Over“, also die Grauzone zu Rock, Rockabilly, Pop, Americana etc. erklärt. Der hinzugefügte Neubau ragt über den an eine Tastatur erinnernden Altbau hinweg und bietet durch eine Glasfront auch einen grandiosen Blick auf die Skyline.

Wir haben auch tatsächlich fast 3 Stunden benötigt, um uns alles anzusehen. Hilfreich, aber für mich auch etwas verwirrend sind dabei die Audio-Guides, die uns an den verschiedenen Ausstellungsdisplays etwas passendes erzählen. Ich lese natürlich auch die aushängenden Texte, mein Kopf ist auf Englisch unterwegs und dann quatscht da parallel einer in Deutsch, crazy!

Zu Beginn befindet sich bei den Aufzügen ein wunderbares Zitat: „Country Music ist three Cords and the truth (Harlan Howard)“. Wir fahren ins dritte OG, hier beginnt die Geschichte der Country Music. Alles ist toll erklärt und mit (zum Teil sehr befremdlichen) Kostümen, Instrumenten, Plakaten, Bildern und Videos dokumentiert. Die „Volksmusik“ hat natürlich auch Einflüsse des Blues verarbeitet und sich später mit den wachsenden Möglichkeiten (Mikrofonie, Verstärkung der Gitarren, E-Gitarren etc.) und natürlich mit Erfindung und stärkeren Verbreitung des Radios auch „auf dem Lande“ ständig weiter entwickelt. Elvis, Johnny Cash und andere haben dann auch rockigere Töne angeschlagen.

Schön, wie sich unsere Reise hier weiter vervollständigt. Wir können vieles besser verstehen, weil wir uns schon intensiv mit Blues, Elvis, Cash, den Sun Studios u.a. beschäftigt haben. Ausgestellt sind auch zwei sehenswerte Autos, die sich allerdings schwer fotografieren lassen. Webb Pierce hatte sich seine Karre voll auf Cowboy tunen lassen inkl. Longhorns am Kühler, Sattel im Fahrerraum und Knarren aller Art im und am Auto. Völlig verrückt. Elvis’s goldener Cadillac ist aber nicht minder irre: lackiert mit zig Schichten Lack, in die Gold- und Diamantenstaub sowie Fischschuppen eingearbeitet sind. Dazu goldene Verzierungen, edelste Stoffe, Fernsehen, Telefon, Bar und Eismaschine. Die 300 Kilometer Fahrt von Graceland mit Chauffeur zu den RCA Studios hier in Nashville muss man sich ja schön gestalten.

Goldene Schallplatten zieren auch das Treppenhaus. Im zweiten Stock widmet man sich dann der jüngeren Geschichte der Country-Music und ihren Einflüssen bzw. Künstlern, die die Musik weiter verändert oder ausgebaut haben. Das 4 der Eagles früher die Band für Linda Ronstadt bildeten, war mir auch nicht klar. Viele, viele Namen sind uns geläufig, weil wir diese Musik ja regelmäßig hören. Ein interaktiver Bereich lädt zum selbst komponieren und texten ein und erklärt die wesentlichen Instrumente.

Am Ende sind wir dann in der „Hall of Fame“. Es ist eine extrem große Auszeichnung für die Künstlerinnen und Künstler, Songwriter o.ä., hier einen Platz zu bekommen. Jährlich kommen nur 3 in verschiedenen Kategorien dazu. In die Mitte setzt die Sonne einen Spot, im Kreis („Can the circle be unbroken) sind dann mehr oder weniger gelungene Bronzeportraits der Preisträger/innen platziert.

Wir drehen noch eine kleine Runde durch den Komplex, dann geht es auf zu Studio B - den historischen RCA-Studios. Ein Bus fährt uns rüber. In dem historischen Studio hat Elvis „Return to Sender“ und viele weitere Stücke aufgenommen. Aber auch Dolly Parton, Charley Pride, Jim Reeves oder Connie Smith, Eddy Arnold, die Everly Brothers, Willie Nelson und viele andere waren hier regelmäßig zu Gast, um einige ihrer legendärsten Schallplatten zu produzieren. Es gilt als Geburtsstätte des „Nashville Sound“. Insgesamt wurden hier 35.000 Musikstücke auf Tonträger gebannt. Es ist immer noch aktiv.

Ron, unser Guide, hat im Bus schon viel erzählt. Hier spielt er im Foyer, aber auch in den folgenden Räumen und insbesondere im eigentlichen Recording-Room diverse Soundbeispiele vor. Im Foyer hängen Platten aus den verschiedenen Jahrzehnten. „Grandpa Jones Yodeling Hits“ sind auch vertreten.

Herzstück und am interessantesten ist natürlich der Aufnahmeraum. Ein kleines blaues Kreuz aus Klebeband kennzeichnet den „Sweetspot“ - hier klingen Vocals am Besten und hier haben sie alle gestanden: Elvis, Dolly etc. Jetzt steht Gabi hier. Der Steinway-Flügel vorne hat auch schon einige/s gesehen. Die Mikros und Amps kommen mir sehr bekannt vor - was zu erwarten war. Putzig finde ich die rote Lampe, die bestimmt genutzt wird um zu signalisieren, dass gerade aufgenommen wird. Ron verändert auch die Beleuchtung und so kann ich auch in den Regieraum hineinfotografieren. Angeblich hat Elvis hier „Are you lonesome tonight“ in völliger Dunkelheit aufgenommen, also macht Ron es dunkel und spielt den Song. Hat schon was und versetzt uns kurz zurück in die 60er.

Nach dieser schönen, aber auch wieder etwas anstrengenden Zeit benötigen wir nun Zerstreuung. Kurzbesuch bei einer Distillery - hier ist es uns aber zu unruhig. Außerdem möchte ich mein Bier aus einem Glas und nicht aus Plastikbechern trinken. Im „Barlines“ direkt am Museum bekommen wir einen schönen Thekenplatz, lecker Bier und Cider und zwei Burger mit Tater Tods, die sich sehen lassen können - nicht lange, dann sind sie verputzt.

Gabi möchte noch mehr vom Broadway sehen - es ist ja etwas insgesamt angenehmer als gestern, was den Andrang und das Gedränge angeht. Also stiefeln wir ihn nochmal ganz hinauf und hinunter - jeweils eine Straßenseite. Die Partybusse, -trecker und -räder fahren wieder. Überall klasse Live-Musik. Vielfach sind die Fenster herausgenommen und die Band sitzt mit dem Rücken zu Straße. Ungewohnte Perspektive. Am Ende des Broadway am Tennessee River blühen die Bäume weiß, schönes Licht! Candy-Shops und Klamottenläden sind hier natürlich auch zu finden. Cowboy/girl-Stiefel scheinen sich gut zu verkaufen.

Im „Legends Corner“ nehmen wir noch ein kleines Fläschchen Bier und Cider. Coole Kneipe mit wieder mal verrückter Ausstattung. Einige Gitarren hängen an den Wänden, in einer Vitrine sogar eine von Johnny. Die von dem, der sich den Wolf tanzt ist ebenso dabei, wie die von dem Gitarristen mit den 7 Armen, Ok, Scherz beiseite. - aber schaut bei den Fotos.

Rückfahrt zum Hotel - um 19:00 Uhr sind wir wieder auf dem Zimmer. Nun das übliche, dann lassen wir den Tag ausklingen. Wifi gibt es immer noch nicht. Ich hoffe, dass ich morgen Abend sofort die beiden letzten Tage hochladen kann.

Es neigt sich langsam dem Ende zu. An Abreise möchte ich aber noch nicht denken. Morgen fahren wir in die Smoky Mountains. Darauf freue ich mich sehr. Die Zeit rund um die Musikgeschichte in den Cities war klasse - ich möchte sie nicht missen. Jetzt ist es aber gerade zum Urlaubsausklang gut, wenn wir noch einmal Naturfeeling, eine Wanderung und „Bergluft“ genießen können. Vorfreude!

Tagesetappe: - Kilometer
Übernachtung: Club Hotel Nashville Inn & Suites, 2435 Atrium Way, Nashville, TN 37214

Jacks 'n' Johnny

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Jürgen im Jack Daniel Visitor Center, Lynchburg, Tennessee

Das Rezept des Tages? Man nehme 2 Jacks und füge einen Johnny dazwischen - schon ist der perfekte Urlaubstag geschaffen! Keine Sorge, ich kläre das auf!

Doch zuvor: gestern Abend haben wir erwartet, in dieser Nacht kein Auge zumachen zu können. Das einfache Motel besteht offensichtlich nur aus Bretterwänden, es reisen noch spät Gäste an, Fernseher laufen, von allen Seiten Geräuschkulisse inklusive Hundegebell. Doch wir sind müde genug und schlafen irgendwie ein. Als ich dann wach werde staune ich: die Nacht in um und wir haben erstaunlich gut geschlafen.

Um 09:00 Uhr müssen wir im Visitor Center der Jack Daniel Distillery sein. Da wir schnell eingepackt haben ist noch etwas Luft. Frühstück? Hier im Motel gibt es nix außer einem dünnen Kaffee. Nebenan ist ein Subway und es ist Samstag - noch geschlossen, war ja klar. Ich fahre die kurze Strecke bis zum General Dollar an der Hauptstraße, kleiner Supermarkt, alles mögliche zu kaufen - nur keine Sandwiches oder Subs o.ä. Tiefgefroren (!) Wären die zu haben, aber was sollen wir damit?

Also packen wir Tiny ins Auto, geben die Zimmerkarten ab und fahren noch kurz in die „Historic Downtown“, die wie gestern beschrieben nicht mehr zu bieten hat als ein Mini-Karree von Shops. Alle zu, einer auf: der „Southern Perks Coffee Shoppe“ - passt. Wir lassen uns 2 große Latte in unsere Yeti-Becher füllen und vermeiden damit einmal mehr die Verschwendung von Plastik. Die Zeit reicht sogar, uns noch 2 Bisquits mit Bacon, Ei und Käse zubereiten zu lassen. Schönes Cafe, wir verputzen unser Frühstück noch vor Ort und sind 3 Minuten später am Visitor Center. Ready for Whiskey.

Die Lage der Destille inmitten weiter Waldgebiete und am Rand diese mehr oder weniger verschlafenen Farmernests, in dem sich alles nur um den „Jack“ dreht, ist schon was Besonderes. Wir stehen auf der Liste, ich zahle 30 Dollar für 90 Minuten Tour inkl. Tasting pro Person und dann schauen wir uns die Ausstellung im Visitor Center an. Schön gemacht, inklusive Erklärstation, wie sie hier den Whiskey herstellen. Das kennen wir im Grundsatz, es gibt aber wesentliche Unterschied des Bourbon zum Scotch: zunächst ist es in ganz Amerika so, dass zur Lagerung des hier als „Moonshine“ bezeichneten Rohdestillats ausschließlich „Virgin Oak“-Fässer genutzt werden dürfen. Das heißt es müssen immer frische Fässer her aus amerikanischer Eiche. Das gefällt den Schotten, die die „first fill Bourbon-Fässer“ nach ihrer Nutzung kaufen und für ihre Lagerung benutzen; die Fässer bringen schon etwas Bourbon-Geschmack mit und das tut dem Whisky oft gut. Später veredeln die Schotten ja vielfach durch Umfüllen in andere Eichenfässer (Sherry, Port, Wein etc.) - das ist hier nicht so verbreitet.

Der „Tennessee Whiskey“ hat aber eine weitere Besonderheit: der Moonshine wird vor der Lagerung im Fass durch gut 3 Meter hoch aufgeschichtete Holzkohle geträufelt und so gefiltert. Fuselalkohole, Fette etc. werden so herausgefiltert und es entsteht ein weicheres Destillat.

In der Ausstellung gibt es natürlich auch historische Flaschen und vieles mehr. Blickfang ist ein alter Lieferwagen. Es gab eine kurze Zeit, da hat man hier (naheliegend) auch Bier hergestellt und dieses wurde dann hiermit ausgeliefert. Das war aber nur eine kurze Phase - Tiny gefällt der schmucke Wagen.

Die Gruppengröße beträgt hier bis zu 28 Personen je Guide, um 09:15 Uhr ist bereits eine entsprechend große Gruppe gestartet. Als wir um Punkt 09:30 Uhr von Matt, unserem jungen Guide, der sich bereits seit seiner Kindheit hier in der Distillery herumtreibt aufgerufen werden trauen wir unseren Augen nicht. Wir kommen in den Nebenraum, wo die kurze Einführung stattfindet und sind nur zu viert! Ein Paar aus Texas, wir beide (mit Tiny) - und Matt. Unfassbar, das ist so ein Glücksfall. Wir haben quasi eine Privatführung und Matt sagt, dass er selbst erstaunt ist, weil es das so gut wie nie gibt. Klasse, es kann losgehen!

Toll an der kleinen Gruppe ist auch, dass ich ganz entspannt Fotos machen kann, ohne das mir ständig Leute im Weg stehen. Leider ist in den Gebäuden, in denen mit dem Destillat umgegangen wird, das Nutzen aller elektronischen Geräte untersagt (Explosionsgefahr - „wir wollen ja nicht heute noch den lieben Jack besuchen“). Das erste kleine Wegstück bergauf werden wir mit dem Bus gefahren. Wir stellen uns gegenseitig vor, richtig gemütlich. Die Texaner haben noch einen Jack-Daniels-Cocktail mit Zitrus und Eis bestellt, großer Becher. Auf meine Antwort, dass ich noch fahren muss und wir uns das daher verkneifen lachen die Amis herzlich: „Wir sind Texaner!“ Und auch Matt bestätigt, dass hier so richtig niemanden interessiert, ob man fahren muss oder nicht (in Grenzen, denke ich - oder?). Matt erzählt, dass die Touren inkl. ausgiebigem Tasting bis vor einigen Jahren noch kostenlos waren. Inzwischen haben sie 300.000 Besucher jährlich und haben das System umgestellt.

Wir schauen uns zunächst die Besonderheit an: den Platz, wo die Holzkohle hergestellt wird, immer von den gleichen Leuten, die Matt schon sein Leben lang kennt. Sie lagern Sugar Maple (Zucker-Ahorn) für 9 bis 12 Monate auf dem Gelände der Distillery und „würzen“ das Holz so mit allem, was hier so an angenehmen Gerüchen herrscht. Dann schichten sie es auf und zünden es mit einem historisch anmutenden Flammenwerfer an Wenn das Holz gut verbrannt ist und der Kohle-Status erreicht ist löschen sie das Feuer mit Wasser, schichten um, löschen wieder usw. Dann wird die Kohle geschreddert, so dass ein Granulat entsteht und in einem Hochbehälter gelagert bis sie benötigt wird.

Als nächstes zeigt uns Matts die Wasserquelle, die hier durch eine Art Höhle fließt. Das Wasser ist regelmäßig glasklar und heute wegen des Regens gestern etwas eingetrübt. Es enthält besonders wenig Eisen und ist daher super geeignet. Hier hat Jack Daniel begonnen und hier steht auch seine Statue. Markenzeichen von Jack war es, dass er stets piekfein gekleidet daher kam. Niemals hat er sich anders fotografieren lassen - das war sein Steckenpferd: Anzug, Fliege und Hut mussten sein. Die Distillery ist mehrfach (drei mal?) abgebrannt (heute ist die Werksfeuerwehr besser besetzt als jede Flughafenfeuerwehr im Umfeld), alle Steinhäuser mussten mehrfach neu aufgebaut werden. Überlebt hat stets nur das kleine, aus Holz gebaute Office von Jack hier an der Quelle - und dorthin begeben wir uns jetzt und Matt führt die Geschichte rund um den kleinen Jack zu einem traurigen Ende..

Jack Daniel war und ist ein Familienunternehmen. Es gibt in diesem nur 300 Seelen umfassenden Örtchen quasi niemanden, der nicht irgendwie mit der Distillery verbunden ist. Jack Daniel wurde 1850 als das zehnte von zehn Kindern geboren und hatte von Beginn an keinen leichten Stand in der Familie. Mit 5 Jahren wurde er an einen Reverent „zur Pflege“ abgegeben und schon mit 13 Jahren begann er, seinen ersten Moonshine zu produzieren. Mit 16 Jahren kaufte er einen Teil dieses Geländes und zwar den Teil, auf dem sich die Quelle befindet. Dort installierte er seine Spirit-Still im Fels direkt über dem Wasser. Die Stelle kann man auch heute noch gut erkennen.

Der Hauptraum ist unverändert: originaler Schreibtisch, Uhr, Ofen, Tresor. Morgens kam Jack hier herein, setze sich an den Schreibtisch und arbeitete. Zwischendurch musste er natürlich auch mal an den Tresor. Eines Tages bekam er das störrische Ding nicht auf und trat voller Wut dagegen - und brach sich den großen Zeh. Leider hat er sich nicht behandeln lassen. Nach 9 Monaten musste ihm der Zeh amputiert werden, ein weiteres halbes Jahr der Unterschenkel. Er starb dann einige Monate später im Jahr 1911 an den Folgen der Blutvergiftung; der Brandherd hatte sich bis zur Hüfte weiter entwickelt. Brrrr.

Es hängen dort auch Fotos von den Master-Distillern. Der heutige ist 41 Jahre alt und macht den Job schon seit 26 Jahren; er ist der Enkel des vorletzten Chefs. Ihm steht eine junge Frau zur Seite, die seine Aufgabe sicher irgendwann einmal übernehmen wird. Mit 100 Millionen Litern/Jahr ist Jack Daniels heute eine der meistgetrunkenen Spirituosen weltweit.

Nun schauen wir uns die Stills an. Sie verwenden keine bauchigen Pottstills wie die meisten schottischen Distillerys sondern ausschließlich zylinderförmige Columnstills, die 52 Stunden laufen, dann gereinigt und wieder in Betrieb genommen werden. Die Fermentierung findet nebenan statt, es riecht sehr gut. Als Grundlage nehmen sie fast bei allen Abfüllungen Mais, Gerste und Roggen nach dem „Geheimrezept“ von Jack. Die nach der „Bierherstellung“ verbleibenden Feststoffe werden vollständig als Tierfutter an die Höfe in der Umgebung gegeben, glückliche Kühe, Pferde und Schweine!

Dann kommen wir in den Bereich, wo das junge Destillat durch die Holzkohle geträufelt wird, „dropje for dropje“. Über 3 Meter Holzkohle müssen die Tropfen durchlaufen, bevor sie später ins Fass gelangen. Die Holzkohle wird alle 9-12 Monate gewechselt und es dauert dann immer eine ganze Woche, bis der neue „Stoff“ durchgelaufen ist. Dieser wird dann sicherheitshalber noch einmal gefiltert und weiter geht die Reise.

Der Tastingraum ist in ein Fasslager integriert, sehr urig. Wir sitzen in dem gläsernen Raum umgeben von Fässern und haben jeder 6 Pinnekes vor uns stehen. Matt gibt die Erläuterungen, wir probieren: „Gentleman Jack“, der komplett zwei mal gefiltert wird, um ihn noch weicher zu machen. Dann gibt es den klassischen „Jack Daniel’s old No. 7“ (Fasslagerung ist hier mindestens 4 Jahre). Es folgt der „Jack Daniel’s Rye“, der komplett aus Roggen hergestellt wird und einen ganz anderen Geschmack hat. Dann folgen noch „Jack Daniel’s Tennessee Honey“, „Jack Daniel’s Tennessee Fire“ (mit Zimt) und „Jack Daniel’s Tennessee Apple“. Für letztere hat Matt unzählige Verwendungsmöglichkeiten: auf Eis, vermischt mit Tee, Kaffee, Limonade, gefroren oder zu Speiseeis gegeben etc. Wir sollten zu Hause mal mehr ausprobieren!

So viel dazu, alles andere sprengt den Rahmen. Tolle Tour!!

Auf dem Weg nach Nashville stoppen wir bei bestem Wetter noch kurz bei einem Walmart. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Mengen manche Familien hier einkaufen. 2 große Einkaufswagen voll mit Unmengen an Fleisch etc. lassen uns vermuten, dass hier immer für mehrere Wochen eingekauft wird.

In Nashville fahren wir zum Hotel, das in „East-Nashville“ liegt. Diejenigen in Downtown waren einfach viel zu teuer. Unser Hotel bietet einen stündlichen Shuttle nach Downtown an. Der kosten 15 Dollar pro Person hin und zurück. Das ist ein super Preis für die halbstündige Fahrt und wir sind heilfroh, dass wir unser Auto hier stehen lassen können. In Nashville ist nämlich die Hölle los. Ausnahmezustand! Hier ist am Broadway ja immer die bekannte Partymeile mit unzähligen Kneipen, alle mit Live Music, zum Teil auf 3 Etagen. So was haben wir noch nie gesehen. Hinzu kommt: es ist Springbreak (die Jugendlichen sind außer Rand und Band), es ist ein großes Basketball-Turnier mitten in der Stadt (Bridgestone Arena) - jede Menge Sportfans feiern. Es ist Samstag und es ist St. Patrick’s Day - grün, wohin das Auge schaut. Menschenmengen und ein infernalischer Lärm der sich vermischenden (sehr guten) Live-Acts.

Wir retten uns erst mal in den ersten Apple Store unserer Reise und Gabi bekommt die dringend benötigte neue Hülle für ihr iPhone. Dann stürzen wir uns ins Getümmel. Das ehrwürdige Ryman Auditorium ist groß und hat eine schöne Backsteinfassade. Fotografieren ist sehr schwierig wegen der ganzen Leute. Das „at & t“-Building heißt umgangssprachlich auch „Batman“. Überall fahren Partybusse oder -gefährte rum, ebenfalls mit eigener Musik und Gekreische. Viele Junggesellinnenabschiede, die meisten Mädels tragen bauchfrei, Cowboystiefel (gerne weiße) und knappe Röcke, wobei der Körperumfang völlig nebensächlich ist.

Wir schauen, dass wir ins Johnny Cash Museum kommen. Das liegt in einer Seitenstraße und hier haben wir Zeit. Der „Man in Black“ nimmt uns lange gefangen. Wir schauen uns alles in Ruhe an, Instrumente, Klamotten - auch von seiner zweiten Frau June Carter Cash. An vielen Audio- und Videostationen sehen und hören wir uns Beispiele seines Lebenswerkes an. Ich muss hier abkürzen - er war ein ganz großer mit einer sehr langen, erfolgreichen Karriere. Aber er hat in seinem Leben auch viel „Rock ‚n‘ Roll“-Erfahrung sammeln müssen inkl. Abhängigkeiten und miesen Phasen und Erfahrungen. Der grandiose Film „I walk the Line“ mit Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon (die alle Titel selbst singen) sei hier wärmstens empfohlen!

Nun gehen wir noch zur Country Music Hall of Fame und checken, was morgen geht. Alles gut, ich kann am Besten übers Internet Karten kaufen, was ich dann auch abends noch mache.

Nun haben wir Hunger, aber überhaupt keine Lust, uns hier in diese übervollen Kneipen am Broadway zu stürzen, wo man selbst ein Bier nur in Zeichensprache bestellen kann. Infernalischer Lärm. Zu unserem Entzücken finden wir das „Cerveza Jack’s“, eine mexikanisch angehauchte Bar in der 2nd Street. Eine junge Frau (in hohen Cowboystiefeln) singt zur Gitarre - sehr, sehr gut!

Bier gibt es nur aus der Dose - dafür heißt meines „Hippies and Cowboys IPA“ und schmeckt. Wir lassen Margaritas folgen und essen tolle Nachos mit chipottle chicken und Steak-Quessiladas. Genau der richtige Ort für uns.

Der Rücktransport zum Hotel läuft reibungslos, allerdings beobachten wir einen Unfall. Zwei junge Pärchen sind sehr fix mit dem Elektrotretroller unterwegs und kreuzen unsere dreispurige Fahrbahn, ohne Vorfahrt zu haben. Ein Auto neben uns erwischt die hinteren in voller Fahrt am Hinterreifen, die beiden stürzen - scheint aber nochmal gut gegangen zu sein. Eine Sekunde früher und es hätte ziemlich sicher zwei Tote gegeben. Puh! Zufällig steht direkt neben uns ein Ambulanzwagen, der hält sofort und nimmt sich der Sache an.

Wir checken ein und gratulieren erst mal der lieben Margret zum 60sten. Dort ist die Party im vollen Gange und wir platzen per Skype hinein. Gabi hat um 18:59 Uhr gerade noch zwei gratis Whisky-Cocktails erobert, die es hier zur Happy Hour bis 19.00 Uhr gibt. So können wir sogar anstoßen. Anschließend beziehen wir unser geräumiges Zimmer mit zig Steckdosen und allem, was wir benötigen.

Da es noch so schön ist verziehen wir uns aber mit unseren Getränken und dem Mac noch nach draussen an den Pool. Das Tagebuch schaffe ich heute ohnehin nicht mehr und ich bin froh, dass die Fotos noch fertig werden. Das Wifi ist aktuell so schlecht, dass an die Website ohnehin nicht zu denken ist. Morgen starten wir mit dem Shuttle um 11:00 Uhr, da habe ich vorher noch Zeit für das Tagebuch. Passte - es ist jetzt fertig (10:25 des Folgetages).

Ein Jack (Daniel) am Vormittag, ein Johnny (Cash) am Nachmittag und ein Jack („Cerveza“) am Abend - das war ein super Tag mit tollen Eindrücken.

Tagesetappe: 119 Kilometer
Übernachtung: Club Hotel Nashville Inn & Suites, 2435 Atrium Way, Nashville, TN 37214

Rock ‚n‘ Roll

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Jürgen am Sun Studio, Memphis, Tennessee

Ein gesamter Tag in Memphis, Tennessee, der Stadt von Blues, Soul, Rock, dem Mississippi und natürlich „King Elvis“.

Memphis wurde nach der gleichnamigen Stadt am Nil benannt (Bedeutung: „guter Wohnsitz“) und war einst eine bedeutsame Hafenstadt mit zeitweise an die 300 Schaufelraddampfern dicht an dicht an den Sandbänken des Wolf River. Mit verarmten Farmern und arbeitslosen schwarzen Landarbeitern, die auf der Suche nach dem großen Glück zu Tausenden nach Memphis strömten, kam eine neue Musikrichtung in die Stadt: der Blues. Dieser fand später in abgewandelter Form seinen Weg nach New Orleans. In früheren Zeiten noch als „Hillbilly“ abgetan, schaffte William Christopher Hardy schließlich mit dem legendären „Memphis-Blues“ den Durchbruch. Hardy spielte seinen Blues in der Beale Street, der Amüsiermeile der Flussschiffer (sein Haus haben wir übrigens heute Abend ganz zum Schluss noch gefunden). Seither ist die Beale Street als eine der Geburtsstätten des Blues bekannt und seit 1966 auch „National Historic Landmark“ der USA. Gestern hatten wir hier ja schon den B.B. King Blues Club besucht.

Mitte der 1950-er Jahre legte ein großer Sohn der Stadt den Grundstein für eine weitere neue Musikrichtung: Elvis Presley, der „King of Rock ‚n‘ Roll“. Er wurde in Tupelo, Mississippi (da fahren wir morgen hin) geboren, lebte aber bereits seit seinem 13. Lebensjahr in Memphis und wurde hier vom Besitzer der „Sun Studios“ entdeckt. Er lebte bis zu seinem Tod 1977 in seiner Villa Graceland im Süden der Stadt. Auch Graceland wollen wir uns morgen anschauen.

Ich kann es vorwegnehmen: der Tag war wieder mal grandios und gespickt von sehr nachhaltig eindrucksvollen Erlebnissen. Aber er war auch mordsanstrengend; wir haben 14,3 Kilometer auf der Uhr, alle Asphalt.

Nach dem Frühstück sollte gleich das Highlight umgesetzt werden: eine Besichtigung des legendären Sun Studio. Karten kann man nicht online reservieren, es gilt „first come, first serve“. Das Studio öffnet um 10:00, die erste Führung ist um 10:30 Uhr. Also sind wir um 09:30 Uhr dort, um ganz sicher Karten zu bekommen, wir kennen das Prozedere ja nicht. Es ist erst eine Dame da, das sieht gut aus für uns.

Hier im Sun Studio wurden die ersten Plattenaufnahmen von Elvis produziert. Aber auch Johnny Cash, B.B. King, Muddy Waters, Howlin’ Wolf, Ike Turner, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und viele andere haben hier Platten aufgenommen. Das Studio ist bis heute in Betrieb, aufgenommen wird meist nachts, den tagsüber sind ja Führungen. Sam Phillips hatte hier 1952 das unabhängige Label „Sun Records“ gegründet, das trendsetzend war für die Entwicklung des Rhythm and Blues, der Rockabilly- und Rock ‚n‘ Roll-Musik. Wir machen die ersten Aufnahmen draussen, als noch niemand da ist.

Das Gebäude ist nicht groß, die Gruppe mit 40 Personen aber auch nicht klein. Ich habe das wahnsinnige Glück, immer als erster in die Räume zu kommen und so schnell Fotos machen zu können, bevor alles zu voll ist. Josh heißt unser Guide, ein junger Mann, der sehr engagiert und schwungvoll zu Werke geht. Immer wieder spielt er Musikbeispiele ein, er ist per Streaming mit Boxen verbunden, was kurze Reaktionszeiten, einen tollen Sound und eine einzigartige Atmosphäre ermöglicht.

Es ist völlig unmöglich, die Emotionalität und vermittelten Fakten dieses Besuchs hier wieder zu geben. Alles beginnt mit 30 Minuten Warten im Foyer, das schon gespickt ist mit Erinnerungsfotos, Platten und allerlei Krams aus den 50ern. Als es losgeht kommen wir zunächst im 1. OG in eine Art „Studiomuseum“. Hier sind alte Aufnahmegeräte und -techniken ausgestellt, Instrumente, wieder Fotos, Platten etc. Außerdem befindet sich hier das Originale Sendestudio vom „Memphis-Sender WHBQ“. Für mich ist das das allererste DJ-Pult mit zwei Plattenspielern beeindruckender Größe inkl. Sendetechnik. Der Sender soll gleich noch eine Rolle spielen!!

Als hier alles erläutert und gesehen ist, gehen wir alle (ich voran) runter in den heiligen Gral - das eigentlich Studio aus den 50er Jahren , welches heute noch genutzt wird. Und kein Witz (!!!) als wir da reingehen, sind alle mucksmäuschen still, als wenn wir eine Kirche betreten würden. Für manche klingt das jetzt vielleicht total bescheuert. Für mich und uns andere ist es das überhaupt nicht. Ich kenne diesen Raum aus Filmen (Walk the Line, Elvis etc.). Hier ist Elvis entdeckt worden, Johnny Cash hat hier ebenfalls seine ersten Aufnahmen gemacht (Walk the Line, Folsom Prison Blues u.a.), Jerry Lee Lewis hat hier aufgenommen, B.B. King und so viele andere. Und jetzt stehen wir hier, machen Fotos, hören Musik, sehen die Technik, die z.T, noch aus den 50ern stammt.

Echte Schätzchen von Gitarren, Amps, denen man ihr Alter definitiv ansieht, Mikros, die (angeblich) noch diejenigen sind, die Elvis, Johnny & co genutzt haben. Josh erzählt, wie der 18-jährige Elvis hier eine Aufnahme machen wollte. Sam Phillips war sehr angetan von ihm, mochte aber diese ständigen Balladen nicht. Er wollte schon gehen, als Elvis mit seiner Gitarre durch den Raum geht und „It’s allright“ (einen seiner Lieblingssongs) schrummelt. Josh macht es vor - hier ist er langgetigert, immer hin und her. Und durch diese Tür kam Sam zurück und sagte: „Das nehmen wir auf!“. Nur zwei Tage später hat der Radiosender WHBQ (s.o.) diesen Titel gespielt und auf Nachfrage in einer Nacht 14 Mal (!!!) Wiederholt. Der Rest ist Musikgeschichte!

Die Wände sind studiolike mit Akustikplatten verkleidet, denen man ihr Alter ebenfalls ansieht. Überall hängen Fotos - z.B. das von Elvis mit Johnny Cash und Carl Perkins. Elvis sitzt an dem Piano, das genau hier unter dem Bild steht. Das coole Foto vom „Man in Black“ spricht für sich. Am Ende Düren wir mit dem alten (Original?-) Mikro spielen. Wieder draussen ist der Himmel knackeblau und wir machen noch ein paar Bilder. Auf dem Rückweg zu Hotel finden wir schöne und bunte Wandmalereien. Der Besuch muss erstmal einige Wochen sacken - ich habe noch unzählige Fotos. Bei Interesse: bitte melden!

Kurzer Restroomstop im Hotel - außerdem haben wir Durst. Zack, wieder eine Flasche Wasser weg. Und weiter geht es in die Downtown. Dabei kommen wir wieder bei den Memphis Redbirds vorbei. Richtig fettes Baseballstadion mitten in der City. Und gegenüber ist der Superdome der Basketballer (Memphis Grizzlys).

Wir erreichen das nahegelegene „The Peabody Hotel“. Das historische Grandhotel begeistert auch heute noch durch seine Größe und Eleganz, vor allem in der riesigen Lobby. Hauptattraktion sind - neben dem wirklich imposanten Gebäude - die Enten („Peabody Ducks“). Täglich um 11:00 werden sie vom Ententrainer (ich wusste bis vor einigen Wochen nicht, dass es sowas gibt!) in die Lobby geführt - um 17:00 geht es zurück. Als wir ankommen, plantschen die Enten schon. Leute schlürfen ihre Cocktails oder einen Kaffee, im Hintergrund ein Flügel, der sich von selbst spielt - oder von einem Geist bedient wird, den ich nicht sehen kann. Gabi hat ein Video - spooky!

Weiter geht es zum Flussufer und von da eine ganz schöne Strecke am Mississippi entlang bis zum Tennessee Welcome Center. Hie Rist irgendwie niemand im riesigen Gebäude; wir machen Bilder von den überlebensgroßen Bronze-Statuen von B.B. King und Elvis Presley.

Gabi möchte unbedingt noch bis zur Pyramide weiterlaufen, in der sich die gigantischen „Bass Pro Shops“ befinden. Wir haben so einen schon mal (ich glaube in Denver, Colorado) besucht. Hier wird Einkaufen zum Erlebnis. Es gibt massig ausgestopfte Tiere, in Landschaften angeordnet. Aber auch Teiche mit großen Fischen, Aquarien und eine Anlage mit mehreren Alligatoren, die man hier sehr gut beobachten kann, sind vorhanden. Besonders imposant sind die Angel- und Jagdabteilungen. Hier gibt es alles, von der kleinsten Rute bis zur größten Langwaffe, mit der man wahrscheinlich (Gott bewahre!) auch Elefanten erlegen kann. Die Restrooms sind hinter der Shootinganlage, in der auch die Kleinsten schon über Kimme und Korn üben können. Es gibt aber auch alles andere, was das Outdoorherz höher schlagen lässt. Natürlich ist auch ein Hotel in die Pyramide integriert. Amerikanischer Wahnsinn - aber sehr gut gemacht!

Rückweg zur Mainstreet, historische Bahnen, Pferdekutschen im Cinderella-Design, nachts beleuchtet. Es gibt aber auch im Individualverkehr sehenswerte Fahrzeuge - wendig, schnell, und laut!

So kommen wir an der Beale Street an, wo wir gestern schon bei B.B. King hinein geschnuppert haben. Zunächst schauen wir beim A. Schwab’s General Store hinein, einem riesigen Ramschladen auf mehreren Ebenen, der seit 1876 im Besitz der Familie Schwab ist. Hier findet man wirklich alles, von Voodoozubehör bis zu alten Wahlplakaten und das Motto „If you can’t find it at A. Schwab’s, you’re better off without it“ hat bis heute seine Gültigkeit. Sogar zu meinem T-Shirt farblich abgestimmte Perücken haben sie.

Die Beale Street war schon früher die Amüsiermeile der Flussschiffer, die dort Musik & Glücksspiel suchten und fanden. Hinter fast jeder Tür hören wir Blues und Rock ‚n‘ Roll. Die Kunst ist es, die Kneipen oder Biergärten zu finden, wo einem nicht die Ohren wegfliegen.

Mit dem „Silky O'Sullivan's Grillrestaurant“ finden wir genau so einen Biergarten. Kühles Bier, Cider und BBQ-Nachos zum Teilen kommen jetzt genau richtig. 9 Kilometer sind wir schon gelaufen. Für die Musik sorgt ein junger Mann mit Gitarre - good Job!

Qual der Wahl: gerne würden wir noch ins Rock’n’Soul Museum gehen, das angeblich beste Museum zum Thema Musikgeschichte in der Stadt. Thema sind dort die Anfänge der Rockmusik und ihre geschichtliche Bedeutung für Memphis und die ganze Welt. Andererseits können wir Memphis nicht verlassen, ohne das National Civil Rights Museum im ehemaligen Lorraine Motel zu besuchen. Hier fiel der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. vor der Türe des Zimmers Nr. 306 am 04. April 1968 einem Attentat zum Opfer. Heute beherbergt das Haus eine sehr umfassend angelegte und didaktisch gut aufgebaute Ausstellung zur Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die alle wichtigen Ereignisse der 1950er- und 1960er-Jahre beleuchtet. Das ist unser nächstes Ziel.

Auf dem Weg dorthin passieren wir noch den Martin Luther King Jun. Reflection Park. Die Worte aus seiner „I have a dream“-Rede (über die ich übrigens im Abi in Englisch LK schreiben musste) gehen mir auch heute noch unter die Haut. Wir erreichen das ehemalige Lorraine-Motel, das im Grunde so aussieht, wie so manches Motel, in dem wir Urlaub machen - nur das die Ausstattung inzwischen meist deutlich besser geworden ist. Auch das macht etwas mit dir: dort zu stehen und auf die Zimmertür von „306“ zu schauen und zu wissen, hier ist es passiert.

Die Eingangskontrolle ist wie am Flughafen: alles wird angesehen und gecheckt - auch heute noch hat man offensichtlich Sorge vor Anschlägen. Ein wie immer eindrucksvoller Film stimmt uns ein. Dann geht es zu den Ursprüngen der Rassendiskriminierung, der Zeit der Sklavenhaltung bis hin zum Bürgerkrieg. Wir entdecken Dokumente, Fotos und Zeichnungen, die wir bereits aus Savannah und Charleston kennen. Hier hat man auch mal Figuren so hingesetzt, wie die Sklaven auf ihrer Reise von Afrika zur Ostküste zusammengepfercht waren. Da wurde jeder Zentimeter genutzt. Furchtbar.

Der Bus, in dem Rosa Park im Dezember 1955 den Busboykott auslöste, ist ebenfalls ausgestellt - wir können hindurchgehen. Rosa hatte sich der Anweisung des weißen Busfahrers (die wir immer wieder hören, als wir durch den Bus gehen), aufzustehen und einer Weißen Platz zu machen, widersetzt und war dafür inhaftiert worden. In der Folge boykottierten Schwarze die Busfahrten komplett bis Dezember 1956. Für mich bezeichnenden Schrifttafeln habe ich auch mal bei den Fotos platziert. „Sanitation Worker“ sind Müllwerker - bezeichnend, wie sie behandelt wurden, wenn sie eine schwarze Hautfarbe hatten.

Die weiteren Proteste bezogen sich auf Sitzblockaden, die gewaltsam gebrochen wurden und die „I am a man“ Bewegung. Im Ergebnis: Gewalt, Tote (auch Kinder) - bis hin zu Martin Luther King. Plötzlich stehen wir vor eine Glasscheibe, hinter der sich das Zimmer 306 befindet - hier hat Martin Luther King jun. seine letzte Nacht verbracht. Ohne Worte!

Gegenüber dem Museum sitzt Jaqueline Smith, die seit 1987 dagegen protestiert, dass sehr viel Geld für das Museum ausgegeben wurde, das gesamte Hotel jedoch leer steht, obwohl es in Memphis viele Bedürftige und Obdachlose gibt. Das sei nicht im Sinne von Martin Luther King Jr. Gabi unterhält sich mit ihr.

Um die Ecke befindet sich das Blues Hall of Fame Museum - ich mache aber nur ein Foto. Gegenüber finden wir eine eine Wandmalerei, die das „I am a man“-Thema noch einmal aufgreift.

Leider ist es nun zu spät, um auch noch das Rock’n’Soul Museum anzuschauen - hätten wir tatsächlich noch gemacht! Statt dessen nehmen wir nun noch einmal die Beale Street ins Visier. In einer Rooftop-Bar trinkt Gabi einen zweifelhaften Cocktail, der in einem Bein serviert wird. Viel Besser geht es uns anschließend in der Ghost River Brewery. Super Bedienung, leckeres Bier, tolles Essen, gute Preise. Und draussen spielt Live-Musik, die uns aber dort auch zu laut ist, so dass wir lieber innen sitzen.

Zum Abschluss ein kurzes Fazit: Memphis gilt als gefährliche Stadt, ja sogar als „Mordhauptstadt"; die Kriminalitätsrate ist aktuell die höchste der Großstädte in den USA. Unter den unsichersten Städten der Welt liegt Memphis auf Platz 14 noch vor Kapstadt. In New Orleans und auch unterwegs haben uns Einheimische mehrfach geraten, gut aufzupassen. Das machen wir sowie so immer, haben wir aber natürlich ernst genommen.

Ich muss aber sagen, das sich ich mich hier - in den Bereichen, die wir besucht haben - immer sehr gut aufgehoben gefühlt habe. Außerdem ist Downtown inklusive der Beale Street echt angenehm zu Fuß zu entdecken. Die Stadt hat sehr viel zu bieten und die ständige Verbindung zum „Rock ‚n‘ Roll“ macht Lust auf mehr. Wenn möglich, würde ich länger bleiben oder wiederkommen. Also: alles gut.

Der Tag morgen gehört dem „King Rock ‚n‘ Roll“. Erster Programmpunkt: Graceland. Anschließend fahren wir wohl zu seinem Geburtstort - ich werde berichten!

Tagesetappe: 14,3 Kilometer (zu Fuß!)
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

B.B. King & Delta Blues

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Jürgen im B.B. King Museum & Delta Interpretive Center, Indiola, Mississippi

Es ist 22:20 Uhr, die Fotos sind soweit versorgt, es fehlt nur noch das Tagebuch. Welch ein Tag - den werden wir ebenfalls niemals vergessen, in vielen Details. Hier einen vollständigen Bericht abgeben zu wollen wäre völlig vermessen. Daher „nur“ die Fakten und einige Emotionen. Wer mehr Details wissen möchte, spricht uns einfach an - wir berichten dann gerne.

Die Casinobetten waren nur zweite Wahl. Gabis Laken war so zerknittert, dass es schon fast als Kunst durchging; mein Bett war irgendwie „wellig gelegen“ und erinnerte so etwas an den Highway 61, der uns gestern so sanft auf und ab gewogen hat. Über Nacht ist das dann eher lästig mit den ständigen Kuhlen.

Da es hier kein Frühstück gibt sind wir schnell fertig gepackt und rollen vom Parkplatz. Heute liegt mit fast 400 Kilometern der längste Streckenabschnitt vor uns . Und das ist auch noch einer, auf dem es wirklich sehr viel zu entdecken gibt. Nun sind 400 Kilometer ins den Staaten nicht zu vergleichen mit einer gleich langen Strecke auf deutschen Autobahnen. Wenn hier 65 Meilen/Std. Erlaubt sind, dann fährst du die auch - das macht es viel entspannter, muss aber auch erst mal gefahren werden.

Also, wir rollen vom Parkplatz und da geht diese blöde Reifendruckkontrollleuchte an. Wenn man schon so einen Namen hat kann das nichts Gutes bedeuten. Warum soll der hintere rechte Reifen plötzlich 10 psi weniger haben als seine drei Kollegen? Kurz aussteigen und gegen den Reifen treten (das ist der Volltrotteltest, der nichts aussagt, einem aber das Gefühl gibt, einfach mal ein Stück fahren zu können, wenn der Reifen sich noch halbwegs prall anfühlt). Das tut er und auf geht es, immer mit der Frage im Bauch, ob uns hier die Elektronik veräppeln will oder wirklich ein Problem vorliegt. Wir fahren mal eine halbe Stunde und die Differenz bleibt. Die Kollegen haben sich jetzt auf 38 psi aufgewärmt, das Sorgenkind hat aber auch nur zwei zugelegt und steht jetzt bei 28. Also bis Memphis kann ich nicht einfach den Ignoranten spielen - ich fahre zwei Tankstellen an, die aber keinen Reifendruck messen können - Reifen machen wir nicht (du kannst aber 20 Kaffeekreationen kaufen, aus 40 Snacks auswählen oder deinen Wocheneinkauf abwickeln). kenne ich schon von vor ein paar Jahren und es hat sich nicht geändert. Wir benötigen eine Werkstatt.

Den Hinweis, wo wir die am Wegesrand finden, bekomme ich bei der zweiten Tanke. Napa Auto Parts heißt der Laden und ich habe unglaubliches Glück. Gerade ist einer der Mechaniker frei geworden. Die Werkstatt sieht erwartungsgemäß rustikal aus, der junge Mann schnappt sich nach meiner Problembeschreibung aber sein Mini-Messgerät, nickt anerkennend, holt den Wagenheber und bockt unseren Hyundai auf (inkl. Gabi, die noch drinsitzt). Dann schraubt er unseren Reifen ab, bevor ich noch „piep“ sagen kann und verschwindet in seiner Werkstatt. Ich hinterher. Tatsächlich, da steckt ein fulminanter Nagel im Reifen, hat sich aber zwischen dem Profil versteckt - ich hätte den nie gefunden. Ich frage, was zu tun ist und er sagt, er mache mir einen „Patch“ rein. Ich bestätige und er löst Reifen und Felge, klebt einen Flicken von innen rein, montiert den Reifen wieder auf die Felge, aufpusten, ran ans Auto. Fertig. Hat keine halbe Stunde gedauert und ging technisch wie beim Fahrrad, nur mit mehr Kraft, Lärm und Tamtam. 20 Dollar kostet der Spaß nur und ich bin so erleichtert, dass ich ihm noch 10 Dollar Trinkgeld gebe. Supi!

Der Weg führt heute einen weiteren Tag über den Blues-Highway #61. Das Mississippi-Delta ist hier ein Binnendelta, dass sich von Memphis bis New Orleans erstreckt - eine ganz schöne Strecke. Das Delta steht vor allem für das Leid der Sklaven. Ihr Kommunikationsmittel war die Musik. Hier entwickelte sich der Delta-Blues, der zum Vorreiter der späteren Blues-, Jazz- und Rockmusik wurde. Im Verlauf des heutigen Tages habe ich das auch viel besser verstehen können: die schwere Arbeit und das Leid der Sklaven sind der eine Teil des Blues. Wenn die Arbeit aber den ganzen Tag darin besteht, zu pflanzen, zu ernten, zu pflücken und zu schuffeln dann ist der Blues mit seiner 12-taktigen Form zu jeweils 3 Liedzeilen bestens geeignet, Ordnung und Rhythmus in den Tag zu bringen. Singen bei der Arbeit - hat bestimmt geholfen.

Die Straße führt zunächst weiter durch weiche Hügel und von Kudzu-Efeu behangene Waldgebiete, die etwas an eine Märchenlandschaft erinnern. Es ist aber nicht mehr so schön wie bei Port Gibson und Natchez, dafür aber deutlich hügeliger. Später führt die #61 durch das eher eintönige Deltagebiet.

Unser erstes Ziel nach der Werkstattaktion ist Leland am Hwy. #278, direkt nebenan der #61. Jim Henderson, der die Muppets-Familie schuf, verbrachte seine ersten 13 Lebensjahre hier zusammen mit deinem Freund Kermit Scott. Das winzigkleine „Birthplace of Kermit the Frog Museum“ enthält Erinnerungen an Henderson (der viel zu früh mit Anfang 50 starb). Kermit, Miss Piggy, Fozzie Bär sowie die Balkon-Grantler Waldorf und Stattler finden wir hier, aber auch bekannte Freunde aus der Sesamstraße. Die ältere Dame, die hier freudig Auskunft erteilt (und Tiny Little Bear vergöttert) erklärt uns einiges und eben auch, dass Henderson die Sesamstraße mit Ernie, Bert und Kollegen ins Leben gerufen hat. Da werden Erinnerungen an die Kindheit wach.

Mureals zum Thema Blues gibt es überall in diesem kleinen Nest „Leland“. Wir finden welche am „Highway 61 Blues Museum“. Dieses enthält nur drei Räume voll Sammelsurium zum Thema Blues und ist geschlossen. Besichtigung nur nach Anmeldung - hatten wir eh nicht vor.

Nach dem Besuch von Leland fahren wir nicht wieder auf den Hwy#61 auf. Wir fahren noch nach Indianola, wo sich das B.B. King Museum & Delta Interpretive Center befindet. Hier weise ich auf mein Alter hin und bekomme Seniorenrabatt beim Eintritt. Im Museum werden B.B. Kings Leben (1925-2015), seine Musik und sein Werdegang vorgestellt. Hier erfährt man auch, welchen rassistischen Diskriminierungen selbst ein Star wie er auf seinen Tourneen ausgesetzt war. King wurde als Riley B. King im nahen Berclair geboren. Auch über andere Bluesmusiker kann man in dem groß und perfekt angelegten Museum etwas erfahren. B.B. steht übrigens für „Blues Boy“. Er war zu Lebzeiten aus den verschiedensten Gründen stets „homeless“ und hat Indianola immer als seine eigentliche Heimat bezeichnet. Daher hat während seiner vielen Tourneen und Engagements in anderen Städten immer Wert darauf gelegt, Zeit in Indianola zu verbringen. Als sein Leben zu Ende ging hat er dieses Grundstück für das Museum zu seinem Lebenswerk und dem Delta-Blues auserkoren und auch verfügt, dass er er hier beigesetzt wird.

Das Museum hat 18 Millionen Dollar gekostet, die zumeist aus Spenden zusammen kamen. Unfassbar, wie viel Einzelpersonen gespendet haben. Höchstbetrag 2 x 2 Mio. Dollar, aber auch viele fünf- und sechstellige Spender/innen. Daraus haben sich echt was gemacht. Zur Einführung sehen wir einen gut 10-minütigen Film, in dem auch Weggefährten wie Eric Clapton zu Wort kommen. Im eigentlichen Museum finden sich Erläuterungen zur Entstehung des Blues, es sind Alltagsgegenstände der 20er Jahre ausgestellt, die Situation der Schwarzen spielt die entscheidende Rolle, B.B.’s Leben, seine Instrumente, seine Einstellung, seine Autos und ein Tourbus, die Alben die er im Studio oder Live aufgenommen hat - ganz viel Stoff, super aufbereitet - dazu überall Musik (selbst draußen auf der Straße), Filme etc. Warum seine Gitarren alle „Lucille“ heißen? Schöne Gechichte, erzähl eich gern mal - wer es genau wissen möchte: in seinem Song „Lucille“ beschreibt er genau das.

Was mir besonders gefallen hat sind einige seiner Bemerkungen über diese Musik: „The Blues are the three L’s: living, loving and - hopefully - laughing“. „Blues wird nicht aufgeschrieben, Blues wird geboren und gelebt“. „Wenn die Musik gut ist, spielt die Hautfarbe keine Rolle mehr!“ Letzteres kam zustande, als er völlig verwundert in der Zeit der Hippiebewegung in den 60ern plötzlich nicht mehr vor 90% Schwarzen, sondern 95% Weißen jungen Leuten spielte und die ihm Standing Ovations gaben. Dass er überhaupt jemals für Weiße würde spielen können, war in den 50ern noch völlig undenkbar für ihn. Letzter Satz von ihm in der Ausstellung neben dem fantastischen Portrait: „I am trying to get people to see that we are our brother’s keeper. Red, white, black, brown or yellow, rich or pour, we all have the blues.“

Neben seiner Bronzestatue vor seinem Grab zu sitzen und an der Platte zu stehen, umgeben von vielen sinngebenden Sprüchen war schon einer der emotionalsten Momente dieses Tages. Gabi und ich haben ihn gemeinsam mit Georg vor fast 20 Jahren live in Köln gesehen. Seit heute ist das noch wertvoller.

Als wir das Museum verlassen kommen 3 Busse (schwarze) Schulkinder im Grundschulalter an. Es gibt einen Teil des Museums, wo speziell mit Kindern gearbeitet wird. Vielleicht haben wir einen der Stars der Zukunft gesehen? Wir waren jedenfalls fast allein im Museum, was uns natürlich gut getan hat.

Wir nehmen die Nebenstrecke zur „Dockery Farms Foundation“. Dass diese auch über meilenlange dirtroad führt wusste ich nicht. Augen zu und durch - der Reifen hält. Die Dockery Farms Foundation ist eine ehemalige Baumwollplantage von 1895, die viele Musiker (u.a. B.B. King) als „Birthplace of the Blues“ bezeichnen. Hier sind wir ganz allein, es gibt noch nicht mal jemanden, der auf die Anlage aufpasst. Die Retro-Tankstele vorne ist ein schöner Foto-Spot. Hinten ist die Baumwollfabrik mit uralten Maschinen. Gespenstisch, wenn Gabi auf einen Knopf drückt und dann alter Blues aus vielen Lautsprechern klagend über die Anlage hallt. Toller Zwischenstop!

Unterwegs bekomme ich immer wieder Getränke (Cola Zero, Wasser) und Speisen (Sandwich, Orange, Chips, Nussmischung) aus dem Bordrestaurant gereicht, stilecht mit Schlabberlatz.

In Clarksdale, unserem nächsten Stop, viele Meilen weiter sind u.a. Howlin’ Wolf, Johnny Lee Hooker, Big Jack Johnson, Ike Turner, Sam Cooke, Muddy Waters und Rufus Thomas aufgewachsen. Nach einer kleinen Suche finden wir das Delta Blues Museum in einer alten Lagerhalle am Bahnhof. Wir finden Instrumente, Bühnenklamotten, Plakate, Aufnahmeequipment etc. der bekanntesten Musiker und eine besondere Abteilung zu Muddy Waters. Außerdem sind die Merkmale der einzelnen Musikrichtungen (u.a. Blues, Country, Jazz etc.) gut erläutert. Ich habe 4 Gitarren und den Fender Twin Reverb von John Lee Hooker gesehen - auch toll. Fotografieren darf man hier aber nicht - deshalb gibt es keine Bilder davon.

Außen machen wir Fotos, hier könnte mal jemand sauber machen. Ganz schön herunter gerockt, dieses Clarksdale. Aber schöne Wandmalereien (Mureals) haben sie hier neben dem „Ground Zero Blues Club“.

The Crossroads“, wo der „King of Delta-Blues“ Robert Johnson dem Teufel für sein Ausnahmetalent seine Seele verkauft haben soll finden wir nach der Beschreibung im Museum an der Kreuzung der Highways #61 und #49. Hier stehen als Denkmal drei Gitarren montiert. Wir quatschen kurz mit einem Amerikaner, der hier gerade ein Time-Laps dreht. Er empfiehlt uns für heute Abend in Memphis „The Rendevouz Restaurant“ mit angeblich besonders guten Ribs.

12 Meilen nördlich von Tunica sehen wir das „Gateway to the Blues Visitor Center“ an der #61 liegen, aber an der anderen Seite der Straße. Das Visitor Center ist geschlossen um diese Uhrzeit und hier gibt es für uns auch nichts mehr zu sehen heute.

Manchmal macht so ein Navi ja komische Sachen. Warum ich die Abkürzung (das war wahrscheinlich der Grund für die Streckenführung) durch diese Neibourhood nehmen sollte weiß der Teufel. Hier sieht es noch viel rummeliger aus als in Clarksdale. Bruchbuden ungeahnter Zusammensetzung, Müll am Straßenrand - kein Wunder, da hält genau neben uns ein Auto und der Beifahrer schmeißt zwei Altreifen auf den Bürgersteig. Sitten haben die hier!

Die Gegend um unser Hotel ist aber „safe“. Wir beziehen das Zimmer, kümmern uns um die ersten Fotos und gehen dann nach Downtown. Schon nach 5 Minuten sind wir mitten drin, das Hotel liegt wirklich super! Und da ist auch gleich das empfohlene „The Rendevouz“. Puh, Seitenstraße, sieht auch eher nach Bronx aus. Aber: in den Eisenkästen mit den sehenswerten Kaminen vor (!) dem Restaurant werden die Ribs geräuchert.

Wir gehen rein, riesiger Laden, rappelvoll. Dennoch haben wir nach 5 Minuten einen Tisch und nach weiteren 10 Minuten unser Essen: Ribs „full slab for two“ mit Bohnen und Coleslaw. Super - Fritten machen die gar nicht. Nur Fleisch, Bohnen und Krautsalat. Einziges vegetarisches Gericht: „meatless red beans and rice“. Während wir essen spielt die alte Jukebox hinter uns „Rindin’ with the King“ - B.B. King und Eric Clapton zusammen - passt! Es schmeckt wirklich sehr gut - auch wenn Gabi sagt, dass meine Ribs besser sind. War aber wirklich super lecker und gar nicht so teuer inkl. Bier vom Fass und Cider. Beim rausgehen sehen wir die Dankesbriefe der amerikanischen Präsidenten und Stars, auch beeindruckend.

Jetzt noch in die Beale Street? Ja - kurz! Gleich zu Beginn liegt der „B.B. King Blues Club“, heraus tönt Live-Musik. Und was für eine! Rein, das ist der perfekte Tagesabschluss!! 10 Dollar Eintritt wegen Live-Musik der „B.B. King Allstars“. Geht klar. Auch hier: rappelvoll. Wir erobern zwei Hocker in der ersten Reihe, ich beschaffe Margarita und Bier - dann geben wir uns der Musik hin.

Leute - so was habe ich noch nicht gehört. Die verstehen ihr Handwerk. Drummer, Bassist, B.B.-King-Gitarrist, Keyboarder, der tatsächlich auch auf einer uralten Hammond (oder Wurlitzer?) spielt, Trompete, Sax (machen mächtig Alarm) und zunächst ein Sänger. Da geht voll die Post ab, nix trauriges - pralle Lebensfreude. Dann geht der Sänger und eine junge Frau mit Megafrisur geht ans Mikro. Die hat uns gepackt, weia! So können nur schwarze Stimmen klingen. Jeder Ton Gefühl, Reibeisen, zart, kreischend, schreiend - sensationell. Den Blues hat sie so was von drauf mit dieser Hammer-Band im Rücken, aber auch Tina Turner und Kolleginnen interpretiert sie auf ihre Art. Ihr „You make me feel like a natural woman!“ werde ich nie vergessen. Was hat die da rausgehauen - das höre ich im Leben nicht nochmal so. Grandios!! Georg: Wir haben den ganzen Tag aber gerade da sehr an dich gedacht.

Rückweg zum Hotel, Webseite, Tagebuch, aktuelle Uhrzeit: 23:45 Uhr. Gabi liest jetzt Korrektur und dann mache ich den Deckel drauf. Morgen gehört Memphis uns! Liebe Grüße!!

Tagesetappe: 393 Kilometer
Übernachtung: La Quinta by Wyndham Memphis Downtown, 310 Union Avenue, Memphis, TN 38103

Hangin' around

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Gabi und Jim am "Under the Hill Saloon", Natchez, Mississippi

Wir haben super geschlafen in unserem palastähnlichen Cottage. Es ist schon wieder eine Stunde später als gewohnt - es gilt ab heute Nacht die „daylight saving time“ (Sommerzeit). Passend dazu hat sich die Sonne bestens herausgeputzt und begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel. Das sieht nochmal schöner aus und wir drehen eine weitere Rund durch „unseren“ tollen Garten. Dabei lässt sich auch Herr Pfau portraitieren und der zweite spannt sogar seinen Kranz auf. Auch die Vogelhäuser haben Format - das vergaß ich gestern zu erwähnen.

Frühstück gibt es im „The Dixie Cafe“, das auch seine ganz eigene Atmosphäre verströmt. Ich lasse es mir deftig schmecken. Neben Rührei mit Käse und Tomaten überbacken gibt es knusprigen Bacon, diese typisch scharfe Südstaatenwurst (wie Chorizzo, aber schmaler), kräftig gewürzte Bratkartoffeln, jede Menge Shrimps, frisch gepressten O-Saft und Kaffee. Ich zwinge ,mich, bei einer Portion zu bleiben - die Fritten und frittierten Shrimps von gestern Abend sättigen immer noch.

Auf dem Rückweg zum Cottage skypen wir mit Vater, der so auch einen Live-Eindruck von dieser tollen Anlage erhält. Schnell sind die Sachen gepackt - es ist dennoch bereits kurz nach 10:00 Uhr, als wir rollen.

Gleich zu Beginn: Blaulicht auf dem Highway - ist etwas passiert? Nö, es ist Sonntag und es fahren so viele Autos auf den Parkplatz zum Gottesdienst, dass die Polizei das begleitet.

Auf dem Programm steht zunächst mal ganz unspektakulär ein Besuch des winzig kleinen Städtchens St. Francisville. Dieses war einst ein wichtiges Zentrum der Baumwollplantagen des Südens und hatte auch als Umschlaghafen seine Bedeutung. Die durch den Bürgerkrieg kaum beeinträchtigte Stadt hat sich ihren lieblichen Charakter und das für eine Südstaatenstadt typische Erscheinungsbild erhalten. Schön ist es heute, durch die restaurierte historische Innenstadt (Ferdinand/Commerce St.) zu schlendern. Dabei kann ich nicht anders, als diese schönen Häuser abzulichten. Wir fangen einen coffee to go im Magnolia Cafe und können so gleich auch mal die Restroom benutzen.

Etwas weiter nördlich biegt links der Highway #66 ab; es ist nur ein kurzer Abstecher zur Greenwood Plantation, bekannt aus „Fackeln im Sturm“. Bei der Anfahrt bitte ich Siri, die Titelmelodie zu spielen und wir sind bester Stimmung. Leider kann man die Plantation nicht ohne Voranmeldung besuchen und weiter als bis zum Tor kommen wir nicht. So erhaschen wir auch keinen Blick auf das schöne Haupthaus, in dem (filmisch) die arme Madelaine von Fiesling David Carradine gequält wurde. Egal - der Weg ist das Ziel und die schöne Gegend entschädigt uns locker.

Wieder auf dem Blues-Highway #61 dauert es nicht lange, bis wir die Staatengrenze nach Mississippi erreichen. Schöne Staatenschilder etc. mit Texten, die wir für unsere „Sammlung“ gut gebrauchen können. Als wir morgens auf die #61 aufgefahren sind, meinte Gabi, es sei Zeit für „Still got the Blues“ von Garry Moore. Siri erfüllt alle Musikwünsche und im weiteren Verlauf unterhält uns der gute Eric Clapton.

Kurz vor Natchez steht rechts am Highway „Mammy’s Cupboard“, ein aus Reiseführern bekanntes Mini-Cafe in der Bauform einer Dame.

Und schon sind wir in Natchez, das viel kleiner, gemütlicher und schöner rüber kommt als wir erwartet haben. Unser historisches Hotel zu finden ist ein Klacks. Leider ist es noch eine Stunde zu früh zum Einchecken und hier machen sie keine Ausnahme. Kein Problem, kurz Google Maps aufgerufen und geschaut, was geht. Um die Ecke ist die Natchez Brewing Company zu Hause - ein super Programmpunkt zur Überbrückung. Es ist schließlich Sonntag. Auf dem Weg passieren wir schöne Gebäude und bunte Blumen. Die Natur scheint hier weiter zu sein. Gut!!

Am Natchez City Auditorium, einem ebenfalls imposanten Gebäude wird die Rassentrennung problematisiert: „Proud to take a stand“ - „stolz gegen Rassismus aufzustehen“. Die Brewery ist ein cooler Ort, ganz nach meinem Geschmack - auch optisch. Alles ist sehr offen und man kann auch draussen sitzen bei dem super Wetter. Deutsche Zutaten werden in Säcken unter der Decke gelagert. Gabi nimmt wie immer ein Cider und ich bekomme meine erste „Flight“, wobei ich selbst bestimmen darf, womit die 4 Probiergläschen befüllt werden. Ich entscheide mich für ein leichtes („Bluff City Blonde“), ein Weizen mit Erdbeergeschmack („Wheat Willy on strawberries“), ein hazy IPA („Capitol“) und ein Coconut-Porter („cast away“). Lustig werden sie serviert in kleinen Schraubgläsern, die wir von zu Hause kennen: da ist sonst Pizzasoße drin, Heiner wird sich schütteln. Wir hängen rum (was hier nicht abwertend aufgefasst wird - „just hang a little bit around“ meint einfach: „lass es dir gut gehen und warte etwas“).

Jetzt gehen wir noch ein paar Schritte zum Mississippi, der eindrucksvoll breit daher fließt. Ein Schild an einer kleinen Bar spricht mich an: „The Little Easy“. Ich hatte ja gestern schon geschrieben, wie toll ich NOLA („The Big Easy“) fand und dennoch das Gefühl habe, wir gehören eher ins Dorf und die Natur. Das wird heute eindrucksvoll bestätigt und „The Little Easy“ passt perfekt zu diesem Tag.

Die Mainstreet hoch, auch hier: schöne Gebäude und ein Schild mit einem Spruch von Martin Luther King, der auch heute (oder gerade heute wieder) seine Bedeutung hat.

Es ist 15:30 Uhr, wie checken ein und bekommen das zu Hause schon ausgesuchte historische Zimmer - denn hier ist jedes anders und du kannst aussuchen, wie du wohnen möchtest. Historisch halt. Passt zum Reiseverlauf - ab morgen wohnen wir aber wieder „normaler“.

Jetzt ist das Tagebuch bis hierher schon fertig und heute Abend habe ich etwas weniger zu tun. Aber jetzt gehen wir auf jeden Fall noch runter zum Fluss. Die Silver Street („Natchez Under the Hill“) soll toll für den Sonnenuntergang sein, ebenso die Promenade am „Broadway“. Im „Under the Hill Saloon“ hängen historische Fotos aus! Da könnten wir ja auch hinein schauen, mal sehen.

Ich schau mal, wo Gabi steckt - die ist vor einiger Zeit verschwunden. Ich finde sie auf dem großen Etagenbalkon im Liegestuhl. Da geselle ich mich mal dazu.

Der Weg hinunter zum Fluß ist später schnell gefunden - auch hier ist alles viel übersichtlicher, als gedacht. Eine ganze Reihe Leuten jeden Alters hängen draußen vor dem Saloon herum, manche am Zaun gegenüber, manche bei ihren Harleys, andere an ihrem Truck. Ich gehe hinein und beschaffe eine Flache Cider und eine Flasche Bier („Southern Pecan - The original Pecan Nut Brownale, ale brewed with roasted pecans). Es sieht so aus, als gäbe es auch Live-Musik. Auf kleinster Fläche stehen ein Drumset, ein Bassist und zwei Gitarristen.

Als ich wieder vor den Saloon trete traue ich meinen Augen kaum: Gabi im angeregten Gespräch mit zwei älteren Herren. Na dann störe ich mal nicht, reiche ihr das Cider und gehe ein paar Fotos schießen. Dabei komme ich ins Gespräch mit einem super netten Typen, der auch eine Nikon hat - aber was für eine: Die nagelneue Nikon Z9, das Flagschiff unter den spiegellosen Nikons. Er hat das gleiche Objektib drauf wie ich, aber eben aus der neuen Z-Serie. Respekt!! Ich darf ein wenig herumprobieren und und bin beeindruckt. Ganz andere Nummer. Nunja, fiftyfive hundrets bucks für allein den Body - das kostet das gute Stück bei uns in Euro. Dafür 45 Megapixel - und extrem hoher Dynamikumfang. Er erzählt, dass er viel Sportfotografie macht, Baseball und so. Dabei schießt er mit dem Teil schon mal 120 Bilder pro Sekunde (!).

Zwischendurch kommt auch der Norweger vorbei, der bei uns im Hotel im Nebenzimmer wohnt und der von Miami Beach nach LA fährt und unterwegs in Vegas seine Frau treffen will. Wir hatten ihm im Hotel mit einigen Hinweisen zu New Mexico, Arizona und Utah helfen können. Wir grüßen uns, als würden wir uns schon ewig kennen.

Nach einer Weile stelle ich fest: wir hängen, inzwischen bei der jeweils zweiten Pulle angekommen, genau so hier rum wie die Locals. Die Harleys knattern mit viel Spektakel davon, es folgt ein Pickup mit noch mehr Radau. „700 Horses“ raunt mir mein Nachbar zu - Hammer, 700 PS!

Ich stelle ganz sachlich fest, wie sehr mir dieses „hangin’ around“ hier gefällt. Ich blicke auf den Mississippi in der Abendsonne, in der Hand eine kleine Pulle Bier, neben mir Gabi und die netten Typen - wir reden über Gott und die Welt, oder gucken einfach mal ein Loch in die Luft. So cool, dieses „hangin’ around“ - ein toller Moment, der mit einer ganzen Portion Dankbarkeit echt zu Herzen geht.

Drinnen gibt die Band alles und die können wirklich was. Schönes Programm, Pink Floyd, viel Blues, aber auch Santana, Jimi Hendrix und Konsorten. Flinke Finger, trotz des Alters. In einer Pause quatsche ich mit dem Bassisten, der gleich „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash für mich spielen will. Jim und Gabi sind mir jetzt auch an die Bar gefolgt und Jim gibt mir noch ein „Pecan“ aus: „Don’t sorrow, I’ve enough money for the rest of my life - if I’ll die on tuesday, haha!“ Jim trinkt Cognac auf Eis aus einem Styroporbecher - die seien hier recht großzügig mit den Spirits. Stimmt, der Becher wird bis oben gefüllt.

Er ist echt ein freundlicher, stiller, älterer Herr, der Jim. Eigentlich kommt er aus Michigan, wo sein Haupthaus steht - auch historisch aus dem Jahr 1889. Das ist im im vergangenen Jahr fast komplett abgebrannt und nun muss er sehen, was er damit macht. Zeitweise lebt er hier in Natchez. Da kommt ein weiterer Gast - er würde jetzt tanzen, wenn ich mag könnte ich mit meiner coolen Kamera mal ein paar Bilder von ihm machen. Das geht natürlich nur mit viel Unschärfe, so wie er hopst und bei der Dunkelheit hier.

Nach über zwei Stunden inmitten dieser feinen, coolen Community müssen wir aufbrechen. Wir hätten schon vor längerer Zeit Abendessen wollen. Nun landen wir im „Bisquits and Blues“ auf der Mainstreet - auch eine Empfehlung von Jim. Ribs mit Bohnen und Cole Slaw für mich, Nudeln mit Hühnchen und Pilzen in cremiger Soße für Gabi. Rappelvoll ist die Bude hier, glücklicherweise waren wir noch nicht zu spät.

Viel zu spät ist es jetzt wieder. Hätte nicht gedacht, doch noch so lange zu schreiben und an den Fotos zu werkeln. Jetzt noch einbauen und ab ins Bett - Gabi liegt schon und da gehöre ich jetzt gleich auch hin. Was war das für ein schöner Tag. Die 2 Stunden am Saloon „under the hill“ werde ich nie vergessen. Gute Nacht!

Tagesetappe: 224 Kilometer
Übernachtung: The Guest House Historic Mansion, 201 N. Pearl Street, Natchez, MS 39120

© 2024 Gabi & Jürgen