Tagebuch




Judy's Nest

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Gabi in "Judy's Nest", Savannah, Georgia

Das Zimmer im Cambria Hotel Mount Pleasant gehörte zu den besten, die wir in den USA je hatten. Riesig mit richtig großem Bad und allen Annehmlichkeiten. Auch Bar und Küche waren hervorragend. Das sage ich der netten Dame an der Rezeption auch, als wir gegen 09:00 Uhr diese gastliche Stätte verlassen.

Die Wettervorhersage hat leider recht gehabt: es ist recht grau, noch regnet es nicht. Wir fahren Richtung Süden; unser erstes Ziel heißt „Beaufort“ (sprich: „Bju-fört“). Es ist eine schnuckelige kleine Stadt mit Visitor Center, dem wir einen kurzen Besuch abstatten. Dann fahren wir mangels Parkplätzen bis zur Waterfront und stellen dort den Wagen ab. Es folgt ein kurzer Bummel am Wasser entlang und durch die Stadt. Es sind eher kleine Straßen mit vielen alten, mittelständischen Häusern, die sich unter den mit Spanish Moos behangenen Eichen verstecken.

Da das Wetter eher schlechter wird, machen wir uns auf den Weg nach Savannah - vielleicht bekommen wir dort ja trockenen Fußes noch etwas zu sehen. Leider nein! Ins Visitor Center, wo man gut parken kann, kommen wir noch rein, aber 5 Minuten später gießt es aus allen Rohren. Es ist schon nicht mehr möglich, halbwegs trocken ins Auto zu kommen. An einen Stadtrundgang ist heute nicht mehr zu denken - da ist die Vorhersage sehr eindeutig. Wir beschließen, zur Unterkunft zu fahren, die wir auch gegen 14:30 Uhr erreichen. „Judy’s Nest“ mit der gelben Haustür entpuppt sich als heimeliges Appartement mit großer Wohnküche, Schlafzimmer und Bad. Viele Fenster machen die Wohnung schön hell und da sie im 1. OG liegt sitzen wir nun hier tatsächlich wie in einem Vogelnest und schauen auf die verregnete Straße hinunter. Apropos: in Downtown stand so viel Wasser auf den Straßen, dass man dort teilweise noch nicht mal hätte laufen können, ohne knöchelhoch drin zu stehen. Das erinnerte fast an die Reisfelder gestern Abend.

Richtig gute Fotos von heute gibt es kaum; für eine Erinnerung an diesen Tag reicht es aber allemal, auch wenn diesmal nichts Besonderes dabei ist. Unser Plan ist es, zu schauen, wie das Wetter morgen früh ist. Es soll weiter wechselhaft und regnerisch sein, aber nicht mehr so viel Wasser vom Himmel fallen. Evtl. machen wir dann morgen früh noch einen kleinen Stadtrundgang - das Restprogramm für morgen ist überschaubar, die Fahrtstrecke kurz.

In den vergangenen Tagen und auch heute ist mir noch was aufgefallen: wenn es in dieser Gegend mal eine Baustelle gibt, dann stellen sie ein Schild auf: „Let them work - let them live!“ - und werben so darum, vorsichtig zu fahren. Finde ich gut. Und ein Spruch von gestern Abend im Interpretive Center gefiel mir auch. Ich unterhielt mich am Parkplatz mit einem Herrn über unsere Wanderung und sagte, dass wir einfach Bewegung benötigen, das täte so gut. Worauf er bestätigte, dass dies eine prima Idee sei, denn „solange du dich bewegst, können sie dich nicht beerdigen!“

Wir genießen jetzt die schöne Wohnung. Der elektrische Kamin brennt schon, gleich gibt es eine Pizza von meinem Lieblingslieferservice Domino’s, die hier ganz in der Nähe zu finden sind. Dazu ein Glas Wein und noch später machen wir vielleicht mal das Fernsehen an. Von Apple TV bis zu Netflix gibt es auch dort was zu entdecken.

Da ich Zeit habe, erzähle ich gerne auch noch was über die Stadtgeschichte:

Im Februar 1733 landete General James Edward Oglethorpe mit 120 Kolonisten am Savannah River. Er hatte den Auftrag, die britische Kronkolonie Georgia zu gründen. Bei der Anlage der Stadt nutzte er eine Skizze aus Robert Castells Buch „The Village of the Ancients“: er legte 24 Town Squares an (heute sind noch 21 erhalten), die für die umliegenden Bewohner als Gemeindezentrum dienten. Hier wurde z.B. gekocht, denn Kochen war in den feuergefährdeten Holzhäusern verboten. Jede Siedlerfamilie erhielt ein Grundstück mit einem Gartenteil. Am Hafen entstand ein Geschäftsviertel. Außerhalb der Stadt vergab man Farmgrundstücke.

Der auf Sklaverei und Baumwollhandel gegründete wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte vielen reichen Bürgern und Geschäftsleuten sehr schöne Häuser zu bauen.

Während des Bürgerkrieges konnte Savannah lange Jahre nicht eingenommen werden. Als General Sherman im Dezember 1864 anrückte, kapitulierten die Bewohner Savannahs und verhinderten so eine Zerstörung der Stadt. General Sherman sandte damals seine berühmte Weihnachtsbotschaft an Präsident Lincoln: „Als Weihnachtsgeschenk überreiche ich Ihnen die Stadt Savannah mit 150 schweren Kanonen, Munition und etwa 25.000 Ballen Baumwolle“.

Ende des 19. Jh. sanken die Baumwollpreise und die Stadt verfiel. Um das architektonische Erbe Savannahs zu retten, schlossen sich schließlich 7 Damen der Stadt zusammen, besetzten die für den Abbruch vorgesehenen Häuser und gründeten 1950 die Historic Savannah Foundation. Fortan verbesserte sich das Stadtbild und mittlerweile konnten 2.000 Häuser originalgetreu restauriert werden. 1977 wurde die Uferfront vor dem Verfall gerettet. Auch die Restaurierung des viktorianischen Viertels, in dem wir hier in „Judy’s Nest“ sitzen, ist fast abgeschlossen.

Zeitsprung - einige Stunden später: gegen 16:00 Uhr läßt der Regen etwas nach und wir ergreifen die Gelegenheit, doch noch eine kleine Runde zu drehen. Nur drei Blocks entfernt ist der Forsyth Park. Natürlich gibt es hier auch ein „Civil War Monument“ und einen großen Springbrunnen. Wir durchqueren den Park komplett der Länge nach und gelangen auf die Bull Street, die uns (theoretisch) bis an die Waterfront führen würde. Wir gehen ein ganzes Stück passieren dabei einige der sogenannten „Town Squares“. Die Savannah-App, die ich heute Mittag im Visitor Center geladen habe, liefert gesprochene Erklärungen dazu, ohne dass ich gefragt hatte. Spooky!!

Am Madison Square hören wir, dass sich hier auch das Gebäude befindet, in dem General Sherman seine „Weihnachtsbotschaft“ verfasst hat und am „Cheppewa Square“ (auch „Forrest Gump Park“ genannt) befindet sich genau die Stelle, an der Forrest zu Beginn des Films auf seiner Bank sitzt, die Feder tanzt, die Busse vorbeifahren und er seine Geschichte zu erzählen beginnt. Filmfans wissen, wovon ich spreche.

Es fängt wieder an zu schütten und wir drehen um. Klitschnass erreichen wir unser „Nest“. Pizza und Wein waren erwartungsgemäß super und nun legen wir die Füße hoch. Gute Nacht!!

Tagesetappe: 206 Kilometer
Übernachtung: Judy's Nest at the Wessels-Boyd House, 501 East Waldburg Lane, Savannah, GA 31401

© 2024 Gabi & Jürgen